Выбрать главу

Es ist fast wie ein Wunder, daß gerade in der größten Notzeit des Imperiums unter Kaiser Gallienus eine Renaissance des Hellenentums zu verzeichnen ist. Wie einst der Kaiser Hadrian, so hat sich auch Gallienus, unterstützt von seiner Gemahlin, der Kaiserin Salonina, einer Griechin aus Bithynien, um die Erneuerung des hellenischen Geisteslebens bemüht. In seine Regierung fällt nicht nur eine letzte Blütezeit der eleusinischen Mysterien, sondern auch die Begründung des letzten großen philosophischen Systems des Altertums. Es ist mit dem Namen des Plotinos (204 bis 270) für immer verbunden. Gallienus ließ sich in die Mysterien von Eleusis einweihen, er bekleidete außerdem das Archontat von Athen. Auf seinen Münzen ließ er sich unter der Gestalt der Göttin Demeter abbilden mit der Legende  Galliena Augusta -  doch wurde die Gleichsetzung des Kaisers mit einer weiblichen Gottheit in jener Zeit nicht mehr verstanden. Die besondere Gunst des Kaisers und der Kaiserin galt dem Philosophen Plotinos aus Lykopolis in Ägypten, einem Schüler des Ammonios Sakkas und des Christen Origenes in

Alexandrien. Nachdem Plotinos den Kaiser Gordian III. auf seinem Perserfeldzug begleitet hatte, ließ er sich in Rom nieder. Seine Schriften, 54 an der Zahl, hat Plotins Schüler, Porphyrios von Tyros, herausgegeben, sie wurden zu Enneaden gruppiert. Der äußeren Form nach sind dies Kommentare zu den Meinungen der Platoniker, Aristoteliker und Stoiker, im Anschluß daran entwickelt Plotinos seine eigenen Ansichten. Der Philosoph vertritt einen Eklektizismus, das Ziel des Philosophierens ist die Erhebung der Seele aus den Tiefen der sensiblen Welt zu der Höhe der intelligiblen Welt, um sich dort mit dem höchsten Wesen zu vereinigen. Es wird ewig rätselhaft bleiben, wie dieser Mann, umgeben von Mord und Brand, von Krieg und Seuchen, die innere Ruhe gefunden hat, sich mit den ewigen Problemen der menschlichen Seele zu beschäftigen. Gallienus wollte den Schülern Plotins in einer kleinen Stadt Campaniens einen Mittelpunkt schaffen - infolge des jähen Todes des Kaisers ist es hierzu nicht mehr gekommen. Manche unter den Schülern Plotins haben am Staatsleben aktiven Anteil genommen, mit wechselndem Erfolg. So ist Cassius Longinus, Ratgeber der Königin Zenobia von Palmyra, auf Befehl des Kaisers Aurelian hingerichtet worden, weil dieser in ihm den eigentlich Schuldigen für den Abfall der Karawanenstadt gesehen hat. Dem Biographen Plotins, Porphyrios von Tyros, verdankt die Wissenschaft ein hervorragendes chronologisches Werk, das Eusebios von Caesarea benutzt hat, obwohl er für den Verfasser wenig Sympathien empfand.

Mit der Leistung Plotins können sich die übrigen literarischen und philosophischen Werke dieser Periode nicht im entferntesten messen. Am bedeutendsten ist noch der christliche Rhetor Cyprian aus Africa, der im Jahre 258 der valerianischen Verfolgung zum Opfer gefallen ist. Cyprian hat eine ganze Fülle von Werken und Briefen hinterlassen, von denen die Schrift «Ad Donatum» ein eindrucksvolles Bild vom Sittenverfall der Gesellschaft des römischen Kaiserreichs entwirft. Mit vollem

Recht gilt der Afrikaner als der bedeutendste Kirchenlehrer vor Augustin.

Von den vielen Kaisern des halben Jahrhunderts zwischen Severus Alexander und Diokletian hat nur ein einziger dauernde Spuren in der Stadt Rom hinterlassen:  Aurelian  (270-275). Dieser Herrscher hat die Ewige Stadt mit einer riesigen Mauer umgeben, sie sollte Rom vor den drohenden Einfallen der fremden Völker schützen. Das Befestigungswerk schloß jedoch keineswegs die gesamte Stadt ein. So ist etwa das Vaticanische Feld außerhalb der ungefähr 19 km langen Befestigung geblieben, während der gleichfalls am rechten Tiberufer liegende Janiculus mit seiner Burg durch zwei Mauerzüge, die sich an der Porta Aurelia trafen, miteinbezogen worden ist. Um einen fortifikatorisch möglichst günstigen Verlauf der großen Mauer herbeizuführen, mußten zahlreiche Gebäude und Gartenanlagen beseitigt werden, gelegentlich wurden sie aber auch, wie der Komplex des Prätorianerlagers im Nordosten der Stadt, mithineingebaut. Im übrigen arbeitete man in großer Eile, die Mauer wurde zunächst auf eine durchschnittliche Höhe von 7,80 in gebracht, das Material bestand aus alten ausgetrockneten Ziegelsteinen, denen eine besonders große Härte eigen war. Mehr als 350 Türme überragten die große Mauer. Vollendet hat das Befestigungswerk erst der Kaiser Probus (276-282). Zu Anfang des 4. Jh. wurde die Mauer noch beträchtlich erhöht, wahrscheinlich unter dem Kaiser Maxentius. Doch hat die Aureliansmauer nicht das geleistet, was sich ihr Erbauer erhofft hatte: Alarich (410), Geiserich (455), Ricimer (472) und der Ostgote Witigis sind trotzdem in die Ewige Stadt eingedrungen, der erste durch die Porta Salaria im Norden, Ricimer durch die Porta Aurelia am Janiculus vom Westen her. Von Anfang an hat es in Rom an Streitkräften gefehlt, um den riesigen Mauerring zu besetzen und zu verteidigen. Die Frage, woher der Kaiser Aurelian die Mittel und die Arbeitskräfte genommen hat, um dieses gewaltige Befestigungswerk aufzuführen, ist schwer zu

beantworten. Ist es Aurelian gewesen, der die Berufsverbände (collegia, corporationes) verstaatlicht hat? Wenn sich der Kaiser in einem (wahrscheinlich apokryphen) Dokument rühmt, für die Versorgung der Ewigen Stadt neue  collegia  in Rom und in Alexandrien gebildet zu haben, so ist dies kein Beweis. Daß aber die Baumaßnahmen des Aurelian ein wichtiger Schritt auf dem Wege zum antiken Zwangsstaat gewesen sind, kann nicht gut bezweifelt werden.

Während der Münzreform des Aurelian keine langdauernde Wirkung beschieden gewesen ist - erst Diokletian und vor allem Constantin, dieser durch die Schaffung des Solidus, haben das römische Münzwesen auf eine neue Grundlage gestellt -, übte die von ihm eingeführte Verehrung des Sol einen nachhaltigen Einfluß auf die religiösen Vorstellungen der Zeit aus und wurde zu einer wichtigen Vorstufe der christlichen Religion. Den henotheistischen Bestrebungen des Zeitalters entsprechend, wurde der Sonnengott mit zahlreichen anderen Gottheiten identifiziert, mit Apollo, Sarapis, Baal und Mithras. Zu Sol hatte Aurelian übrigens ein ganz persönliches Verhältnis: seine Mutter war eine Priesterin des Gottes gewesen. Auf dem Marsfeld erstand ein neuer Tempel des Sol, ihm wurde eine eigene Priesterschaft, die  pontifices Solis,  zugeordnet. Sie waren unabhängig von den übrigen Priesterkollegien, blieben jedoch dem Kaiser als  pontifex maximus  unterstellt. Nach dem Willen Aurelians sollte der Kult des Sonnengottes zum Reichskult werden, die Verbindungslinie zu Elagabal wird hier ganz deutlich. Infolge des frühen Todes des Herrschers ist jedoch auch diese Absicht Stückwerk geblieben. Auch sonst erscheint Aurelian als ein tief religiöser Mensch: so hat er bei einem Germaneneinfall die sibyllinischen Bücher befragen lassen, gegenüber den römischen Heiligtümern hat er stets eine offene Hand bewiesen. Der Kaiser fühlte sich geradezu als der Beauftragte des Sonnengottes auf Erden, seine Untertanen verehrten ihn als einen lebenden Gott, in den Inschriften wird er

gelegentlich als  deus Aurelianus  bezeichnet. Interessant ist die Annäherung, die zwischen dem Gott Hercules und dem Kaiser auf einer Inschrift aus Pisaurum vollzogen worden ist:  Herculi Augusto consorti Domini nostri Aureliani invicti Augusti.  Auch auf den Münzen findet sich Hercules des öfteren abgebildet, zweifellos im Hinblick auf die Hilfe, die er dem Kaiser in den Kriegsnöten hatte zuteil werden lassen. Aurelian ist einer der Kaiser des 3. Jh., die sich im Glanz der Strahlenkrone abbilden ließen, von Aurelian schlägt sich ein weiter Bogen zu Constantin: auch dieser Kaiser ist ein Verehrer des Sonnengottes gewesen, bevor er sich dem Christengott zugewandt hat.