Nach dem Tode des Septimius Severus (211) regierten zunächst seine beiden Söhne, M. Aurelius Antoninus (Caracalla) und sein jüngerer Bruder P. Septimius Geta. Die eigentliche Leitung des Staates aber lag in den Händen der Mutter Julia Domna. Sie hat die von den Brüdern geplante Teilung des Reiches verhindert. Am 19. Februar 212, also nach gerade einjähriger gemeinsamer Regierung, ließ der Ältere den Jüngeren in den Armen der Mutter umbringen, Heer und Senat sanktionierten die grausige Mordtat, der Senat soll in seiner Würdelosigkeit die alten Beispiele des Romulus und des Nero beschworen haben. Es wurde eine allgemeine Amnestie verkündet, verbunden mit einer im ganzen Reich zu feiernden Öffentlichen Freudenkundgebung (laetitia publica). Doch hielt sich Caracalla nicht an das Gesetz, es folgte vielmehr eine große Zahl politischer Morde, angeblich sollen 20000 Menschen umgebracht worden sein. Unter den Ermordeten befand sich auch der große Jurist Papinian. Er hatte den Zorn des Caracalla erregt, weil er sich geweigert hatte, eine Apologie des Brudermordes zu schreiben. Der Name des unglücklichen Geta wurde auf den Inschriftensteinen ausgemeißelt, man tat dies mit so geringer Umsicht, daß auch andere Träger des Geta-Namens in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Aus dem Jahre 212 stammt das berühmte Edikt des Caracalla, das seinen Namen verewigt hat, die Constitutio Antoniniana. Sie verlieh allen Reichsangehörigen das römische Bürgerrecht, mit der alleinigen Ausnahme der dediticii, einer Gruppe, die eindeutig zu definieren bis heute nicht gelungen ist. E. Bickermann hat seinerzeit die Hypothese vertreten, der Papyrus Gießen I 40 sei gar kein Bruchstück dieser Constitutio, sondern ein ergänzendes Edikt (eine Novelle), das im übrigen nicht die Peregrinen, sondern die Barbaren betreffe, die erst kürzlich in den Reichsverband aufgenommen worden seien. Diese Annahme hat aber in der Forschung mit Recht wenig Anklang gefunden. Die berühmte Constitutio, die wahrscheinlich auf die Kaiserin Julia
Domna und die großen Juristen zurückzuführen ist, war im übrigen nicht völlig revolutionär. Cassius Dio wird recht haben, wenn er sagt, sie habe den Zweck gehabt, dem Staat mehr Steuereinnahmen zu bringen. Dies gilt insbesondere für die Erbschaftssteuer. Von diesem finanziellen Gesichtspunkt verlautet aber im Papyrus nichts, die Urkunde führt vielmehr juristische und religiöse Gründe an: der Kaiser will den römischen Göttern neue Verehrer zuführen. Die Auswirkungen der Constitutio waren sicherlich bedeutend, die Zahl der neuen römischen Bürger ging in die Hunderttausende, in dem überaus häufigen Vorkommen des Gentiliziums Aurelius ist die weltweite Auswirkung des Gesetzes zu erkennen. Die Constitutio Antoniniana ist zweifellos ein Hebel der Romanisierung geworden, mögen auch immer noch ganze Bevölkerungsschichten vom Besitz des römischen Bürgerrechts ausgeschlossen gewesen sein.
Im übrigen aber war Caracalla ein Kaiser so recht nach dem Herzen seiner Soldaten, eine Tatsache, die wenigstens zum Teil die negative Beurteilung erklärt, die sich bei den zeitgenössischen Historikern findet. In den offiziellen Erlassen erscheint jedoch ein ganz anderer Kaiser aber für die Gesetzgebung und die Administration des Reiches sind vor allem die großen Juristen verantwortlich gewesen. Caracalla fühlte sich als neuer Alexander, die Nachahmung ging so weit, daß er die makedonische Phalanx wiedererstehen ließ und am Grabe des Achilles Opfer darbrachte. Im Jahre 213 sind Kämpfe in Rätien bezeugt, und zwar gegen die Alamannen, deren Name hier zum erstenmal in der Überlieferung erscheint. Die Arvalakten verzeichnen unter dem 20. Mai 213 für Caracalla den Siegesbeinamen Germanicus Maximus, am 6. Oktober dagegen ein Opfer wegen eines Sieges, den der Kaiser errungen hatte (am unteren Main?). Im übrigen hatte Caracalla eine ausgesprochene Vorliebe für die Germanen; er umgab sich mit einer germanischen Leibwache, den «Löwen», und legte selbst
gelegentlich germanische Tracht an.
Gegen Ende des Jahres 213 nach Rom zurückgekehrt, brach Caracalla im Frühjahr 214 zum Krieg in den Orient auf, in seiner Begleitung befanden sich Julia Domna und der Praefectus praetorio M. Opellius Macrinus. Als Caracalla in Antiocheia angelangt war, zeigte es sich, daß der neue Partherkönig Vologaeses V. keinen Krieg wollte. Unruhen riefen den römischen Kaiser nach Ägypten. Die Bevölkerung Alexandriens wurde streng bestraft, die Stadt durch eine hohe Mauer in zwei Teile geteilt, außerdem wurden Kastelle zur Überwachung errichtet. Auch im Partherreich war es zu Unruhen gekommen. Artabanos, ein jüngerer Bruder des Großkönigs, hatte sich eines Teils des Reiches bemächtigt, er galt als ein geschworener Feind der Römer. Caracalla, aus Ägypten nach Syrien zurückgekehrt, traf Vorbereitungen für den Partherkrieg. Die Könige von Osrhoene und Armenien nahm er durch treulosen Verrat in Gewahrsam. Wie es heißt, soll Caracalla um die Tochter des neuen parthischen Großkönigs Artabanos V. geworben haben, er wurde aber abgewiesen und nahm die Gelegenheit wahr, einen Einfall in das Partherreich zu unternehmen. Er gelangte bis Arbela, wo er die Königsgräber plündern und verwüsten ließ (Sommer 216). Doch schon am 8. April 217 wurde Caracalla auf der Straße nach Carrhae durch einen Offizier seiner Leibwache niedergestreckt. Hinter dem Attentat stand der Praefectus praetorio M. Opellius Macrinus, der sich von dem Kaiser bedroht gefühlt hatte. Caracalla ist 31 Jahre alt geworden, er hatte nur sechs Jahre und vier Monate regiert.
Im Grunde genommen verdankte M. Opellius Macrinus seine Erhebung zum Kaiser einem Zufalclass="underline" Adventus, der andere Praefectus praetorio, hatte es wegen seines Alters abgelehnt, die Kaiserwürde zu übernehmen. Macrinus stammte aus Caesarea (Cherchel) in Mauretanien, er war der erste in der Reihe der römischen Kaiser, dem es gelungen war, sich als römischer Ritter von der Stellung eines Praefectus praetorio zum Thron emporzuschwingen. Als sein dies imperii galt der 11. April 217, der Geburtstag des Septimius Severus. Er nannte sich Imperator Caesar M. Opellius Severus Macrinus Augustus. Seinen neunjährigen Sohn Diadumenianus ernannte er zum Caesar (Mitregenten) und zum princeps iuventutis. Außenpolitisch erstrebte er den Frieden mit dem Partherreich; die Bedingungen waren zwar für die Römer wenig schmeichelhaft, doch gelang es, Mesopotamien dem Reich zu erhalten. Die Römer mußten eine riesige Kriegsentschädigung zahlen (50 Millionen Denare) und die parthischen Kriegsgefangenen zurückgeben (218). Die Kämpfe des Jahres 217 waren übrigens für die Römer wenig erfolgreich verlaufen. Die Familie der Severer vermochte Macrinus nicht zu gewinnen. Julia Domna hat sich noch im Jahre 217 das Leben genommen, aber ihre Schwester, Julia Maesa, und deren Töchter, Julia Soemias und Julia Mamaea, die sich nach Emesa begeben hatten, entfalteten von hier aus eine lebhafte Propaganda für den ältesten Neffen des Caracalla, den Sohn des Sex. Varius Marcellus und der Julia Soemias, der den Namen Varius Avitus Bassianus führte. Er war Hoherpriester des Gottes von Emesa, El-Gabal («Herr des Gebirges»), und wurde nach diesem Elagabal genannt. (Im Lateinischen ist der Name zu Heliogabalus verballhornt.) Unter dem Namen M. Aurelius Antoninus riefen die Soldaten den erst Vierzehnjährigen im Lager von Raphaneae bei Emesa zum Kaiser aus (16. Mai 218). Macrinus versuchte zwar Widerstand zu leisten, aber die dynastischen Bande zwischen der Familie der Severer, der Bevölkerung und dem Heer des Ostens waren ungleich stärker, Macrinus erlitt eine Niederlage, er wurde in Kleinasien auf der Flucht festgenommen und getötet (8. Juni 218). Auch sein Sohn Diadumenianus kam auf der Flucht zu den Parthern um. Das Zwischenspiel des ersten Ritters auf dem Thron der Caesaren hatte nach knapp 14 Monaten ein rasches Ende gefunden. Als Kaiser war Macrinus zweifellos vom besten Willen beseelt gewesen, doch war er weder beim Senat noch bei den Soldaten beliebt. Sein Name erscheint auf zahlreichen Meilensteinen. Das sind nahezu die einzigen Spuren, die von seiner kurzen Regierung zurückgeblieben sind.