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Die rechtliche Grundlage der umfassenden Befugnisse des Prinzeps in der Rechtsprechung und auf dem Gebiet der allgemeinen Verwaltung ist letzten Endes das  Imperium proconsulare maius,  im Jahre 23 dem Augustus verliehen (S. 221). Es erstreckt sich auf das gesamte Reich, auch den Imperien der Statthalter der senatorischen Provinzen war es übergeordnet. Das Imperium gründete sich auf der erhöhten auctoritas  des Augustus, diese ist zwar staatsrechtlich nicht faßbar, aber doch allgemein, gewissermaßen  per consensum universorum,  anerkannt. Neben der  auctoritas  des Senats gibt es jetzt die des Prinzeps, die aber, jener anderen überlegen, sie immer mehr zurückdrängt. Gewiß hat der Senat unter Augustus und Tiberius noch wichtige Funktionen wahrgenommen, aber der Umfang seiner Beteiligung an der Reichsregierung hing mehr oder weniger von dem Willen des Prinzeps ab. Die Ehrenrechte blieben der hohen Körperschaft erhalten, aber schon unter Augustus war der Senat nur noch ein Schatten seiner einstigen Größe, vor allem hatte der erste Prinzeps aus der Körperschaft zahlreiche Mitglieder ausgestoßen, die ihm nicht genehm waren. Neben die Senatsbeschlüsse  (senatus consulta) treten, diese in ihrer allgemeinen Bedeutung bald überflügelnd, die Verfügungen des Prinzeps, seine  constitutiones,  gegliedert in Edikte, Dekrete, Episteln (Reskripte) und Mandate. Der Befehl des Prinzeps wird zwar in der Regel als Ratschlag  (consilium) formuliert (es finden sich Ausdrücke wie  placet, arbitror, censeo),  in ganz bewußter Anknüpfung an die Senatsbeschlüsse der Republik. Die Gültigkeit der Constitutionen des Prinzeps aber ist unbeschränkt, auch über das irdische Leben des Prinzeps hinaus. Außerdem kann der Prinzeps, im Gegensatz zu den Magistraten, seine Verfügungen jederzeit wieder aufheben. Die Juristen, soweit sie  ex auctoritate principis  respondieren, schaffen  ius civile.  Die Verfügungen des Prinzeps aber rücken damit auf die Stufe der  senatus consulta,  der  leges  und der plebiscita,  sie sind eine neue Quelle des öffentlichen und zivilen Rechts  (fons iuris publici et civilis).  An der Seite des ordentlichen Rechts  (ius ordinarium),  niedergelegt in den Gesetzen und den magistratischen Verfügungen, bildet sich das außerordentliche Recht  (ius extraordinarium),  ausgehend vom Prinzeps, und zwar vor allem auf dem Gebiet des Strafrechts. Hier arbeiteten die Quaestionen in der Regel zu langsam, was immer wieder zu Klagen über Prozeßverschleppungen geführt hat. Berühmt ist die Rede des Kaisers Claudius über dieses Thema; sie hat sich auf einem Papyrusblatt wiedergefunden. Die Frage, wieweit die Gerichtsbarkeit des Prinzeps und die des Senats in der frühen Kaiserzeit miteinander konkurrierten, ist in der Forschung noch umstritten. Es ist aber das

Wahrscheinlichste, daß es in der ersten Prinzipatszeit, unter Augustus und seinen nächsten Nachfolgern, ein Kaisergericht mit allgemeiner Zuständigkeit nicht gegeben hat. Doch spricht einiges dafür, daß Augustus gelegentlich richterliche Entscheidungen getroffen hat, und zwar vor allem im Bereich der ihm unterstellten Provinzen. Außerdem scheint er das Recht besessen zu haben, gewisse Prozesse an sich zu ziehen, falls eine Prozeßpartei zustimmte. Eine wichtige Rolle fällt bei den richterlichen Entscheidungen dem  Consilium  des Prinzeps zu, seine Zusammensetzung ist jedoch im einzelnen noch umstritten. Doch gehörten ihm mit Sicherheit die hervorragendsten unter den Consularen an. Mit einem regulären Senatsgericht wird man dagegen unter Augustus schwerlich rechnen können; nur ein paar vereinzelte Fälle, in denen man aus guten Gründen keinen Quaestionenprozeß durchführen konnte oder wollte, sind vor dem Senat verhandelt worden. So geringfügig diese Anfänge auch sein mögen - sie sind dennoch die Grundlage der Senatsgerichtsbarkeit, wie sie sich unter den Nachfolgern des Augustus, vor allem unter Tiberius, herausgebildet hat. Repetunden- und Majestätsprozesse, beide von Tacitus oft geschildert, bildeten unter Tiberius die Hauptgegenstände der senatorischen Gerichtsbarkeit, mit welchem traurigen Erfolg, ist allgemein bekannt. Der Prinzeps dagegen vermochte einen ganz entscheidenden Einfluß auf die Gerichtsverfahren und auch auf die Urteilsbildung auszuüben. Der Besitz der tribunizischen Gewalt, seine Stellung als Consul und als Mitglied des Senats ermöglichten es ihm, die Verhandlung entweder zu leiten oder doch wenigstens an ihr teilzunehmen; dazu gab ihm die tribunizische Interzession eine Waffe in die Hand, die in jedem Fall durchschlagend war. Bereits unter Augustus, der in seinen späteren Jahren nur noch selten zu den Sitzungen des Senats erschienen ist, kam es so weit, daß der Prinzeps seinen Willen dem Senat schriftlich zur Kenntnis gab, seine Entscheidung wurde natürlich in jeder

Weise respektiert.

Die Befugnisse des Prinzeps in der allgemeinen Verwaltung: Auch in der Verwaltung des Reiches bezeichnet die Entstehung des Prinzipats einen tiefen Einschnitt. Dem alten Schlendrian der senatorischen Provinzialverwaltung wurde ein Ende gesetzt. Die Übernahme der Administration durch Beauftragte (Legaten) des Prinzeps in den kaiserlichen Provinzen hat sich im allgemeinen als sehr segensreich erwiesen, dies zeigt allein schon der zahlenmäßige Rückgang der Repetundenprozesse; Verurteilungen wegen Erpressungen der Provinzialen wurden mehr und mehr zu einer Seltenheit. Die republikanischen Magistrate in der Verwaltung wurden, im ganzen gesehen, zurückgedrängt, an ihrer Statt stiegen immer mehr kaiserliche Hilfsbeamte aus dem zweiten Stand, dem  ordo equester,  empor, sie sind ihren Aufgaben vorzüglich gerecht geworden. Nero hat einmal damit gedroht, er werde den Senat überhaupt abschaffen und die Verwaltung den Freigelassenen und den Rittern übertragen, diese Welle aber ging bald wieder vorüber. In Wirklichkeit beginnt die Zurückdrängung der Senatoren in der Reichsverwaltung erst unter dem Kaiser Hadrian (117-138), den Gipfel der Feindseligkeit gegenüber dem Senat bezeichnet die Regierung des Soldatenkaisers Septimius Severus (193-211), vollendet wurde die Entwicklung unter Gallienus (260-268). Wohl der erste Mann aus dem Ritterstand, der es zu hohen Ehren brachte, war der aus Afrika stammende Q. Marcius Turbo, der General Trajans; erst mit M. Opellius Macrinus (217 218) hat ein römischer Ritter den Kaiserthron bestiegen. Die Senatorenschicht hat also, trotz schmerzlicher Verluste durch die Proskriptionen des 2. Triumvirats sowie durch die Verfolgungen unter Tiberius, Nero und Domitian, ihre Stellung über ein Jahrhundert im römischen Staate voll zu behaupten gewußt.