Rom und Italien waren nach Sullas Fortgang den Populären preisgegeben. Von den beiden Consuln des Jahres 87, Cn. Octavius und L. Cornelius Cinna, war der letztere ein Anhänger des Marius, er erneuerte die Gesetze des Sulpicius, wurde dann aber gezwungen, Rom zu verlassen, an seiner Statt wurde L. Cornelius Merula zum Consul gewählt. Cinna aber rief Marius zurück; dieser ging in Etrurien an Land und gewann die Hilfe der immer noch aufständischen Samniten. Der Senat, der seinen führenden Mann, Cn. Pompejus Strabo, im Verlauf einer schweren Seuche (angeblich durch Blitzschlag) verloren hatte, war mehr oder weniger hilflos. Marius zog gegen Rom, die Stadt mußte kapitulieren, Cinna wurde als Consul wieder eingesetzt, die Gesetze des Sulla für ungültig erklärt. Die Marianer übten blutige Rache: zahlreiche führende Mitglieder der Optimaten wurden getötet, unter ihnen auch die beiden Consuln des Jahres 87, Cn. Octavius und L. Cornelius Merula. Auch der Kimbernsieger Q. Lutatius Catulus und der Redner M. Antonius fanden den Tod. Am 1. Januar 86 trat Marius sein siebentes Consulat an, er starb aber schon am 13. Januar. Zum Nachfolger bestellte Cinna den L. Valerius Flaccus, ihm wurde auch das Kommando gegen Mithradates übertragen. Im übrigen ist die Zeit vom Ausgang des Jahres 87 bis 84 gekennzeichnet durch die Herrschaft der Populären in Rom, in Italien und in den westlichen Provinzen. Der Senat war nicht Herr seiner Entschlüsse. Als Sulla nach dem Abschluß des Friedens von Dardanos (85) seine bevorstehende Rückkehr nach Italien ankündigte, war der Senat zu einem Übereinkommen mit ihm bereit, aber die eingefleischten Marianer waren dagegen, Cinna wollte sogar nach Griechenland übersetzen und dem Sulla das Kommando streitig machen, er wurde aber von meuternden Truppen erschlagen (84). Eine ernsthafte Opposition war, solange Cinna lebte, nicht vorhanden gewesen, und auch sein Tod ist auf ein ganz unpolitisches Ereignis zurückzuführen. Nach Cinnas Ende blieb Cn. Papirius Carbo allein Consul - Sulla hatte jedoch in Rom und in Italien zahlreiche Anhänger. So stellte der junge Cn. Pompejus in Picenum auf seine eigenen Kosten ein Heer von zwei Legionen auf, das er später dem Sulla zugeführt hat.
Mit der Rückkehr Sullas nach Italien (im Frühjahr 83) beginnt ein neuer Abschnitt der römischen Geschichte. Sulla landete mit 1600 Schiffen und mit 40000 Mann kampfgeübter Soldaten bei Brundisium. Er fand sogleich reißenden Zulauf, Q. Caecilius Metellus (der Jüngere) und Cn. Pompejus schlossen sich ihm unter den ersten an. Pompejus war ein Besitzer großer Latifundien in Picenum, erst 23 Jahre alt, von brennendem Ehrgeiz beflügelt; Metellus Pius war dagegen ein bereits bewährter Heerführer, der sich im Kampfe gegen die Marser ausgezeichnet hatte. Für Sulla war der Übergang der beiden Männer mit ihren Gefolgschaften in sein Lager ein großer Gewinn, seine Anhänger wagten sich nun wieder offen hervor. In politisch kluger Weise erkannte Sulla die Aufnahme der Bundesgenossen in das römische Bürgerrecht an und akzeptierte auch ihre Einschreibung in alle römischen Tribus, womit ein gefährlicher ZündStoff aus der Welt geschafft war. Den Gegnern fehlte es an einer einheitlichen Führung, die beiden Consuln des Jahres 83, L. Cornelius Scipio Asiaticus und C. Norbanus, waren dem Sulla als Feldherrn beträchtlich unterlegen. An nicht weniger als drei Kriegsschauplätzen mußte zu gleicher Zeit gekämpft werden: in Campanien (wo Sulla am Berge Tifata einen Sieg über C. Norbanus davontrug), in Norditalien und in den adriatischen Küstenlandschaften. Auch in Latium behielt Sulla die Oberhand, der Jüngere Marius wurde in Praeneste eingeschlossen und belagert. In Rom herrschte der nackte Terror, eine besonders unrühmliche Rolle spielte der Prätor urbanus Iunius Brutus Damasippus. Erst im Frühjahr 82, nach einem Siege bei Sacriportus, erzwang Sulla den Eintritt in die Stadt. Versuche der Marianer, Rom zurückzugewinnen, endeten mit ihrer Niederlage am Collinischen Tore (1. November 82), nachdem sie am Tage zuvor noch siegreich gewesen waren. An den Kämpfen vor Rom und bei Praeneste nahmen auf seiten der Marianer auch zahlreiche Samniten teil, die einen hohen Blutzoll entrichten mußten. Als letzte
Stützpunkte der Marianer hielten sich übrigens Nola bis in das Jahr 80, Volaterrae sogar bis 79 v. Chr. Der blutige Bürgerkrieg zwischen Sulla und den Anhängern des Marius war die hohe Schule der Kriegskunst für so manche jungen Römer. Während Sertorius auf seiten der Marianer in Campanien kämpfte und im Jahre 83 nach Spanien gesandt wurde, haben sich unter Sullas Feldzeichen Crassus und Pompejus ausgezeichnet, der erste in der Schlacht am Collinischen Tore. Den glänzendsten Aufstieg aber nahm der noch sehr jugendliche Cn. Pompejus (* 106), der Sohn des Pompejus Strabo. Er stammte aus einer Familie der plebejischen Nobilität, von den Altadligen wurde Pompejus immer als Emporkömmling betrachtet, was seine spätere Zusammenarbeit mit dem Senat erschwert und vielfach sogar belastet hat. Sulla hatte den jungen Mann als Imperator begrüßt. Wo er auch das Kommando führte, überall heftete sich der Sieg an seine Fahnen: er gewann Sizilien für Sulla, unterwarf in 40 Tagen die Provinz Africa, worauf ihn Sulla (im Jahre 81?) zum Triumph zuließ. Überhaupt ist es seine Begabung als Feldherr gewesen, die Pompejus nach oben geführt hat. Auf dem politischen Parkett hat er sich Zeit seines Lebens nicht besonders wohlgefühlt.
Mit dem Siege Sullas aber kamen die Proskriptionen. Die Namen der Geächteten wurden auf eine Liste gesetzt und diese öffentlich ausgehängt. Die erste Liste enthielt 80 Namen, darunter vier Consulare. Jeder Römer, der nach Mitte Mai 83 ein Amt unter den Marianern bekleidet hatte, wurde automatisch proskribiert. Im übrigen aber hatten die Proskriptionen keine gesetzliche Grundlage, sie waren reine Willkür, Sulla versuchte mit ihnen, seinen Rachedurst gegenüber seinen ehemaligen Gegnern zu befriedigen. Rund 40 Senatoren, 1600 Ritter und zahlreiche andere Bürger haben dabei den Tod gefunden. Nicht wenige unter ihnen sind wegen ihres großen Vermögens auf die Liste gekommen, sie waren das Opfer von Denunzianten und Henkern, die sich an dem Gut der Proskribierten bereicherten.
Manche Römer haben in dieser Zeit die Grundlage zu ihrem großen Vermögen gelegt, dies gilt insbesondere von M. Licinius Crassus, aber auch für einige Freigelassene Sullas. So hat Chrysogonus mit leichter Mühe Güter im Werte von sechs Millionen Sesterzen erworben, und zwar für den Spottpreis von nur 6000 Sesterzen! Insbesondere unter den Rittern, der Geldaristokratie, waren die Verluste an Menschenleben und Vermögen erschreckend. Empörend und in der ganzen römischen Geschichte ohne Vorbild war die von Sulla verordnete Sippenhaftung: selbst die Söhne und sogar die Enkel der Proskribierten sollten in Zukunft von allen Ämtern ausgeschlossen sein! Auch die Italiker, vor allem die Samniten und Etrusker, wurden dezimiert, sie hatten außerdem riesige Kontributionen zu entrichten.
Seine Macht verankerte Sulla vor allem durch die Ansiedlung von Veteranen. Sie wurden in verschiedenen Gegenden Italiens, in Campanien, Etrurien und Samnium, konzentriert. Mit den Veteranen kam ein starkes römisches und latinisches Element in diese Landschaften. So wurde in Campanien das Oskische zurückgedrängt, ein Vorgang, der sich in den Inschriften von Pompeji widerspiegelt. Dies ist vielleicht die wichtigste Folge der sullanischen Ansiedlungspolitik. Nicht gelöst wurde freilich die Agrarfrage, zumal da die ehemaligen Soldaten wenig Lust und Liebe für die Landwirtschaft mitbrachten. Aber Sulla wollte, anders als die Gracchen, gar nicht das Agrarproblem lösen, er wollte seine Herrschaft befestigen, und dies ist ihm auch gelungen. Als die Welle der Proskriptionen vorüber war, am Ende des Jahres 82, konnte er sich als der Herr im Staate fühlen. Rom hatte zu diesem Zeitpunkt keine Oberbeamten mehr, die beiden Consuln (Papirius Carbo und der Jüngere Marius) waren tot. L. Valerius Flaccus brachte als Interrex in den Comitien den Antrag ein, man möge alle bisherigen Verfügungen Sullas für rechtmäßig erklären. Außerdem wurde Sulla auf Grund der lex Valeria eine amtliche Eigenschaft für die Zukunft übertragen. Die Comitien aber ermächtigten den Interrex, Sulla zum dictator legibus scribundis et rei publicae constituendae zu ernennen. Während Mommsen die sullanische Diktatur gänzlich von den altrömischen Diktaturen getrennt und zu den außerordentlichen konstituierenden Gewalten gestellt hat, welche, wie sich Mommsen ausdrückte, die Verfassung nicht handhaben, sondern umgestalten sollen, hat Wilcken dies mit dem Hinweis bestritten, daß die wesentlichen Züge der älteren Diktatur, wie z. B. die dictio und die abdicatio, auch bei Sulla zu erkennen seien. Was die Diktatur Sullas über die älteren ihrer Art heraushebt, ist der spezielle Auftrag für die Abfassung der Gesetze und die Neuordnung des Staates. Dieser Auftrag ist ein umfassendes Ermächtigungsgesetz, das ihm das Volk in die Hand gegeben hat. Im übrigen vereinigte der Diktator Sulla in seiner Person eine Machtfülle, wie sie vor ihm kein Römer jemals besessen hatte. Von seinen Veteranen wurde er geradezu vergöttert, dazu verfügte er über eine persönliche Leibgarde, die 10000 Cornelier, Freigelassene, die sich mit ihrem Patronus auf Tod und Leben verbunden fühlten. Seit dem Tode des Jüngeren Marius führte Sulla den Beinamen Felix (griech. Epaphroditos), er fühlte sich als Schützling der Göttin Fortuna-Aphrodite. In der Tat hatte er allen Grund dazu: er war im Jahre 82 der bei weitem mächtigste Mann nicht nur in Rom und in Italien, sondern in der ganzen Oikumene.