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Da in den Comitien  (comitiatus maxumus,  XII-Tafel-Gesetz) auf jede Centurie nur eine einzige Stimme entfiel, so war dies mit dem Übergewicht der 1. Klasse gleichbedeutend, denn die 18 Centurien der Reiter und die 80 der 1. Klasse hatten zusammen für sich die Mehrheit (98 Stimmen gegenüber 95 der anderen). Waren sie sich einig, so gelangten die übrigen gar nicht mehr zur Abstimmung. Dazu kam noch ein Vorstimmrecht der älteren Jahrgänge  (seniores)  vor den jüngeren  (iuniores)  in den einzelnen Klassen. Es ist dies ein ganz extremes Klassenwahlrecht, wie es in der Geschichte in dieser Form wohl ohne Beispiel ist.

Wenn die römische Überlieferung diese komplizierte Centurienordnung mit dem Namen des Königs Servius Tullius verbindet, so ist dies historisch unmöglich, was allein schon durch die überlieferten Zensussätze erwiesen wird. In dieser merkwürdigen Centurienordnung spiegelt sich im Gegenteil eine längere historische Entwicklung wider, sie beginnt in der Königszeit und zieht sich durch die ganze Geschichte der frühen römischen Republik hindurch.

Für die Frühzeit, d. h. für die Königszeit, wird man eine einfache Dreiteilung annehmen dürfen, und zwar in Reiter, Aufgebot des Fußvolks  (classis)  und Leute  infra classem.  Dies entspräche der sozialen Schichtung in Adel, Vollbauern und

Minderbemittelte, ähnlich der timokratischen Einteilung der attischen Bürgerschaft durch Solon. Diese einfache Einteilung des römischen Heeres muß aber um die Mitte des 5. Jh. eine Reform erfahren haben, und zwar in Verbindung mit der Einführung der Hoplitentaktik. Vielleicht sind an die Stelle von ursprünglich 30 Centurien des Fußvolks nunmehr deren 40 getreten, doch muß dies, wie überhaupt alles einzelne, Vermutung bleiben. Auf jeden Fall zeigt aber auch die Schaffung der Censur (443) und die Einführung des Consulartribunats, daß um die Mitte des 5. Jh. wichtige Veränderungen stattgefunden haben.

Mit der Einführung der Hoplitenphalanx verbindet sich, wie in Griechenland im 7. und 6. Jh. v. Chr., der Aufstieg der breiten Masse des Bürgertums, dem jetzt die vollen Rechte nicht mehr verweigert werden konnten, nachdem der Staat ihre Wehrkraft voll in Anspruch genommen hatte. Neben die Angehörigen der großen Familien, der gentes, trat nunmehr auch die große Masse der  clientes,  die in der Phalanx ihren Platz erhielten. Vor Jahren hat K. J. Neumann die Auffassung vertreten, die Klienten seien in der Frühzeit  servi,  an die Scholle gebundene leibeigene Bauern gewesen; in der 1. Hälfte des 5. Jh. habe eine große Bauernbefreiung stattgefunden, mit ihr stehe die Errichtung der ersten 16 römischen Landtribus  (tribus rusticae)  in Zusammenhang. Neumanns Theorie, die sich vor allem auf Ideen des Straßburger Nationalökonomen Knapp stützt, hat in der Forschung zwar Beachtung, aber wenig Glauben gefunden, und dies mit Recht. Denn für die weitreichenden Hypothesen gibt es keine Anhaltspunkte in der Überlieferung, vor allem aber hat Neumann die Beziehungen zwischen den  patres  und den Klienten zu sehr unter wirtschaftlichem Aspekt gesehen und dabei die ideellen Bande ignoriert, die beide miteinander verknüpfen.

In der Urzeit zerfiel das römische Volk in drei Tribus, die Namen sind etruskisch: Ramnes, Tities, Luceres. Es sind dies gentilizische Phylen wie die vorkleisthenischen Phylen in Athen. Eine Tribuseinteilung gibt es auch sonst in Italien, z. B. bei den Umbrern  (trifu = tribus).  An die Stelle dieser gentilizischen Tribus sind später lokale getreten, im Jahre 241 sind es insgesamt 35 an der Zahl. Bis weit hinein in das 5. Jh. haben jedoch nur 20 solcher lokalen Tribus existiert, 4  tribus urbanae  (s. o. S. 22) und 16  tribus rusticae,  die 21., die  tribus Clustumina,  ist erst gegen Ende des 5. Jh. gegründet worden (S. 37). Die Namen der ältesten 16 ländlichen Tribus sind sehr aufschlußreich. Es finden sich die Namen einer Anzahl berühmter  gentes  unter ihnen wieder, die Aemilia, Claudia, Cornelia, Fabia, Galeria, Horatia, Menenia, Papiria, Sergia, Veturia. Daneben existieren aber auch solche Namen, die wahrscheinlich geographischer Natur sind wie die Camilia, Lemonia, Pupinia, Pollia, Voltinia und wahrscheinlich auch die Romilia. Diese letzteren sind ohne Ausnahme Tribus, die in die unmittelbare Nähe Roms gehören, sie sind zweifellos als die ältesten  tribus rusticae  zu betrachten, ihre Entstehung gehört schon in die Königszeit. Von den übrigen läßt sich nur sagen, daß sie sicherlich vor dem Jahrhundertende eingerichtet worden sind, vielleicht in der Mitte des 5. Jh. Jeder römische Bürger gehörte einer lokalen Tribus an, im Rahmen der Tribus wurde sein Zensus ermittelt, und mit der Institution der Tribus hängt die Erhebung des  tributum  zusammen.

In die erste Hälfte des 5. Jh. fällt noch ein anderes für die römische Geschichte epochemachendes Ereignis. Es ist dies die Abschließung und Formierung des Patriziats und der Plebs als eigene Stände  (ordines)  und die Bildung der plebejischen Sondergemeinde in Rom. Dies ist der Beginn des römischen Ständekampfes, der sich durch volle zwei Jahrhunderte der römischen Geschichte hindurchzieht, bis er seinen Abschluß in der Lex Hortensia (287) gefunden hat.

In der römischen Königszeit hatten allein die Häupter der großen Familien, die  patres,  am politischen Leben der

Gemeinde ihren Anteil, sie saßen im Rat der Alten (senatus), sie pflegten das Andenken ihrer Ahnen (maiores) im Kult, zu dem allein die Angehörigen der Großfamilie (gens) zugelassen waren. Sie hatten das Vorrecht, als Reiter im Heere zu dienen, sie allein verfügten über die Priesterstellen, sie waren allein berechtigt, die Auspizien einzuholen. Zwischen ihnen und der Masse des Volks, der plebs,  klaffte eine tiefe Kluft. Die Plebejer galten vielfach als unehrbar und unfrei, als ein zusammengewürfelter Haufe ohne Ahnen und ohne Rechte. Dennoch waren die Plebejer sicherlich nicht Abkömmlinge der unterworfenen Bevölkerung, den Heloten in Sparta vergleichbar, im Gegenteil, sie stellten die Masse des römischen Ackerbürgertums. Unter ihnen müssen sich auch so manche zugewanderten Elemente nichtrömischer Abstammung befunden haben, Latiner, Sabiner, überhaupt Italiker, aber auch Etrusker und sogar einzelne Griechen aus den Hellenenstädten Italiens. Der große soziale Abstand zwischen dem Patriziat und der Plebs ist nichts Überraschendes, ähnliche Verhältnisse gab es auch in der griechischen Welt (Gegensatz der Gamoren und Kyllyrier in Syrakus, der Geomoren und des Demos in Samos).

In den XII-Tafeln findet sich das Verbot des  conubium zwischen den Patriziern und den Plebejern, die Abschließung der Stände muß also vorher erfolgt sein, vielleicht um 485. Der grundlegende soziale Gegensatz zwischen Patriziern und Plebejern zeigt sich in Kampfmaßnahmen, von denen der «Wehrstreik»  (secessio)  der Plebs die wichtigste gewesen ist.

Die Plebejer gehen außerdem dazu über, sich eine eigene Kampforganisation zu schaffen, sie bestellen Sonderbeamte, die tribuni plebis  und die  aediles plebis.  Der Zeitpunkt der Einsetzung der Volkstribunen und ihre ursprüngliche Zahl sind umstritten. Angeblich sollen im Jahre 494 zwei, im Jahre 471 vier und erst im Jahre 449 zehn Volkstribunen eingesetzt worden sein. Livius gibt dagegen schon für das Jahr 494 die Fünfzahl an. In den  tribuni plebis  hat Eduard Meyer die ehemaligen Vorsteher der städtischen Tribus gesehen, nach Varro sind dagegen die Volkstribunen das Gegenbild der  tribuni militum  gewesen, d. h. sie waren zu Anfang militärische Beamte, die Führer der  plebs  im Kampfe gegen das beherrschende Patriziat. Ihre Unverletzlichkeit  (sacrosanctitas) war durch einen heiligen Eid  (lex sacrata)  aller Plebejer, geschworen beim Tempel der Ceres, gesichert. Ähnliche Schwurgenossenschaften hat es auch sonst im alten Italien gegeben, jedoch mit dem Unterschied, daß sich diese in der Regel auflösten, wenn sie ihr Ziel erreicht hatten. Zu den Volkstribunen traten noch zwei plebejische Ädilen hinzu, es waren die Verwalter des plebejischen Heiligtums der Ceres auf dem Aventin. Damit hatte sich die plebejische Sondergemeinde konstituiert, sie tagte in eigenen Versammlungen, den  concilia plebis.  Um die Mitte des 5. Jh. ist diese Entwicklung bereits als abgeschlossen zu betrachten.