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Die langgestreckte Halbinsel, deren Breite sich kaum viel über 200 km erstreckt, erhält ihr Gesicht durch die Konfiguration der Küsten, die insbesondere im Süden eine ganze Fülle von brauchbaren Landeplätzen aufweist. Die Flüsse dagegen haben keine allzu große Bedeutung, nicht einmal der Tiber und der Arno, die besonders im Frühjahr Hochwasser mit sich führen. Der ständigen Gefahr von Überschwemmungen ist man im wesentlichen erst in moderner Zeit Herr geworden, mit Ausnahme des Mündungsgebietes des Po, der mit seinen reißenden Nebenflüssen riesige Wassermengen mit sich führt. Seit der frühesten geschichtlichen Vergangenheit streben die

Flüsse danach, ihre Mündungen vorzuverlegen, so daß manche ehemalige Seestädte allmählich ins Binnenland gerückt sind: Aquileja, Atria, Pisa und andere.

Auch der eustatische Meeresanstieg hat an Italiens Küsten größere Veränderungen hervorgerufen. Städte, die früher an der Küste gelegen waren, mußten von ihren Bewohnern aufgegeben werden. Diese Vorgänge sind bisher im Zusammenhang noch nicht untersucht worden, obwohl sie für den historischen Ablauf der Geschichte Italiens von beträchtlicher Bedeutung gewesen sind.

Den Griechen erschien Italien als ein ausgesprochen nordisches Land, insbesondere als ein Waldland. Dieser Zustand hat sich heute stark verändert, obwohl man der Entwaldung und dem damit verbundenen Rückgang des Grundwassers durch Aufforstung zu begegnen sucht.

ERSTER ABSCHNITT DIE FRÜHZEIT UND DIE REPUBLIK

1. Altitalien bis zur Einwanderung der Nordvölker (Späteres 3. Jahrtausend bis etwa 1200 v. Chr.)

Eine Darstellung der italischen Frühgeschichte, die hier in kurzem Umriß geboten wird, erscheint deshalb notwendig, weil erst hierdurch eine wirkliche historische Kontinuität von den ältesten Zeiten bis zum Ausgang des Altertums hergestellt werden kann. Wenn auch die Vor- und Frühgeschichte im allgemeinen nicht das Arbeitsfeld des Althistorikers bildet, so muß dieser doch versuchen, die Ergebnisse der Nachbarwissenschaften in das gesamte Bild einzuordnen, selbst auf die Gefahr hin, daß seine Schlüsse über kurz oder lang durch die Fachwissenschaft widerlegt oder überholt werden. Eine Geschichte Roms und Italiens, die dies unterläßt, setzt sich dem Vorwurf aus, Entwicklungen zu ignorieren, die zum mindesten für die Herausbildung des italischen Volkstumes und der altitalischen Kultur von grundlegender Bedeutung gewesen sind. Allerdings handelt es sich hier um eine vorliterarische Epoche, aber wir leben nicht mehr im Zeitalter Mommsens, für den nur jene Fakten von Bedeutung waren, die durch historische Quellen im engeren Sinne bezeugt werden, durch die Inschriften und die antiken Schriftsteller. Natürlich muß es klar gesagt werden, daß es die italische Frühgeschichte mit  Kulturen,  nicht mit Völkern oder Volksstämmen, zu tun hat. Aber diese Kulturen sind insofern nicht ganz ohne historische Beziehungen, als sie mit verwandten Kulturkreisen in Verbindung stehen; dabei läßt es sich jedoch nicht immer feststellen, wer hier der Gebende und wer der Nehmende gewesen ist. Inwieweit es überhaupt möglich ist, gewisse Kulturen mit bestimmten Völkern in Zusammenhang zu bringen, ist eine andere Frage, die sich in den meisten Fällen nur aufwerfen, nicht aber beantworten läßt.

Die Bevölkerungsverhältnisse Italiens in der Stein-Kupferzeit,

d. h. vom späten 3. Jahrtausend bis gegen 1700 v. Chr., sind nahezu unbekannt. Welche völkischen Elemente für das Leben der Apenninhalbinsel bestimmend gewesen sind, ist ungeklärt. Anders steht es mit den gleichzeitigen Kulturen, die durch eine Reihe von Funden aus verschiedenen Teilen der Halbinsel und den Inseln Sizilien, Sardinien und Malta bekannt sind. Aus ihnen ergibt sich, daß die Apenninhalbinsel und die zu ihr gehörigen Inseln in der ausgehenden Jungsteinzeit (Neolithicum) und in der Stein-Kupferzeit (Äneolithicum), d. h. bis etwa 1700 v. Chr., in allerengstem Zusammenhang mit der mittelmeerländischen Zivilisation gestanden haben. Verbindungen zu Nordafrika und zum Balkan, aber auch zur iberischen Halbinsel liegen auf der Hand. Besonders eigenartig sind die großen Monumental-Bauten auf Sardinien und Malta. Sie gehören zwar verschiedenen Kulturen an, stehen aber beide in schneidendem Gegensatz zu der Entwicklung der späteren Zeit. Eine historische Erklärung kann hierfür nicht gegeben werden, doch ist die Möglichkeit nicht ganz auszuschließen, daß Bauformen des Orients als Vorbilder in Betracht kommen.

Über die einzelnen Kulturen der Stein-Kupferzeit sei hier nur so viel gesagt, daß für Oberitalien die  Lagozza-Kultur  und die etwas jüngere  Remedello-Polada-Kultur,  die letztere im Raum südlich des Gardasees, charakteristisch sind. Die Remedello- Polada-Kultur weist gewisse Verbindungen mit der Glockenbecher-Kultur Südfrankreichs und Böhmens auf. Die von namhaften Prähistorikern (Gordon Childe, Castillo) angenommene Ausbreitung der iberischen Glockenbecher- Kultur nach Oberitalien ist jedoch wenig wahrscheinlich.

Auch für Apulien, und zwar für die Kultur der dörflichen Siedlungen bei Matera - die Funde werden jetzt in den Museen von Matera und Tarent aufbewahrt -, sind Beziehungen zu auswärtigen Zivilisationen angenommen worden, insbesondere existieren Ähnlichkeiten zwischen der Matera-Keramik und derjenigen der Sesklo-Kultur in Thessalien, ja sogar zu der

Keramik von Tepe Mussian im Iran. Es muß sich hier jedoch wohl um Parallelentwicklungen handeln, auf jeden Fall ist die Annahme G. von Kaschnitz-Weinbergs, die Matera-Ware sei durch eingewanderte Töpfer hergestellt worden, ganz unwahrscheinlich. Wir befinden uns in der Mitte des 3. Jahrtausends, nicht im Zeitalter Solons.

Kretische Beziehungen verrät die etwa gleichzeitige Kultur Siziliens, die sog.  Stentinello-Kultur  vom Ende des 3. Jahrtausends, vor allem in der bemalten Keramik, aber auch die Doppelaxtsymbole, die man auf Sardinien gefunden hat, sind wohl kretischen Ursprungs.

Für Sardinien ist im übrigen die Zivilisation der Nuraghen charakteristisch, es sind Wehr- und Befestigungsanlagen, die teilweise zu richtigen Burgen erweitert und zu größeren Systemen zusammengeschlossen sind. Wenn es auch an ähnlichen, vergleichbaren Bauten im weiteren Raum der Mittelmeerländer nicht ganz fehlt - es sei hier nur an die Großbauten auf Malta und an die Wohnburgen in Palästina erinnert -, so sind diese Nuraghen doch eine sardische Eigentümlichkeit. Wir wissen nicht, wozu sie gedient haben. Man könnte daran denken, daß sie zum Schutz der metallreichen Insel errichtet worden sind.

Noch großartiger sind die Bauten auf Malta in der Jüngeren Steinzeit: es scheint sich um Tempel und Grabhöhlen, ausgestattet mit Malereien und Ornamenten, zu handeln. Woher die Insel die riesigen Mittel und die notwendige Zahl von Arbeitskräften für diese Monumentalbauten genommen hat, wird vorerst ein ungelöstes Rätsel bleiben.

Die Bronzezeit Italiens (etwa 1700-1200 v. Chr.).  Mit der Bronzezeit tritt Italien in ein neues Zeitalter ein. In dieser Periode zeigen sich die ersten Spuren fremder Einwanderer, die wir als die Vorläufer der Italiker bezeichnen dürfen. Es ist wahrscheinlich, daß auf diese Einwanderer aus dem Norden die ersten Brandnekropolen zurückzuführen sind, die man in

Norditalien nachweisen kann. In dem Land nördlich des Apennin kommt es zur Ausbildung der Zivilisation der Terremare-Siedlungen, sie stellen eine norditalische Eigentümlichkeit dar.

Auch in dem Bronzezeitalter sind die Kontakte mit der Umwelt nicht abgerissen, im Norden und im Süden machen sich die Einflüsse von jenseits der Adria bemerkbar, Einflüsse, die aus dem bosnischen Raum, aber auch aus Thessalien hervorgegangen sind. Sizilien weist dagegen schon Beziehungen zur mykenischen Welt auf, sie sind wahrscheinlich auf Handelsverbindungen zurückzuführen. Ganz für sich steht, auch in der Bronzezeit, Sardinien, ein Zustand, an dem sich auch in den folgenden Jahrhunderten nichts geändert hat. In der Bronzezeit haben wir es mit zwei Kulturkreisen zu tun, dem padanischen Kreis, der sich vor allem auf die Po-Ebene und auf die ligurische Küste erstreckt, und mit dem Apenninkreis. Für den padanischen Kulturkreis sind drei Siedlungsformen bezeichnend, die sog. Pfahlbauten  (palafitte)  in der Zone der alpinen Seen im Norden, die Moordörfer  (torbiere, «Torfgruben»), z. B. bei Vicenza, und an dritter Stelle, aber erst viel später, die Terremare-Siedlungen, am Nordabhang des Apenningebirges und in der heutigen Provinz Emilia.