11. Die Zeit des severischen Kaiserhauses (193-235 n. Chr.)
Zu Beginn des Monats Juli 193 begab sich Septimius Severus von Rom aus in den Orient, um den Rivalen Pescennius Niger niederzuwerfen. Der Proconsul von Asia, Aemilianus, hatte inzwischen die Meerengen für Pescennius Niger in Besitz genommen, er wurde aber von den Voraustruppen des Septimius Severus von Perinth auf Byzanz zurückgeworfen. Pescennius Niger sah sich bald aus Kleinasien herausgedrängt, die Entscheidung fiel im April 194 in der Nähe von Issos. Die Tapferkeit der illyrischen Legionen gab den Ausschlag zugunsten des Septimius Severus, Pescennius versuchte sich zu den Parthern zu retten, ward aber ereilt und getötet. Sein Haupt ließ der Sieger in das Feldlager vor Byzanz bringen und den Einwohnern der belagerten Stadt zeigen, zum Zeichen dafür, daß jeder weitere Widerstand sinnlos geworden sei. Byzanz aber hat sich noch längere Zeit gehalten, erst gegen Ende des Jahres 195 mußte die feste Stadt kapitulieren. Die Einwohner wurden hart bestraft, die Mauern niedergelegt. Byzanz büßte seine Thermen und Theater ein, es wurde als Dorf (kome) zu Perinth geschlagen. Aber schon im Jahre 197 erhielt die Stadt ihre Rechte zurück, ihre frühere Bedeutung hat sie jedoch nicht wiedererlangt.
Mit dem Kriege gegen Pescennius Niger verquickte sich im Orient ein neuer Partherkrieg. Die Parther hatten nicht nur dem Pescennius ihre Hilfe in Aussicht gestellt, sie hatten auch mit einer Offensive im nördlichen Zweistromland beachtliche Erfolge zu verzeichnen. So war der bisherige römische Vasallenstaat Osrhoene auf parthische Seite übergetreten, Edessa wurde von einem Partherheer belagert. Septimius Severus konnte dieser Entwicklung nicht tatenlos zuschauen, er überschritt (wahrscheinlich im September 194) den Euphrat, die
Parther wichen vor ihm zurück; bereits im Sommer 195 schmückte sich der Kaiser mit den Siegesbeinamen Adiabenicus und Arabicus. Osrhoene wurde zunächst als römische Provinz organisiert, später aber dem einheimischen Fürsten zurückgegeben. Der Grund hierfür waren ungünstige Nachrichten aus dem Westen des Reiches: hier hatte sich Clodius Albinus, gleichfalls afrikanischer Herkunft, immer selbständiger gemacht, dazu verfügte er unter den Senatoren in Rom über einen bedeutenden Anhang. Anfang Dezember 195 ließ Septimius Severus seinen Rivalen und Mitregenten durch das Heer zum hostis erklären, die Truppen setzten sich aus den Winterquartieren Mesopotamiens nach dem Westen in Marsch. Im April 196, in Viminacium, wurde Bassianus, der älteste Sohn des Septimius Severus, im Alter von acht Jahren, unter dem Namen Antoninus zum Caesar proklamiert. Es ist der spätere Caracalla. Die britannischen Legionen aber hatten inzwischen Clodius Albinus zum Kaiser (imperator Augustus) ausgerufen, Gallien trat auf seine Seite über, Clodius Albinus verlegte sein Hauptquartier nach Lyon (Lugdunum). Auch der Statthalter (Legat) der Hispania Tarraconensis, L. Novius Rufus, schloß sich dem Clodius Albinus an und mit ihm die legio VII Gemina. Verhängnisvoll für den Gegenkaiser war es jedoch, daß die Heere Germaniens dem Septimius Severus die Treue hielten. Die kampferprobten Donaulegionen erzwangen sich auf dem Wege von Pontarlier nach Besanoon den Eintritt in Gallien, in der Schlacht bei Lyon (19. Februar 197) entschieden die Waffen zugunsten des Septimius Severus, nachdem das Schicksal lange auf des Messers Schneide gestanden hatte. Clodius Albinus kam auf der Flucht ums Leben, Lyon wurde von den siegreichen Truppen in Brand gesteckt und wie eine eroberte Stadt in Feindesland geplündert. Die Anhänger des Clodius Albinus wurden von Septimius Severus mit bitterem Haß verfolgt, die Tage Sullas schienen zurückzukehren. Allein in Rom sollen mehr als 50 Senatoren den Tod gefunden haben. Septimius
Severus aber erzwang die Konsekration des Commodus, er selbst bezeichnete sich als «Sohn des Marcus», und zwar auf Grund einer fiktiven Adoption durch den Kaiser Mark Aurel (bereits seit dem Jahre 195). Es gab auch einen flamen Commodianus; der Athlet Narcissus, der Commodus umgebracht hatte, mußte sterben.
Wenige Monate nach seinem Sieg, im Mai 197, eilte Septimius Severus ein zweites Mal in den Orient, dieses Mal in Begleitung seiner Gattin Julia Domna. Es begann ein neuer Partherkrieg (197-199). Rasch errangen die Römer bedeutende Erfolge. Schon im ersten Kriegsjahr fielen die Städte Babylon, Seleukeia und Ktesiphon in römische Hand, auf eine Verfolgung des Partherheeres nach Medien hinein wurde jedoch verziehtet, wiederholte Versuche, die Wüstenfestung Hatra einzunehmen, schlugen fehl. Trotzdem hatte der Kaiser Großes erreicht: er hatte dem Reich eine neue Provinz, Mesopotamien, gewonnen, sie wurde mit zwei Legionen belegt. Mittelpunkt der römischen Herrschaft jenseits des Euphrats war die Stadt Nisibis. Der frühere Pufferstaat Osrhoene aber hatte seine Bedeutung verloren, das Land galt von nun an als unmittelbares römisches Reichsgebiet.
Im Anschluß an den Partherfeldzug begab sich Septimius Severus nach Ägypten (199-200). Aus dieser Zeit stammt eine Anzahl von Verfügungen, die der Kaiser in Ägypten erlassen hat, es sind die sogenannten Apocrimata. Die Sympathie der Alexandriner wußte Septimius Severus dadurch zu gewinnen, daß er der Stadt die Bule, den Rat, zurückgab, den sie wahrscheinlich schon unter den Ptolemäern verloren hatte. Auf dem Landwege, über Antiocheia und durch Kleinasien, kehrte der Kaiser nach Rom zurück. Dabei besuchte er auch die Legionslager in Mösien und Pannonien. Die Jahre von 202 bis 205 waren zum erstenmal Friedensjahre, sie waren für den inneren Ausbau des Reichs sehr notwendig. Nach der Rückkehr des Kaisers von einem Aufenthalt in Afrika (203-204) wurden im Jahre 204 in Rom die Säkularspiele gefeiert. Am Ende seines Lebens, bereits von schwerer Krankheit gezeichnet, mußte Septimius Severus noch einmal zu den Waffen greifen. In Britannien störten die Völker der Pikten und Maeten den Frieden der römischen Provinz (seit 206), im Frühjahr 208 machte sich der Kaiser mit seiner Familie auf den Weg nach Britannien. Durch umfangreiche Wege- und Brückenbauten wurde der Feldzug vorbereitet, das Ergebnis stand jedoch zu dem Aufwand in keinem Verhältnis, die feindlichen Völkerschaften verlegten sich auf den Kleinkrieg, der den Römern schwer zu schaffen machte. Septimius Severus ließ den Hadrianswall wieder instandsetzen. Mehr als eine Sicherung der Reichsgrenze wurde jedoch nicht erreicht. Mitten unter neuen Rüstungen gegen die Caledonier verstarb der Kaiser am 4. Februar 211 in Eburacum (York) im Alter von 64 Jahren.