Im Jahre 79 legte Sulla die Diktatur freiwillig nieder. Er kam damit der Abdikationspflicht nach. Dies ist ihm von Späteren oft verdacht worden; so hat ihn Caesar geradezu als einen politischen Analphabeten bezeichnet. Das Rätsel, das dieser Vorgang aufgibt, liegt in Sullas Persönlichkeit: einmal im Vollbesitz der Macht, und zwar in einer Fülle, wie sie vor ihm kein Römer je besessen hatte, hat sie ihn nicht mehr interessiert. Für seinen persönlichen Schutz brauchte er sie nicht, dafür hatte er seine Veteranen und die Cornelier. Schon ein Jahr später (78. v. Chr.) starb er an einem Blutsturz. Am Ausgang seines Lebens hatte er sich, wie so mancher Staatsmann vor und nach ihm, mit der Niederschrift seiner Memoiren (Res gestae) beschäftigt, ihre Rekonstruktion ist noch heute eine wichtige, wenn auch schwer lösbare Aufgabe der Wissenschaft. Zweifellos war Sulla ein genialer Einspänner unter seinen Zeitgenossen. In seiner Brust verband sich kühle Berechnung mit ganz unergründlichen emotionellen Regungen; wie in der Liebe, so war er auch im Haß ein Übermensch. War er aber wirklich ein entwurzelter Nobilis vom Schlage eines Cinna oder eines Catilina (Piganiol)? Oder war er ein übersteigertes Abbild eines echten Aristokraten (Berve)? Seine hohe Intelligenz ist ganz unverkennbar, sie zeigt sich nicht nur in seiner Diplomatie, sondern auch in seiner Kriegführung. Zu einem großen Staatsmann aber fehlte ihm vieles: so sehr man die Größe seines Reformwerkes anerkennen muß, so entbehrten seine Bemühungen doch einer in die Zukunft weisenden Linie. Und was am schwersten ins Gewicht fällt: er kannte in der Politik keine Versöhnung. Dadurch hat Sulla den Tod vieler Tausende seiner Gegner verursacht, die allein das Unglück hatten, im Dienst für eine verlorene Sache gestanden zu haben.
In den letzten Jahren seines Lebens war Sulla in Sertorius, einem Anhänger Cinnas und der Populären, ein Gegner erstanden. Als Prätor im Jahre 83 nach Hispania Citerior gesandt, hatte Sertorius sich hier zunächst nicht behaupten können, er mußte in Mauretanien Zuflucht suchen, erst im Jahre 80 war er nach Spanien zurückgekehrt. Sullas Beauftragte in Spanien und Südgallien vermochten gegen ihn militärisch wenig auszurichten, Sertorius beherrschte einen großen Teil der diesseitigen Provinz bis zum Fuß der Pyrenäen. Sein Hauptquartier wurde zur Zufluchtsstätte zahlreicher alter
Freunde des Marius. Aus ihnen bildete Sertorius einen regelrechten Gegensenat. Mit den Einheimischen wußte sich Sertorius aufs beste zu stellen, in Osca (heute Huesca) gründete er für die vornehmen jungen Spanier eine Ritterakademie, hier wurden sie ganz wie die Söhne der Römer erzogen. Sertorius überlebte zwar den Tod des Diktators, aber schon im Jahre 77/76 begann der Endkampf gegen Pompejus, dem Sertorius nicht gewachsen war (s. S. 166 f.). Wenn die Herrschaft des Sertorius in Spanien auch nur von kurzer Dauer war, so hat sie dennoch eine gewisse geschichtliche Bedeutung: war doch hier auf dem Boden einer Provinz, fern von Rom, zum ersten Male ein Gegenbild der Hauptstadt im Werden. So steht Sertorius ganz am Anfang einer Entwicklung, die in der Kaiserzeit in den Erhebungen des Galba, Vitellius und Vespasian in den Provinzen ihr Ziel findet.
Den Ereignissen im Osten hat Sulla nach seiner Rückkehr nach Italien kaum noch Beachtung geschenkt. Hier hatte der Statthalter (propraetor) der Provinz Asia, L. Licinius Murena, den 2. Mithradatischen Krieg (83-82) vom Zaun gebrochen. Die Römer waren in das pontische Reich eingefallen, ein Zeichen dafür, daß die Kriege immer mehr den Charakter von organisierten Raubzügen anzunehmen begannen. Für seine Erfolge war Murena sogar als Imperator ausgerufen worden, auch einen Triumph hatte man ihm bewilligt - ein charakteristisches Zeichen für die zunehmende Entwertung alter hoher Ruhmestitel. Mithradates hatte sich militärisch sehr zurückgehalten, er hatte sich aber über den Bruch des Friedens von Dardanos förmlich beschwert und es schließlich auch erreicht, daß Murena den Krieg auf einen Machtspruch Sullas hin einstellen mußte.
Bei Sullas Tod war der einzige ernsthafte Gegner Roms der pontische König Mithradates VI. Eupator. Die Uhr der hellenistischen Staaten zeigte die letzten Stunden an. Das Ptolemäerreich war von Rom abhängig, es gab zwei Könige, einen in Alexandrien und einen in Cypern; die Cyrenaica war dagegen schon im Jahre 96 v. Chr. durch das Testament des Ptolemaios Apion, eines illegitimen Sohnes des 8. Ptolemäers, an Rom gefallen, aber erst im Jahre 74 haben die Römer die Landschaft in eine Provinz umgewandelt, die später zusammen mit Kreta verwaltet worden ist. Das Seleukidenreich hatte seine Großmachtstellung im Jahre 129 v. Chr. infolge der Niederlage des Antiochos VII. Sidetes gegen die Parther für alle Zeiten verloren. Die folgenden Jahrzehnte seiner Geschichte sind angefüllt mit nahezu unaufhörlichen Prätendentenkämpfen, in die auch die Ptolemäer eingegriffen haben. In der Zeit zwischen 83 und 69 v. Chr. war der Rest, Syrien und Kilikien, eine Provinz des Königreiches Armenien unter Tigranes L, dem Schwiegersohn des Mithradates.
Die Römer haben diese Veränderungen geduldet, da sie die vitalen Interessen des Imperiums nicht berührten. Die geringe Aufmerksamkeit, die Sulla in den letzten Jahren seiner Herrschaft den Provinzen zugewandt hat, führte in ihnen zu wenig erfreulichen Zuständen: es war kein Wunder, wenn sich die römischen Statthalter als die Herren der Welt fühlten und dies auch die Untertanen verspüren ließen! Die Provinzen und die Länder der verbündeten und befreundeten Könige waren für die herrschende Klasse unter den Römern nur praedia populi Romani, die Untertanen nur Lastenträger im Dienste einer Gesellschaft, die sich skrupellos am Vermögen der Untertanen bereicherte, ohne sich auch nur im geringsten ihrer Pflichten gegenüber den unterworfenen Völkern bewußt zu werden. Die römische Provinzialverwaltung war, wenn es auch an Gegenbeispielen nicht fehlt, im großen und ganzen ein öffentliches Ärgernis. Insbesondere die Bewohner des römischen Kleinasien hatten allen Grund, sich nach der patriarchalischen Administration der hellenistischen Könige zurückzusehnen, unter denen es ihnen unvergleichlich besser ergangen war. Die Zeit eines systematischen Aufbaus durch die neuen Herren, die Römer, war noch nicht gekommen, es fehlte hierzu weniger an Mitteln als an der rechten Gesinnung; denn trotz vielfacher Berührung mit dem Griechentum, mit griechischer Philosophie und Literatur, war es zu einer entscheidenden Umprägung des Römertums durch den griechischen Geist noch nicht gekommen. Dagegen schuf die Verleihung des römischen Bürgerrechts an die Italiker eine sehr viel breitere Grundlage für die Romanisierung weiter Bezirke des Westens. So wurde nicht nur die Durchdringung Oberitaliens (Gallia Cisalpina), sondern auch Südgalliens (Gallia Narbonensis) und des diesseitigen Spaniens (Hispania Citerior), das letztere vor allem durch das Werk des Sertorius, stark gefördert. Der kriegerischen Expansion Roms im Osten trat die friedliche Romanisierung des Westens gleichwertig an die Seite, ein Vorgang, der für die Entwicklung der Zivilisation Westeuropas von unabsehbarer Bedeutung gewesen ist.