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Rom, vor dem Ausbruch des großen Keltenkrieges stehend, hat im Jahre 226 zum zweiten Male in Spanien interveniert. Es kam zum Abschluß des Ebro-Vertrages mit Hasdrubal. Dieser hat sich verpflichtet, den Ebro in kriegerischer Absicht nicht zu überschreiten, weitere Bestimmungen habe der Vertrag (nach Polybios) nicht enthalten. Ob dies nun zutrifft oder nicht - die Römer müssen stillschweigend das Gebiet südlich des Ebro als karthagische Interessenssphäre anerkannt haben. Dies aber war ein bedeutender Erfolg für Hasdrubal, der noch fern vom Ebro stand. Auch der Expansion des karthagischen Handels setzte der Vertrag keine Schranke. Rom aber hatte dem Zusammengehen zwischen Hasdrubal und den Kelten in Gallien einen Riegel vorgeschoben. Möglicherweise haben beide Vertragschließende in dem Pakt eine nur vorläufige Regelung gesehen, für den Augenblick aber hatten beide ihre Ziele erreicht. Übrigens hatte der punische Stratege in Spanien sich längst eine nahezu königliche Stellung errungen: er prägte Münzen, die seinen Kopf, umkränzt vom Diadem, zeigen, das Vorbild hierfür waren die Münzen von Syrakus. Hasdrubal hat sich damit den hellenistischen Königen an die Seite gestellt.

Mit Hasdrubals Tod (221) beginnt eine neue Periode der punischen Expansion, sie wird durch die Person des damals 25jährigen Hannibal, des Sohnes des Hamilkar Barkas, bestimmt, den das Heer zum Strategen gewählt hatte. Die Regierung in Karthago mußte sich nach anfänglichem Widerstand mit der vollzogenen Tatsache abfinden. Hannibal warf zunächst einen Aufstand der Olkaden nieder und zerstörte deren Stadt Althaia (Cartala), dann aber stieß er von Andalusien über das heutige Merida in die Gegend von Salamanca vor, in das Land der Vaccäer, vielleicht sogar bis an den Duero bei Zamora, Landschaften, die bisher noch nie von einem karthagischen Heere betreten worden waren. Das karthagische Einflußgebiet wurde nunmehr auch auf das Binnenland zwischen dem Guadiana und dem Ebro ausgedehnt. Die Eroberungen hat Rom sicherlich nicht ignoriert, es hat sie geduldet. Zu einem Konflikt aber kam es zwischen den beiden Großmächten wegen  Sagunt.

Sagunt, nördlich von Valencia an der Küstenstraße zwischen Carthago Nova und dem Ebro auf einer engen Hochfläche gelegen, war eine Stadt der Iberer, was durch die dort gefundenen Münzen mit iberischen Legenden bestätigt wird. Die Stadt stand in einem Freundschaftsverhältnis zu Rom, das nach Polybios einige Jahre vor der Zeit Hannibals geschlossen worden war, vielleicht schon im Jahre 231 v. Chr., als sich eine römische Gesandtschaft in Spanien befunden hatte (s. S. 70). Der Konflikt wurde hervorgerufen durch saguntinische Verbannte, die mit Hilfe des Stammes der Torboleten und mit Unterstützung Hannibals ihre Rückführung zu erzwingen versuchten. Wieder hat Rom interveniert: gegen Ende des Jahres 220 forderte eine römische Gesandtschaft von Hannibal, die Hände von Sagunt zu lassen, was aber von dem punischen Strategen in schroffer Form zurückgewiesen wurde. Die Römer reisten weiter nach Karthago, wo sie offenbar mit beruhigenden Zusicherungen abgespeist worden sind. Im Frühjahr 219 eröffnete Hannibal die Belagerung der widerspenstigen Stadt, nach acht Monaten fiel sie in seine Hand (Oktober/November 219). Rom hatte sich während dieser Zeit vollständig passiv verhalten. Erst als Hannibal im Frühjahr 218 mit einem großen Heere von 90000 Mann zu Fuß und 12000 Reitern von Carthago Nova aufbrach und Ende Mai den Ebro überschritt, um die Eroberung der nordspanischen Gebiete zwischen dem Ebro und den Pyrenäen in Angriff zu nehmen, schaltete sich Rom wieder ein: eine Gesandtschaft forderte in Karthago die Auslieferung Hannibals. Als dies verweigert wurde, ließ der römische Gesandte die Karthager wählen zwischen Krieg und Frieden, die Karthager überließen dem Römer die Wahl, dieser gab ihnen den Krieg.

Die dramatische Szene in Karthago ist der Schlußpunkt in dem großen diplomatischen Ringen, dem Vorspiel des 2. Punischen Krieges. Die Karthager hatten es verstanden, die Römer das entscheidende Wort «Krieg» aussprechen zu lassen;

vor der Welt stand Rom als Kriegstreiber da. Der diplomatische Erfolg hat aber den Karthagern nichts genützt, da der Krieg verlorenging und überdies die gesamte Überlieferung einseitig in romfreundlichem Sinne geprägt ist.

Mit den Vorgängen in Spanien, in Rom und in Karthago untrennbar verbunden ist die «Schuldfrage», die immer wieder im Mittelpunkt der historischen Forschung gestanden hat. Natürlich kann von einer moralischen Schuld weder auf der einen noch auf der anderen Seite die Rede sein. Keine der beiden Großmächte hat mit Absicht auf den Krieg hingearbeitet. Was diesen letzten Endes hervorgerufen hat, ist die Unvereinbarkeit der beiderseitigen Interessen, ein Problem, das auf friedlichem Wege kaum befriedigend gelöst werden konnte: Karthago mußte es darum zu tun sein, nach den schweren territorialen und wirtschaftlichen Verlusten des 1. Punischen Krieges eine neue Machtstellung aufzubauen. Rom aber konnte den Wiederaufstieg Karthagos nicht dulden, als dieser ihm gefährlich zu werden begann. Es hat versucht, die Expansion Karthagos einzudämmen, es hat auch durch Gesandtschaften auf die Barkiden mäßigend eingewirkt. Wenn Rom trotz des Vorgehens des Hannibal gegen Sagunt lange Zeit untätig geblieben ist, so liegt der Grund zweifellos darin, daß im römischen Senat keine einhellige Auffassung über die gegen Hannibal und die Karthager einzuschlagende Methode bestanden hat. Erst als die Nachricht vom Ebroübergang Hannibals nach Rom gelangte, vermochte sich die Kriegspartei durchzusetzen. Verbunden mit dem Vorgehen Hannibals gegen Sagunt hatte der flagrante Vertragsbruch des Barkiden auch jenen unter den römischen Senatoren die Augen geöffnet, die immer noch auf eine friedliche Lösung hoffen mochten.

Der Ausbruch des großen Krieges ist aufs engste verknüpft mit der Person des punischen Feldherrn  Hannibal.  Seine strategische Leistung in Spanien und in dem späteren Kriegsgeschehen steht hierbei völlig außer Frage. Neben

Alexander und Caesar ist er zweifellos der bedeutendste Feldherr des Altertums gewesen. In der Beurteilung des Politikers aber trennen sich die Geister. So hat ihm K. J. Beloch alle hervorragenden Fähigkeiten abgesprochen, ein Urteil, das ganz unberechtigt ist, ebenso wie das von A. Rosenberg, der in Hannibal einen Abenteurer gesehen hat, dem jedes Augenmaß für das politisch Erreichbare gefehlt habe. Im ganzen überwiegen heute aber die positiven Urteile, und E. Groag hat sogar den ethischen Gehalt seiner Persönlichkeit durchaus anerkannt: der Barkide habe einen tragischen Kampf gegen das Schicksal auf sich genommen und diesen ungebeugt bis zum Ende durchgefochten. Unzweifelhaft war Hannibal eine Persönlichkeit, die von starker Aktivität beseelt und von hervorragendem Selbstbewußtsein durchdrungen war. Dies zeigt sein Verhältnis zu der griechischen Geschichtsschreibung, nicht zuletzt aber auch sein <Leistungsbericht>, den er im Jahre 205 am Tempel der Hera am lakinischen Vorgebirge bei Locri Epizephyrii hat aufzeichnen lassen.

Nicht zu übersehen ist jedoch, daß Hannibal einen ganz entscheidenden Fehler begangen hat: im Vertrauen auf die eigene Kraft unterschätzte er die Widerstandskraft Roms und der römischitalischen Wehrgemeinschaft, er hatte kein Gefühl für die inneren Werte des Römertums, für den Opfermut, die Vaterlandsliebe und die Widerstandskraft, welche die Römer auch in ihren dunkelsten Stunden niemals verlassen haben. Im Grunde genommen ist er noch am ehesten mit den hellenistischen Fürsten zu vergleichen, die wie Pyrrhos mit hohem Selbstbewußtsein in den Krieg gegen Rom eintraten und erfahren mußten, daß sie den Gegner bei weitem unterschätzt hatten.

Auch bei den Römern steht zum erstenmal in ihrer Geschichte eine Persönlichkeit im Mittelpunkt, P.  Cornelius Scipio. Bezeichnenderweise sind die Urteile über ihn ähnlich schwankend wie die über seinen großen Gegner Hannibal.