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Zu den eingewanderten Völkern gehören wohl auch die Veneter.  Die Sprachdenkmäler dieses Volkes, die mit dem 6. Jh. v. Chr. oder etwas früher beginnen, stammen vor allem aus dem alten Ateste (heute Este), ferner aus Padua, Vicenza, aus dem Piave-Tal, aus Triest und aus Kärnten. Eigenartig ist die in den venetischen Inschriften vorkommende Punktierung; sie hat vielleicht dazu gedient, anzugeben, daß der Konsonant in der ursprünglich syllabischen Schrift für sich allein steht und nicht mit dem folgenden Vokal desselben Zeichens zusammengehört. Über die Einwanderung der Veneter berichtet Livius (I,1,2-3), sie hätten die Euganeer aus ihren Wohnsitzen verdrängt, die einst das ganze Land zwischen den Alpen und dem Meere bewohnten. An dieser aus der lokalen Überlieferung stammenden Nachricht mag etwas Wahres sein.

Von sehr viel größerer Bedeutung für die altitalische Zivilisation waren jedoch die  Etrusker,  die außerdem im 6. Jh. v. Chr., insbesondere seit der Mitte dieses Jh., eine achtunggebietende Macht in Italien darstellten.

Anders als in der modernen Forschung hat für die Etrusker selbst ein Herkunftsproblem niemals existiert, in der Kaiserzeit glaubten die Etrusker durchaus an ihre Herkunft aus Kleinasien, aus Mysien oder Lydien. Das Problem der Herkunft der Etrusker ist jedoch viel älter. Wie es scheint, ist es zuerst im 5. Jh. v. Chr. bei den Lydern erörtert worden. Nach Herodot (194) stammten Lydos, der sagenhafte Stammvater der Lyder, und Tyrsenos, der Stammvater der Etrusker, von Atys ab. Dazu steht die Angabe des Xanthos (bei Dion. Hal. I 28,2) im Widerspruch. Hier erscheint nämlich an Stelle des Tyrsenos der Name Torebos. Der griechische Rhetor Dionysios von Halikarnass (I 27ff.) bezeichnet dagegen die Etrusker als ein einheimisches Volk Altitaliens. Zwischen diesen beiden Ansichten, der des Herodot und der des Dionysios von Halikarnass, hat die Forschung der letzten Jahrzehnte in der Regel ihre Entscheidung getroffen. Dazu kommt schließlich noch die Hypothese, daß die Etrusker von Norden nach Italien eingewandert seien (Freret 1741, Niebuhr u. a.). Für die Einwanderung der Etrusker aus Übersee sind A. Furtwängler, C.F. Lehmann-Haupt, G.Herbig, Ed.Meyer, F. Schachermeyr und viele andere eingetreten. Vertreter der Autochthonen-Theorie (bzw. einer frühen prähistorischen Einwanderung vom Norden her) sind C. Schuchhardt, U. Kahrstedt, F. W. von Bissing, L. Pared, J. Sundwall u. a. Gegenüber diesen weit auseinandergehenden Hypothesen tritt die allerneueste Forschung dafür ein, daß sich das Volk der Etrusker als solches auf italischem Boden herausgebildet habe, und zwar durch die Verbindung und Vermischung mit anderen Völkern und Zivilisationen, vor allem mit den Umbrern.

Die Frage nach der Herkunft der Etrusker, die seinerzeit Mommsen als ebenso überflüssig bezeichnete wie die Frage nach der Mutter der Hecuba, ist in der Tat von großer historischer Bedeutung. Wenn die Etrusker wirklich vom Osten her nach Italien eingewandert sind, so wäre auch die etruskische Zivilisation ein fremdes Gewächs, das in keinem inneren Zusammenhang mit der Kultur Altitaliens stände. Die andere

Frage wäre die, ob es gelingt, die Entstehung der etruskischen Nation auf italischem Boden in ihrer historischen Entwicklung zu verfolgen.

Für die Herkunft der Etrusker aus dem Osten können mehrere Momente angeführt werden, die, zusammengenommen, erheblich ins Gewicht fallen. Unbestreitbar ist zunächst die Tatsache, daß seit dem 13. Jh. v. Chr. größere Völkerbewegungen im Bereich des östlichen Mittelmeeres stattgefunden haben. Im Verlauf dieser Wanderungen sind die Philister nach jenem Lande gekommen, das nach ihnen den Namen trägt (Palästina = Philisterland). Die Philister stammen wohl aus der Welt der Ägäis  (Krethi  und  Plethi).  In den hieroglyphischen Aufzeichnungen über die Große Wanderung erscheinen die Völker Schekelscha, Scherdana, Danuna, Aqaiwascha, Turscha, die letzteren im Heere des libyschen Königs  Mrejwjw,  der von dem ägyptischen Pharao Merneptah um 1220 im Delta völlig geschlagen worden ist. F. Schachermeyr sieht in den Turscha etruskische Söldner, neben Achäern, Sikelern und Sarden. Diese Auffassung ist aber nicht gesichert; man wird die Seevölkernamen auf sich beruhen lassen müssen. Sehr viel wichtiger ist aber der von Schachermeyr geführte Nachweis, daß das Gräbermaterial Kleinasiens unverkennbare Ähnlichkeiten mit demjenigen von Etrurien aufweist, und zwar ist die innere Entwicklung der Grabformen in der Zeit von etwa 1000 bis 650 v. Chr. in Kleinasien die gleiche wie in Etrurien. An die Stelle der früheren Brandgräber treten nun die Kuppelgräber, die vorher in Etrurien unbekannt waren. Mit den Kuppelgräbern hält eine neue Bautechnik ihren Einzug; die Gräber zeigen die sog. Vorkragung, sie enthalten eine Grabkammer, in der mehrere Tote beigesetzt werden können. Man bestattet die Toten, so z. B. in Populonia, unverbrannt, im Gegensatz zu dem früheren Brauch. Außerdem zeigen die Beigaben in den Grabkammern und deren Ausstattung einen großen Reichtum der Grabbesitzer, es ist eine reiche soziale Schicht, die hier ihre neuen Grabstätten erbaut hat.

Noch mehr spricht aber für die fremde Herkunft die  Sprache der Etrusker. Da die gesamte etruskische Literatur des Altertums untergegangen ist, mit ihr auch das Werk des gelehrten Kaisers Claudius, die «Tyrrhenika» in 20 Büchern, sind wir auf die Glossen angewiesen und auf die inschriftlichen Denkmäler, etwa 9000 an der Zahl. Die große Masse der Inschriften stammt aus Etrurien, daneben gibt es aber auch solche aus Campanien und Norditalien. Das Material ist in ständiger Vermehrung begriffen. Die Hoffnungen auf eine etruskischlateinische Bilingue sind bisher nicht in Erfüllung gegangen. Dem Inhalt nach handelt es sich vor allem um Grabinschriften, dazu um Inschriften auf Spiegeln, Vasen und anderen Gegenständen. Sie beginnen im 7. Jh. v. Chr. Das Ergebnis ist weithin enttäuschend, da es sich bei den Inschriften meistens um stereotype Formeln und um Eigennamen handelt. Längere Texte sind Ausnahmen, wie die Mumienbinde von Agram und die Bronzetafel von Piacenza; aber auch sie helfen nicht viel, denn sie erklären sich nicht gegenseitig. Das Urteil des Dionysios von Halikarnass (I, 30), das etruskische Volk sei in seiner Sprache mit keinem anderen Volke verwandt, ist durch die moderne Forschung nur bestätigt worden. Gewisse Verbindungen zur Sprache der Inschriften von Lemnos, zum Rätischen und zu einigen kleinasiatischen Sprachen, insbesondere zum Lydischen, sind nicht zu übersehen. Was wir von der Sprache wissen, widerspricht nicht der Annahme, daß die Etrusker aus Kleinasien gekommen sind.

Die etruskische Kunst weist eine ganze Reihe von Komponenten auf: die etruskischkleinasiatische, die italische, die phönikische und die griechische, die letztere seit mindestens 700 v. Chr., wahrscheinlich aber schon früher einsetzend. Angeblich soll es ein Korinther namens Demaratos gewesen sein, der die Etrusker das Handwerk gelehrt habe. Die Kunst der

Metallbearbeitung weist indes nach dem Osten, auch die häufige Verwendung von Elektron ist kleinasiatisch. Überraschend sind jedoch die Übereinstimmungen in der Religion zwischen den Etruskern und dem Glaubensgut des Ostens. Das charakteristische Merkmal ist die  disciplina Etrusca;  sie bezeichnet das Bündel von Vorschriften und Riten, welche die Beziehungen zwischen den Göttern und Menschen regeln. Besonders wichtig ist die Opferschau  (haruspicina),  die an der Leber des Opfertiers ausgeübt wird. Als Modell hierfür ist die Bronzeleber von Piacenza erhalten, ihre Einteilung in eine Reihe von Feldern findet sich wieder auf Lebern aus Babylon und Boghazköi. Auch die Vogelschau hat Parallelen in Kleinasien, bei den Mysern, Phrygern und Karern. Die Sitte der  evocatio, welche die Römer von den Etruskern übernommen haben, ist auch bei den Hethitern nachgewiesen, hier werden allerdings die Götter  vor  der Einnahme der Stadt aufgefordert, sie zu verlassen.