Выбрать главу

Der Friede des Jahres 201 zog den Schlußstrich unter die nahezu 20jährige Auseinandersetzung. Karthago wurde auf die terra ferma  in Afrika beschränkt, auf alle überseeischen Besitzungen mußte es verzichten. An seiner Westgrenze wurde Numidien als ein eigenes Reich unter Massinissa begründet, sein Herrscher übernahm das Amt des Wächters und wurde dafür von Rom in jeder Weise bevorzugt. Karthago hatte außerdem 10000 Talente Kriegsentschädigung zu zahlen, es mußte seine Elefanten und Kriegsschiffe (mit Ausnahme von 10 Einheiten) ausliefern. Es wurde den Karthagern untersagt, außerhalb Afrikas Kriege zu führen, innerhalb Afrikas durfte dies nur unter Zustimmung der Römer geschehen.

Mit dem Sieg über Karthago stieg Rom zur ersten Macht im Mittelmeergebiet empor. Es hatte seine Waffen siegreich von Spanien nach Afrika getragen, und es besaß in Scipio einen Feldherrn, wie ihn die Welt außer Hannibal noch nicht gesehen hatte. Der Sieg Roms mußte zurückstrahlen auf seine Stellung zu anderen Mittelmeermächten: mit dem Ptolemäerreich standen die Römer in besten Beziehungen, und auch zu den Seleukiden hatte man wegen Ilion Verbindungen angeknüpft. Offen war immer noch die makedonische Frage, sie war durch den Frieden von Phoinike (205) nur vertagt worden. Aber auch im Inneren Roms hatte der Krieg grundlegende Veränderungen hervorgerufen: der römische Senat hatte endgültig Abschied nehmen müssen von seiner vorsichtigen und bedächtigen Politik. Sie war einst in den italischen Auseinandersetzungen angebracht gewesen, jetzt aber zeigten sich am Horizont neue welthistorische Perspektiven, von denen man sich nichts hatte träumen lassen. Im Kriege war es offenbar geworden, daß man mit den alljährlich wechselnden Oberbeamten nicht durchkommen konnte. So mußte man dazu übergehen, einzelnen Persönlichkeiten mehrfach das Consulat zu übertragen. Q. Fabius Maximus ist denn auch während des Krieges dreimal (215, 214, 209), M. Claudius Marcellus sogar viermal (215, 214, 210, 208) Consul gewesen. Noch wichtiger aber war die steigende Bedeutung der Promagistraturen, so haben die beiden Scipionen Publius und Gnaeus von 218 bis 211 das Kommando geführt, während P. Cornelius Scipio zehn Jahre lang, von 210 bis 201, gewissermaßen der erste Feldherr Roms gewesen ist. Hatte vorher der Senat alle Entscheidungen von irgendwelchem politischen Gewicht gefällt, so fiel nun der Wille des einzelnen mit in die Waagschale; aus der großen Zahl der Nobiles traten einzelne Führergestalten  (principes)  heraus, die sich mit Hilfe ihrer Klientelen in Rom, in Italien und in den Provinzen einen ungeahnten Einfluß verschafften.

Die römischitalische Wehrgemeinschaft hatte die großen Belastungen des Krieges ohne größere Erschütterungen ertragen. Wohl waren einzelne Abfälle zu verzeichnen gewesen, aber wo Verbündete abgefallen waren, wie etwa in Campanien und Apulien, da hatten die Italiker zumeist keine andere Wahl gehabt. Viel schlimmer war es, daß weite Gebiete Süditaliens vom Kriege schwer betroffen waren und weithin unbebaut blieben. Dies gilt auch für die Gebiete der unteritalischen Griechenstädte, die ihre alte Geltung zumeist nicht zu behaupten vermochten. Auch ihre kulturelle Bedeutung hatten sie vielfach verloren. Womöglich noch schwerwiegender aber waren die strukturellen Veränderungen, die sich in Mittel- und Süditalien vollzogen hatten. Infolge der überlangen Dauer des Krieges waren zahlreiche mittlere und kleinere Bauernhöfe verödet, an die Stelle des Kleinbauerntums aber war der Großgrundbesitz, an die Stelle der intensiven Landwirtschaft die Weidewirtschaft getreten. Anderseits vermehrte sich die großstädtische Bevölkerung in Rom durch ständigen Zustrom vom Lande. Diesen durch den Krieg heraufbeschworenen Problemen war die römische Staatsführung in keiner Weise gewachsen. Wenn auch in den Jahren nach dem Kriege immer wieder neue Kolonien gegründet worden sind, so reichten diese Maßnahmen doch bei weitem nicht aus. Man versuchte, die Symptome zu heilen, ohne das Übel mit der Wurzel auszumerzen. Mit dem römischen Legionär aber war auch der römische und italische Händler in fremde Länder gekommen, das Heer und die Flotte hatten einen ungeheuren Bedarf an Nachschub, er mußte durch die Heereslieferanten gedeckt werden. Da den Senatoren Geldgeschäfte verboten waren, haben sich vor allem die römischen Ritter  in die Kriegswirtschaft eingeschaltet und hierdurch riesige Vermögen erworben. Dies aber veränderte das Gleichgewicht der beiden obersten Stände, das Geld wurde eine Macht in der Politik, vor allem auch in Rom selbst, wo die Beamtenwahlen stattfanden. Auch im Heerwesen gab es grundlegende Veränderungen. Das Heer bestand nicht aus Berufssoldaten, sondern aus den ausgehobenen Bürgern  (cives Romani),  dabei stellten die Bauern die große Masse, außerdem gab es zahlreiche Aufgebote der Bundesgenossen  (socii).  Auch die Offiziere, selbst die in den höchsten Kommandostellen, waren keine Berufsoffiziere. Der jährliche Wechsel im Oberbefehl hatte in den Anfangsjahren des Krieges, vor allem im Kampf mit Hannibal, zu großen Schwierigkeiten geführt. Folgerichtigerweise schritt man zur Verlängerung (Prorogierung) der Heereskommanden. Damit war jedoch ein wichtiger Grundsatz des altrömischen Gewohnheitsrechts preisgegeben; die Bahn für große, machtvolle Persönlichkeiten, die sich auf dem Wege über das militärische Kommando die Macht im Staate erringen konnten, war vorgezeichnet, wenn er auch erst in viel späterer Zeit, von Marius, Sulla, Pompejus und Caesar, beschritten worden ist.

Wenn der große Scipio, dem nach dem Siege über Hannibal mit Recht der Beiname <Africanus> gegeben wurde, in seinem Leben als ein durch und durch religiöser Mensch erscheint, so teilt er diese Eigenschaft mit vielen, sehr vielen seiner Landsleute. Die große Not des hannibalischen Krieges führt eine Zeit der religiösen Besinnung herauf, eine Strömung, die von Staats wegen stark gefördert worden ist. Die Auffassung, die römischen Niederlagen gegen Hannibal seien auf die Nichtbeachtung der göttlichen Vorschriften zurückzuführen, war in Rom allgemein verbreitet. So gelobte der Senat im Jahre 217 einen Tempel der  Mens  (der «Vernunft»), da man glaubte, die Niederlage am Trasimenischen See sei durch die Unvernunft (dementia)  verursacht worden. Ja sogar auf die alte Sitte des  Ver sacrum  wurde in dem gleichen Jahre zurückgegriffen: es wurde ein  Ver sacrum  gelobt, falls der Staat die nächsten fünf Jahre erhalten bliebe. Nicht wenige Tempel sind in der Kriegszeit den Göttern gelobt worden, und selbst die sibyllinischen Bücher hat Q. Fabius Maximus als Augur hervorgeholt, um aus ihnen den Willen der Götter zu erforschen. Neben die einheimischen Gottheiten traten die fremden: der gleiche Fabius Maximus hat im Jahre 217 der Venus Erycina einen Tempel auf dem Kapitol gelobt, im Jahre 215 wurde dieser dann eingeweiht, zu einer Zeit, als Hannibal auf dem Höhepunkt seiner Macht in Italien stand. Im Jahre 204 überführte man den heiligen Meteorstein der Magna Mater aus dem Megalesion bei Pergamon nach Rom.

Bezeichnenderweise ist der Stein zunächst im Tempel der Victoria in Rom untergebracht worden - was man von der Magna Mater erwartete, geht aus dieser Tatsache klar hervor. In der Not des Krieges hat man auch zu grausigen Riten seine Zuflucht genommen: im Jahre 216 wurden in Rom auf dem Forum Boarium ein Gallier und eine Gallierin, dazu ein Grieche und eine Griechin lebendig begraben. Die Gründe, weswegen die Römer gerade Gallier und Griechen wählten, sind dunkel, es mag sein, daß es sich hier um einen in seinem Ursprung nicht geklärten etruskischen Ritus handelt.