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Welthistorisch gesehen bedeutet der römische Sieg über Karthago eine ganz folgenschwere Verschiebung des politischen Gleichgewichts im Mittelmeergebiet. Roms Herrschaft reicht nunmehr von Gades in Spanien bis Dyrrhachium in Epirus, von Mediolanum bis zum Numidischen Reich des Massinissa. Rom hält das Westbecken des Mittelmeeres wie mit eisernen Klammern fest, der karthagische Reststaat ist auf die Gnade Roms angewiesen. Daß Karthago in dieser schwierigen Lage versucht hat, seinem Handel neue Märkte zu erschließen, scheint eine Inschrift aus Istros (Histria) in der Dobrudscha zu zeigen, in der einem Karthager das Bürgerrecht verliehen wird. Aber die großen Zeiten der karthagischen Handelsmacht waren unwiederbringlich dahin; wo seine Kaufleute auch auftraten, da stießen sie auf die römische und italische Konkurrenz, insbesondere in Afrika, wo sich das Reich des Massinissa dem römischen Einfluß voll erschlossen hat. Auch in Kleinasien hatte Rom in dem pergamenischen Herrscher Attalos I. (241-197) einen Bundesgenossen, mit der Stadt Ilion war Rom befreundet, und in Griechenland besaß es zum mindesten bei jenen Staaten Sympathien, die als Gegner der Makedonen bekannt waren. Der Waffengang zwischen Rom und Makedonien im 1. Makedonischen Kriege hatte ohne Entscheidung geendet, und es war nicht wahrscheinlich, daß Rom mit dem Frieden von Phoinike (205) die makedonische Angelegenheit als erledigt betrachtete. Sollte Rom die Herrschaft auf der Adria mit Makedonien teilen, nachdem man Karthago im westlichen Mittelmeer praktisch zu einer Macht zweiten Grades degradiert hatte? Die Zeiten waren vorüber, in denen man sich von den illyrischen Seeräubern wiederholte Übergriffe gegen italische Kaufleute gefallen lassen mußte. Zu Ende war aber auch die Periode einer ausschließlich auf Italien gerichteten Politik. Selbst wenn es der Wille des römischen Senats gewesen wäre, so hätte man sich in Zukunft an der Entwicklung in Griechenland und im hellenistischen Osten nicht für uninteressiert erklären können. Mit dem Siege über Karthago ergaben sich zwangsläufig ganz neue Verpflichtungen, und die nächsten Jahre mußten erweisen, ob Rom imstande war, seiner Führungsrolle gerecht zu werden.

10. Rom im Kampf mit Philipp V. und Antiochos 111. (200-188 v. Chr.)

Das Eingreifen Roms in Griechenland im 2. Makedonischen Krieg (200-197) bezeichnet eine entscheidende Wende der römischen Außenpolitik. Hatten sich die Römer bisher nur sehr zurückhaltend in die Angelegenheiten Griechenlands und Makedoniens eingeschaltet, so verändert sich das Bild nunmehr grundlegend. Es ist keine Frage, daß hier der Sieg über Karthago auch zu einer Neuorientierung der römischen Politik gegenüber Griechenland und Makedonien geführt hat.

Begünstigt wurde die Einmischung Roms durch den Zustand der hellenistischen Staaten am Ende des 3. Jh. v. Chr. Während das Seleukidenreich dank der Tatkraft des Königs Antiochos III. einen neuen Aufstieg genommen hatte, war die Lage des Ptolemäerreiches alles andere als hoffnungsvoll. Der Tod des Ptolemaios IV. Philopator, wahrscheinlich im Jahre 204 v. Chr., bezeichnet den Beginn großer Schwierigkeiten, die Regierung ging in die Hände ehrgeiziger Höflinge, des Agathokles und des Sosibios, über, die mit den inneren Problemen nicht fertig werden konnten. Dazu tobte im Süden des Landes, in der Thebais, ein Eingeborenenaufstand, durch den die Landschaft nahezu ein volles Vierteljahrhundert dem Reich verloren gegangen ist (210-186). Viel schlimmer aber war es, daß die Nachbarn, Philipp V. von Makedonien (222/21-179) und Antiochos III. (223-187), die Schwäche des Ptolemäerreiches dadurch auszunutzen versuchten, daß sie einen Vertrag über die Aufteilung des führerlosen Reiches abschlossen, und zwar war offenbar zunächst an eine Aufteilung der Außenbesitzungen, später auch an eine Teilung des Kernlandes gedacht. Die modernen Zweifel an der Existenz dieses Teilungsvertrages (wahrscheinlich vom Jahre 203/02 v. Chr.) sind ganz unbegründet. Philipp V., der wohl als der intellektuelle Urheber des Raubvertrages anzusehen ist, eröffnete die Operationen durch einen Vorstoß an die Propontis, wo er sich der Städte Lysimacheia, Perinth, Kalchedon und Kios bemächtige (Frühjahr oder Frühsommer 202 v. Chr.). Wenige Monate später besetzte Philipp V. auch Thasos, und im Frühjahr 201 wurde die ptolemäische Besatzung aus Samos gewaltsam vertrieben. Die Regierung in Alexandrien mußte den Übergriffen des Makedonenkönigs hilflos zusehen. Auch gegenüber dem Einmarsch des Antiochos III. in das südliche Syrien (Koilesyrien) war sie mehr oder weniger machtlos. Da trat ein Ereignis ein, das Philipp V. nicht vorausgesehen hatte: die Rhodier sahen ihre Interessen an den Meerengen bedroht, sie verbündeten sich mit dem König Attalos I. von Pergamon und traten der Expansion Philipps entgegen, es kam zu einem regelrechten Kriege (Frühjahr 201), in dem mit wechselndem Erfolg auf beiden Seiten gekämpft wurde. Aber es war klar, daß sich Rhodos und das kleine Pergamon auf die Dauer nicht gegen das übermächtige Makedonien behaupten konnten. Im Herbst 201 erschien eine rhodischpergamenische Gesandtschaft in Rom, sie sollte die Römer um Hilfe gegen Philipp V. bitten, wobei sie wahrscheinlich auf den Raubvertrag zwischen Philipp V. und Antiochos III. hinwies. Wenn sich auch die Koalition der beiden Herrscher nicht gegen Rom, sondern gegen das Ptolemäerreich richtete, so war doch das Gleichgewicht im hellenistischen Osten schwer bedroht, eine Tatsache, die auch von Rom nicht auf die leichte Schulter genommen werden konnte. Zwar hatte der römische Senat im Jahre 202 ein Hilfegesuch der Ätoler, die am Hellespont untertänige Städte besaßen, abschlägig beschieden, aber damals stand Rom noch im Kriege mit Karthago, es wäre politisch verkehrt gewesen, eine Auseinandersetzung mit Makedonien vom Zaune zu brechen. Diese Hindernisse waren nun nicht mehr vorhanden, Rom hat den Gesandten aus dem Osten seine Hilfe in Aussicht gestellt. Dabei hatte man in Rom kein besonders gutes

Gewissen. Hat doch die jüngere Annalistik die ganz bodenlose Behauptung aufgestellt, Philipp habe dem Hannibal makedonische Truppen nach Afrika zu Hilfe geschickt, außerdem habe er römische Bundesgenossen angegriffen. Aber weder Rhodos noch Athen, das mit Philipp V. im Kriege lag, konnten als römische Bundesgenossen betrachtet werden, und auch Attalos I. von Pergamon, der unter den  adscripti  des Friedens von Phoinike erscheint - ob mit Recht, ist fraglich -, hatte zwar Beziehungen zu Rom, in den Krieg aber war er erst auf das Drängen der Rhodier eingetreten. Warum also war der römische Senat für eine Einmischung, die unabsehbare Folgen haben mußte? Das Volk in den Centuriatcomitien war darüber, daß ein neuer Krieg bevorstand, geradezu bestürzt, nur mit Mühe hat man hier die Zustimmung zur Kriegserklärung gegen König Philipp V. erlangen können. Damit waren die Würfel gefallen, die folgenden Verhandlungen mit dem Makedonen waren mehr oder weniger nur Formsache. Eine römische Gesandtschaft mit C. Claudius Nero, P. Sempronius Tuditanus und M. Aemilius Lepidus suchte Philipp auf. Vor dem von ihm belagerten Abydos am Hellespont übergab man dem König die Forderungen des Senats: Philipp sollte nicht nur den Krieg gegen Athen einstellen, er sollte auch alle seine Eroberungen in Kleinasien wieder herausgeben, der Streit mit Rhodos und Attalos I. aber einem Schiedsgericht unterbreitet werden. Als der stolze Makedone dies rundweg ablehnte, da überreichten ihm die Gesandten die Kriegserklärung (August 200 v. Chr.).

Gegen Überraschungen von seiten der anderen hellenistischen Großmächte wußte sich Rom zu sichern. Dem Seleukiden Antiochos III. wurde freie Hand in Südsyrien gegeben, seine Sache stand im übrigen gut, denn er hatte (im Sommer des gleichen Jahres) einen entscheidenden Sieg über die Truppen des Ptolemäers beim Panion an den Jordanquellen errungen. Die Gesandtschaft sah auch in Alexandrien nach dem Rechten. Daß M. Aemilius Lepidus bei dieser Gelegenheit die Vormundschaft über den jungen Ptolemaios V. Epiphanes übernommen habe, ist allerdings eine Legende, und zwar aus der Zeit der späten römischen Republik.