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Eine weitere Etappe auf dem Wege zum Prinzipat war das Jahr 19 v. Chr. Damals hat Augustus ein lebenslängliches Imperium consulare  übernommen. Zwar wurde er damit nicht Consul, er führte jedoch stets zwölf Fasces und nahm im Senat zwischen den amtierenden Consuln auf einer  sella curulis  seinen Platz ein. In das gleiche Jahr fällt auch die Übernahme der  cura legum et morum  durch Augustus, zweifellos nach dem Vorbild des Adoptivvaters, der gleichfalls  praefectus moribus,  wenn auch ohne viel Erfolg, gewesen war. Als im Jahre 12 v. Chr. M. Aemilius Lepidus, der ehemalige Genosse im Triumvirat, starb, war das Oberpontifikat frei geworden. Auf Grund eines Plebiszits von ganz Italien wurde Augustus zum neuen Pontifex Maximus gewählt, er war damit auch das geistliche Oberhaupt Roms geworden. Mit der Annahme des Titels  pater patriae, verliehen durch Akklamation des Senats, der Ritterschaft und des Volkes, wurde Augustus zum «Landesvater» (2 v. Chr.). Der neue Titel betonte das patriarchalische Gepräge seiner Führerstellung. Doch ist  pater patriae  nur ein Ehrenname, mit dem keine neuen Befugnisse verbunden waren, aber der Titel unterstreicht sinnfällig das Pietäts- und Verpflichtungsverhältnis, das zwischen dem Prinzeps und den Untertanen bestanden hat.

Welche geistigen Kräfte und Strömungen haben dem Prinzipat des Augustus vorgearbeitet? Die Entstehung und Entwicklung der neuen Staatsform ist schwerlich denkbar ohne die Verbindung mit der Ideenwelt der ausgehenden römischen Republik und mit der Welt des Griechentums. Die Verbindung mit griechischem Ideengut wäre ohne Zweifel noch viel deutlicher, wäre nicht das wichtigste Zwischenglied, die Literatur über das hellenistische Herrscherideal, bis auf geringe Reste verloren. Dies gilt insbesondere für die Schriften «Über das Königtum»  (Perl basileias).  Schon Isokrates hatte im hohen 4. Jh. in seiner Schrift mit dem Titel <Nikokles> einen Fürstenspiegel verfaßt mit treffenden Verhaltungsmaßregeln für den Sohn des Königs Euagoras von Salamis auf Cypern. Dazu kam die stoische Idee des Königtums als eines <ruhmvollen Knechtsdienstes>  (endoxos duleia),  ausgesprochen von Antigonos Gonatas, dem König der Makedonen (276-239), dem ehemaligen Schüler Zenons von Kition. Auch dieser Gedanke ist aus der Welt nicht wieder verschwunden, ebensowenig wie die Konzeption des hellenistischen Königs als Retter und Wohltäter (basileüs soter kai euergetes),  die für die hellenistische Monarchie charakteristisch gewesen ist. Allerdings lebten die römischen Nobiles der späteren Republik, auch der Jüngere Scipio und seine Freunde, in einer ganz anderen Welt. Sie fühlten sich nicht nur den hellenistischen Königen ebenbürtig, sondern kraft ihrer  virtus  sogar überlegen. Dies gilt insbesondere von jenen unter ihnen, die mit allgemeiner Zustimmung als principes  anerkannt wurden. Im Zeitalter der Punischen Kriege war man freilich in Rom von dem Gedanken an die Herrschaft eines einzelnen noch weit entfernt, doch führt von P. Cornelius Scipio (t 183) ein gerader Weg zu Marius, Sulla, Pompejus und Caesar. Zudem sind die großen Römer, angefangen mit T. Quinctius Flamininus, in Hellas und im Osten mit Ehren überschüttet worden, wie sie dort den hellenistischen Königen zuteil geworden sind.

Von weittragender Bedeutung für die Vorgeschichte des Prinzipats ist endlich der Name  Cicero.  Er war selbst einer der letzten großen Principes der ausgehenden Republik, wenn er auch als  homo novus  emporgekommen war. In seiner bewundernswerten publizistischen Tätigkeit wird die Idee des Prinzeps als des idealen Lenkers des Staates immer wieder herausgestellt. Dabei mag Cicero an seine eigene Person gedacht haben, doch kommt es hierauf nicht an. Durch seine eingehende Beschäftigung mit der griechischen Philosophie, vor allem mit der Gedankenwelt der Stoa, hat Cicero zahlreiche hellenistische Züge in sein ideales Herrscherbild eingefügt. Wie er sich den idealen Staatsmann vorstellte, zeigt insbesondere seine Schrift «De re publica»,  veröffentlicht im Jahre 51, zu einer Zeit, in der sich die römische Republik bereits in höchster Gefahr befand. In den erhaltenen Teilen der Broschüre sucht man allerdings nach dem Begriff des  princeps civitatis  vergebens, doch mag dies auf den Zustand der Überlieferung zurückzuführen sein. Die moderne Forschung geht in ihrem Urteil, wieweit Augustus durch Gedanken Ciceros beeinflußt worden ist, sehr weit auseinander. Nach H. Strasburger habe Cicero mit seiner Schrift «De re publica»  die Prinzipatsverfassung vorweggenommen, er habe als Idealbild die bewährte republikanische Staatsordnung, verbunden mit der Herrschaft des einzelnen, des Prinzeps, entworfen. Nach R. Syme habe dagegen das augusteische Prinzipat seinen Ausgang nicht von Theorien, sondern von Fakten genommen. Das Prinzipat sei durch Politiker, Diplomaten und Generäle, nicht durch lebensferne Theoretiker geschaffen worden. Die Wahrheit aber scheint hier, wie so oft, in der Mitte zu liegen. Dabei ist nicht zu übersehen, daß die ausgehende römische Republik in ihren Ideen und Symbolen eine Entwicklung zeigt, die im Prinzipat aufgegriffen und fortgeführt worden ist. In die Ideologie des Prinzipats haben ganz besonders zahlreiche stoische Gedanken Eingang gefunden, Vorbild der Herrscher ist die Gestalt des Herakles, er wird als einer der großen Kulturschöpfer der Menschheit gepriesen. Aber auch manche Götter wie der griechische Apollon und der römische Mercurius spielen im frühen Prinzipat eine Rolle. In ihrer Gestalt ist der junge Caesar verehrt worden, seine Schutzpatrone waren gewissermaßen die Gegenbilder des Dionysos, den sich Antonius als Helfer und Begleiter auserwählt hatte. Die Entstehungsgeschichte des Prinzipats hat es mit sich gebracht, daß gerade auch Begriffe einer ursprünglich militärischen Sphäre in seine Gedankenwelt eingegangen sind: hierzu gehört die Idee der  statio principis,  der <Wache>, welche der Prinzeps übernommen hat. Gegenüber seinem Enkel Gaius hat Augustus selbst seine Stellung in dieser Weise umschrieben. Friedrich der Große, dessen Herrscherauffassung gleichfalls durch den Stoizismus geprägt worden ist, hat die Idee übernommen:  toujours en vedette.

Bei dem Prinzeps werden im übrigen fast alle für den Herrscher vorteilhaften Tugenden vorausgesetzt: auf dem Ehrenschild, der dem Augustus im Jahre 27 v. Chr. verliehen worden ist, sind die  virtus, clementia, iustitia  und  pietas aufgeführt. Von ihnen gilt die  clementia  (griechisch  epieikeia, auch  praötes  und  philanthropia)  als die wichtigste Tugend des Regenten, und nicht durch Zufall hat Seneca in seiner dem jungen Nero bei seiner Thronbesteigung gewidmeten Schrift gerade diese Kardinaltugend gepriesen. Die  clementia  hatte eine Vorgeschichte in der ausgehenden Republik: sowohl für Pompejus wie besonders für Caesar ist sie bezeugt, an dem letzteren ist sie von den Zeitgenossen immer wieder mit hoher Bewunderung anerkannt worden. Der junge Caesar, der spätere Augustus, ist dagegen in seinen Jugendjahren alles andere als gnädig gewesen, sein Name und sein Gewissen waren mit den furchtbaren Proskriptionen des Jahres 43 v. Chr. belastet, mit dem zunehmenden Alter aber hat er auch die Kunst des Verstehens und Verzeihens gelernt.

Eine der wesentlichen Ideen des Prinzipats ist die Freiheit (libertas).  Während in der Zeit der Republik die Freiheit für den Bürger darin bestanden hatte, sich innerhalb gewisser von Sitte und Herkommen  (mos maiorum)  gezogener Grenzen frei zu bewegen und sich politisch zu betätigen, hat sich dies während des Prinzipats entscheidend geändert. Zwar hat Augustus selbst behauptet, er habe den von der Tyrannei einer Gruppe unterdrückten Staat in die Freiheit zurückgeführt, aber von der alten republikanischen Freiheit war diejenige, welche das Prinzipat gewährte, doch sehr weit entfernt. Was aber ist die libertas  im Prinzipat? Sie ist ein Zustand, der durch die Rechtssicherheit des einzelnen charakterisiert wird, mit anderen Worten: die Begriffe  libertas  und  securitas  sind einander nahe benachbart. Die offizielle Auffassung ist allerdings eine andere: danach hatte der Prinzeps gerade die republikanische Freiheit wiederhergestellt. Das Problem ist in der frühen Kaiserzeit immer wieder erörtert worden, auch Tacitus hat sich mit ihm beschäftigt. Nach seiner Auffassung hat bekanntlich erst Nerva den Prinzipat und die Freiheit, zwei in früherer Zeit unvereinbare Dinge, miteinander verschmolzen. Wie aber dachten die Zeitgenossen des Augustus? Alexandrinische Seeleute riefen dem Augustus im Hafen von Puteoli zu: «Durch dich leben wir, durch dich fahren wir zur See, durch dich genießen wir Freiheit und Wohlstand»  (Suet. Aug. 98, 2).  Der Segen des Prinzipats, vor allem die Aufrichtung und die Erhaltung des Friedens, ist von den Zeitgenossen mit tiefer Dankbarkeit vermerkt und anerkannt worden. Das Ideal der politischen Freiheit und der aktiven politischen Betätigung aber verflüchtigte sich immer mehr, an seine Stelle trat der öffentliche und private Wohlstand. Der Prinzeps selbst war mit seiner Person der Garant des Friedens und der Sicherheit: l'empire c'est la paix.