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Zu den Schwierigkeiten wirtschaftlicher Art traten vielerorts Bedrückungen und Erpressungen durch das Militär, vor allem bei den unaufhörlichen Heeresbewegungen. Urkunden aus Euhippe in Karien, aus dem thrakischen Dorf Skaptopara und aus Nordphrygien zeigen die Bemühungen der örtlichen Behörden, die Übergriffe abzustellen. Die Soldaten waren die Herren im Reich, die übrige Bevölkerung hatte ihnen zu dienen: eine Entwicklung, die Septimius Severus angebahnt und die seine Nachfolger fortgesetzt haben. Dazu kam dann noch die Last der Liturgien, vor allem die Zwangsarbeit und die Übernahme von Spanndiensten  (angareia).  Um öffentliche Arbeiten durchzuführen, griffen die staatlichen Behörden vielfach auf die Zwangsarbeit zurück. Es war nicht verwunderlich, wenn sich die Betroffenen mit allen Mitteln dem Zwang zu entziehen versuchten. In diesem Zeitalter hat sich anderseits die Bildung großer Latifundien vollzogen, mit zahlreichen Kolonen, die im Auftrag der Grundherrn als an die Scholle gebundene Bauern die Felder bestellten. Hand in Hand mit dieser Entwicklung geht eine Ausbildung des Patronatswesens; die wirtschaftlich Schwächeren stellten sich unter den Schutz von Stärkeren, vor allem von Großgrundbesitzern, die sich auch gegenüber der staatlichen Gewalt durchsetzen konnten. Die Entwicklung wird verständlich, wenn man die dauernde Angst und die Bedrückung der ländlichen Bevölkerung berücksichtigt. Nichts war mehr sicher in dieser Zeit. Wer heute vermögend war, konnte morgen durch eine Liturgie oder durch die zwangsweise Übernahme einer Gesandtschaft ein armer Mann werden. Das staatliche System untergrub das Vertrauen, ohne doch an dem Durcheinander in der Wirtschaft etwas zu ändern. Wie aber sollte der Bürger einem Staat Vertrauen entgegenbringen, der oft schlimmer verfuhr als die Räuber und Diebe, die überall im Lande zu finden waren? Vergebens sucht man in dem allgemeinen Zusammenbruch nach einem durchgreifenden Versuch der Regierung, Ordnung zu schaffen. An Edikten und Reskripten fehlt es zwar nicht, aber diese kurieren an den Symptomen, die Ursachen werden nicht berührt. Das natürliche Gleichgewicht        zwischen        den        verschiedenen

Bevölkerungsschichten ist nicht mehr vorhanden, die Bürger und Bauern sind zu Lastenträgern im Dienste des omnipotenten Zwangsstaats, und insbesondere des Heeres, geworden. Versäumnisse der Vergangenheit, vor allem der Kaiser des 2. Jh. von Hadrian bis Mark Aurel, haben sich an den Nachfahren bitter gerächt. Dazu kommt, daß die Kaiser und ihre Ratgeber nicht mehr imstande waren, mit den drängenden wirtschaftlichen und währungstechnischen Problemen fertigzuwerden. Der Gesamtüberblick ging verloren, und zu einer wirklichen Reorganisation des Reiches, seiner Wirtschaft und seiner Finanzen blieb wegen der außenpolitischen Aufgaben keine Zeit. Dieser doppelten Belastung konnte kein Staat auf die Dauer gewachsen sein.

Daß der Kaiser Valerian den verzweifelten Ausweg beschritt, den Zorn der Menge auf die Christen abzulenken, ist charakteristisch für seine Regierung, die in einer Katastrophe endete. Es war kein Wunder, wenn sich unter den Christen der Glaube an die Wiederkunft des Herrn immer mehr verfestigte: die Reiche dieser Welt, so glaubten sie, seien am Ende, das Himmelreich sei nahe. Bezeichnenderweise hat der Kaiser Aurelian versucht, mit der Verehrung des  Sol invictus  eine neue universale Reichsreligion zu begründen; der frühe Tod des Kaisers aber hat diese Entwicklung abgeschnitten, wenn auch die Nachwirkungen noch unter Constantin spürbar sind. Die römische Staatsreligion ist immer mehr zu einer Abstraktion geworden, es fehlte nicht allein an neuen Ideen, es fehlte vor allem der persönliche Glaube, wie er in den orientalischen Religionsgemeinschaften ganz selbstverständlich war. Die römische Staatsreligion war in Gefahr, zu einer rein legalistischen Religion zu erstarren. Sie vermochte den suchenden und geplagten Menschen nichts mehr zu bieten, vor allem keinen Trost und keine Hoffnung in den Katastrophen, die immer wieder über das Reich und über die einzelnen Bürger hereinbrachen. Hier offenbart sich ein wesentlicher Faktor des Niedergangs. Nicht viel anders ist die Entwicklung auf dem Gebiet des geistigen Lebens. Wohin man auch blickt, überall zeigt sich eine dürre Wüste, in der nur wenige Oasen zu erkennen sind: die christliche Schule von Alexandrien und die überragende Gestalt Plotins.

Sehr schwere Verluste hat das 3. Jh. von den einstmals führenden Ständen des Reiches gefordert. Bereits die Verfolgungen der Anhänger des Clodius Albinus durch Septimius Severus haben unter den Senatoren ein furchtbares Blutbad angerichtet. Anstelle der Senatoren sind die Mitglieder des Ritterstandes in allen führenden Stellungen des Heeres, aber auch in so manchen hohen Verwaltungsstellen zu finden, doch auch die Ritter haben in den Kriegen hohe Blutsopfer bringen müssen. In die Lücken traten Offiziere aus Pannonien und Illyrien, die bis zu den höchsten Stellen der Generalität, ja bis zum Kaisertum emporgestiegen sind, gelegentlich auch Angehörige der fremden Völker von jenseits der Reichsgrenzen.

Besonders schwer wog der Niedergang der alten römischen Staatsidee. Das Heer rekrutierte sich aus den kräftigsten Elementen der römischen Grenzprovinzen am Rhein und an der Donau, die Zahl der Italiker ging zurück. Der Wille, sich zu verteidigen, war bei den Bürgern Italiens im Schwinden begriffen, an die Stelle der römischen Bürger traten in steigender Zahl Angehörige der fremden Völker, die sich ihre Dienste teuer bezahlen ließen. Die alte Gefolgschaftsidee, die tragende Grundlage des Prinzipats, hatte sich verflüchtigt; die einst so engen Bedingungen zwischen dem Prinzeps und dem populus Romanus  existierten nicht mehr. Das Volk der Hauptstadt Rom wurde durch Spenden und Spiele bei guter Laune gehalten. Während die führenden Schichten des Bürgertums, insbesondere der Stand der Dekurionen, in ganz rücksichtsloser Weise finanziell zur Ader gelassen wurden, hatte sich der großstädtische Pöbel längst an die Versorgung durch den Staat gewöhnt. Mit der Zerstörung der städtischen Selbstverwaltung und mit der Entstehung eigener ländlicher Bezirke unter großen Latifundienbesitzern vollzieht sich eine tiefgreifende strukturelle Veränderung im Innern des Imperiums. An den Grenzen des Reiches aber erwachen die Randvölker, die Mauren in Afrika, die Araber in Syrien und Mesopotamien, die Blemmyer an der Südgrenze Ägyptens, vor allem aber die zahlreichen germanischen Stämme in dem weiten Raum zwischen dem Rhein, der Donau und dem Schwarzen Meer. Die römische Grenzverteidigung erweist sich als ganz unzulänglich, erst allmählich haben es die Römer gelernt, sich auf die Kampfesweise der fremden Völker einzustellen. In diesen Völkerbewegungen kündet sich von fern die große Völkerwanderung an.

Auch das römische Kaisertum hat im 3. Jh. wesentliche Veränderungen erfahren, sie sind vor allem durch die Forschungen Alföldis ans Licht getreten. Die Zeit der Severer und der illyrischen Kaiser erweist sich als eine ausgesprochene Übergangszeit: vieles, was erst unter Diokletian und Constantin zur vollen Reife gediehen ist, zeigt sich in oft ganz überraschenden Ansätzen in dem vorhergehenden Zeitalter. Dies gilt insbesondere für die Idee des Gottkaisertums und des Kaisertums von Gottes Gnaden, das vor allem in der Zeit des Aurelian in wesentlichen Zügen vorgebildet erscheint. In zahlreichen Symbolen kündet sich der Umbruch vom Prinzipat zum absoluten Kaisertum an: der Kaiser erscheint als der Weltbeherrscher mit Zepter und Globus. Überhaupt sind die Münzen des 3. Jh. eine unerschöpfliche Quelle, zumal wenn man sie mit den gleichzeitigen Inschriften konfrontiert. Die Münzen zeigen mit ihren Legenden  pacator orbis, restitutor generis humani, restitutor saeculi  (seit Valerian) die Erhöhung des Kaisers in die göttliche Sphäre. In die gleiche Richtung weist die Abbildung von Göttern wie Juppiter, Mars und Hercules neben dem Porträt des Kaisers seit der Zeit des Postumus. Immer häufiger wird auf den Münzen die Krönung des Kaisers durch eine Göttergestalt abgebildet, vor allem durch Juppiter, Sol oder Hercules. Auch hierin zeigt sich der Aufstieg der Idee des Gottkaisertums, sie wird von einzelnen Herrschern ganz bewußt propagiert. Mit dem Gottkaisertum aber kommen gewisse Formen des Zeremoniells wie die Proskynese, die vorher dem römischen Wesen fremd gewesen ist. Sie ist beispielsweise für Gallienus mit Sicherheit bezeugt. Die Proskynese aber weist in die Zeit Diokletians und Constantins voraus.