Der 3. Mithradatische Krieg (74-67): Nicht zuletzt durch die Schuld Sullas, der auf eine schriftliche Ausfertigung des Friedens von Dardanos (85) verzichtet hatte, war die Lage in
Kleinasien auch in den darauf folgenden Jahren weithin ungeklärt geblieben. Der 2. Mithradatische Krieg des L. Licinius Murena (s. S. 164) hatte daran nichts geändert. Eine bemerkenswerte Verlagerung des östlichen Gleichgewichts aber brachte der Aufstieg des Königreichs Armenien unter Tigranes I., der sich in Tigranokerta (Maijafariqin in Nordmesopotamien) eine neue Hauptstadt errichtet hatte. In ihr hatten zahlreiche Griechen, die aus Kilikien und Kappadokien zwangsweise umgesiedelt worden waren, unter dem Patronat des Tigranes, des «Königs der Könige», eine neue Heimat gefunden. Sehr viel näher aber lag den Römern das westkleinasiatische Königreich Bithynien. In ihm gab es im Jahre 75 oder 74 v. Chr. eine wichtige Veränderung: der König Nkomedes IV. Philopator, ein treuer Vasall der Römer, starb und vermachte sein Reich den Römern. Diese aber hatten in Mithradates VI. einen entschlossenen Rivalen; er war nicht gewillt, den Römern Bithynien zu überlassen, und zwar um so weniger, als er einen Rechtstitel auf das Königreich zu besitzen glaubte, den ihm Sertorius in die Hand gegeben hatte (s. S. 167). Mithradates war vorzüglich gerüstet, er konnte sich dazu auf die Hilfe der Seeräuber verlassen, auch aus Thrakien kam ihm Zuzug. In Rom entschied man sich für den Krieg, den Consuln des Jahres 74 wurde das Kommando gegen Mithradates anvertraut, und zwar erhielt L. Licinius Lucullus die Provinzen Kilikien und Asien, dazu den Oberbefehl gegen den pontischen König, M. Aurelius Cotta dagegen Bithynien und den Oberbefehl über die Flotte, eine wenig glückliche Anordnung, die in der Tat zu Schwierigkeiten geführt hat. Dem Lucullus stellte man fünf Legionen zur Verfügung, darunter allerdings zwei ehemalige des Fimbria, mit deren Disziplin es nicht zum besten stand. Lucullus war ein Feldherr und Diplomat von hohem Rang, aber er vermochte es nicht, die Herzen seiner Soldaten zu gewinnen, dazu stand er mit den mächtigen Publikanen auf gespanntem Fuß, ein Umstand, der zu seinem späteren Sturz entscheidend beigetragen hat. Mithradates machte sich an die Belagerung der reichen Stadt Kyzikos, mußte sie jedoch, von Lucullus bedrängt, wieder aufgeben (Winter 74/73 v. Chr.). Im Jahre 73 betrat zum ersten Mal ein römisches Heer das Königreich Pontos. Mithradates, in einem Treffen bei Kabeira am Lykos geschlagen, wich nach Armenien aus (72). Die Römer machten sich an die Belagerung der festen Städte Kabeira, Amisos, Herakleia, Amastris und Tios. Es war dies keine leichte Aufgabe, die Städte waren stark befestigt, außerdem erhielten sie, durch die Piraten, Hilfe von außen und widerstanden den Römern zum Teil viele Monate. Sinope, die Residenz des Königs, fiel erst im Jahre 70, als letzte Gemeinde Amaseia, die Heimat des Geographen und Historikers Strabon. Der Vizekönig des bosporanischen Reiches, Mithradates' Sohn Machares, aber schloß sich den Römern an. Zum Ruhm des Lucullus muß es gesagt werden, daß er sich in nachdrücklicher Weise für die unglücklichen Bewohner der Provinz Asia eingesetzt hat, die von der Schuldenlast des ersten Mithradatischen Krieges geradezu erdrückt wurden. Auf Befehl des Lucullus wurden die Zinsen, die eine schwindelnde Höhe erreicht hatten, auf 12 1/2 % herabgesetzt, diejenigen Zinsen aber, welche die ursprünglich geliehenen Kapitalien überstiegen, wurden überhaupt gestrichen - eine wohltätige Anordnung, die ihm die Zuneigung der Provinzialen, aber auch den Haß der römischen Kapitalisten eingetragen hat.
Mit der Offensive des Lucullus gegen Armenien im Frühjahr 69 trat der Krieg im Osten in eine neue Phase. Der römische Oberfeldherr hatte von Tigranes, dem armenischen König, die Auslieferung des Mithradates, seines Schwiegervaters, verlangt, ein Ansinnen, das jener jedoch verweigert hatte. Mit einem Heere von etwa 20000 Mann überschritt Lucullus bei Melitene den Euphrat und wandte sich gegen die neue Hauptstadt des Reiches, Tigranokerta. Im übrigen lag der entscheidende Grund zum Feldzug in der gesteigerten Beutegier der Römer. In der
Schlacht bei Tigranokerta (6. Oktober 69) triumphierte die römische Kriegskunst über ein an Zahl weit überlegenes Heer des Tigranes. Die Hauptstadt aber öffnete dem römischen Feldherrn ihre Tore. Die Beute der Römer war unermeßlich, Lucullus zog die in der Stadt weilenden Dionysischen Techniten zu seinen Siegesfeiern heran, um sich als Protektor der Hellenen feiern zu lassen. Die Einnahme Tigranokertas machte in der ganzen Welt einen tiefen Eindruck. Die Armenier aber räumten die von ihnen besetzten Gebiete des ehemaligen Seleukidenreiches, worauf in Syrien Antiochos XIII. Asiatikos mit Zustimmung des Lucullus auf den Thron gelangte (69 v. Chr.). Der römische Oberfeldherr hatte damit den Höhepunkt seiner Erfolge im Osten erreicht, von nun an begannen die Schwierigkeiten. Die im Pontos als Besatzung zurückgelassenen Truppen verweigerten seinen Befehlen den Gehorsam, auch die in der Gordyene stehenden Legionen wurden unbotmäßig (Frühjahr 68). Lucullus hatte sich mit den Kapitalisten in Rom überworfen, er mußte es jetzt büßen, daß er ihnen in Vorderasien das Geschäft verdorben hatte. Zwar konnte er im Sommer 68 noch einmal eine großangelegte Offensive gegen die Stadt Artaxata in Hocharmenien einleiten, es war aber die letzte, denn die Soldaten waren überfordert und zwangen Lucullus, wieder umzukehren. Das Heer bezog im Raum von Nisibis in Nordmesopotamien (Mygdonien) Winterquartiere, Lucullus aber ging die Kontrolle über seine Soldaten immer mehr verloren. Vor allem gehorchten ihm die ehemaligen Truppen des Fimbria nicht mehr; sie wurden von P. Clodius, dem Schwager des Lucullus, aufgehetzt. Sie standen übrigens teilweise schon an die 20 Jahre unter den Waffen und glaubten, endlich ein Recht auf Entlassung zu haben (67). Im übrigen taten Lucullus' Gegner in Rom alles, um seine Tätigkeit zu erschweren. Nachdem er die Provinz Asia bereits im Jahre 69 verloren hatte, wurde ihm im folgenden Jahre auch Kilikien genommen, im Jahre 67 endlich bestellte der Senat den Consul M'.Acilius
Glabrio zu seinem Nachfolger. Ihm wurden als Provinzen Bithynien und Pontus zugewiesen. Es war dies das Werk des Volkstribunen A. Gabinius, der in Rom die Comitien gegen Lucullus unter Verwendung primitiver psychologischer Mittel einzunehmen wußte. Die Katastrophe des Lucullus brachte das Jahr 67. Mithradates war nach dem Pontos zurückgekehrt, der Legat des Lucullus, Triarius, mußte eine schwere Niederlage hinnehmen (bei Zela), die Soldaten des Lucullus verweigerten ihrem Feldherrn den Gehorsam, die Reste des Heeres hat Pompejus im Jahre 66 übernommen.
Unter den Nobiles der ausgehenden römischen Republik ist Lucullus eine einzigartige Erscheinung. Er war nicht nur ein talentierter Feldherr, sondern auch ein Mann von regen geistigen Interessen. So hat er beispielsweise eine Geschichte des Bundesgenossenkrieges in griechischer Sprache verfaßt, angeblich mit vielen Latinismen durchsetzt. Er war befreundet mit Antiochos von Askalon, dem Haupt der athenischen Akademie, und mit Cicero, dem er wiederholt seinen politischen Rat, wenn auch zumeist vergeblich, geliehen hat. Sein großes Vermögen gestattete es ihm, ganz seinen privaten Neigungen in Rom zu leben, die horti Luculliani auf dem Monte Pincio sind sein Werk. Seine vielen Villen schmückte er mit großartigen Kunstgegenständen, die er sogar bezahlt haben soll, und wenn auch ein anderer nach ihm den Gewinn des Mithradatischen Krieges eingeheimst hat, so bleibt doch dem Lucullus der Ruhm, die Kirsche von Kerasus am Pontos nach Rom gebracht zu haben. Inmitten einer Welt, in der allein das Geld und die politische Berechnung regierten, war Lucullus ein Mann mit Verstand und mit Herz, jedoch fehlte es ihm an der notwendigen Härte, auf die weder der Politiker noch der Feldherr verzichten kann.