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Von der Ems ging der Vormarsch zur mittleren Weser. Die Schlacht bei Idistaviso blieb unentschieden, auch in einem Treffen am Angrivarierwall errangen die Römer keinen Sieg, obwohl sich ihre Legionen (nicht aber die Reiterei) den Germanen überlegen gezeigt hatten (16 n. Chr.). Zwei weitere Feldzüge, gegen die Chatten unter der Leitung des Silius und gegen die Marser unter dem Befehl des Germanicus, waren nur Strafexpeditionen. Da schaltete sich der Prinzeps Tiberius ein: er berief Germanicus unter großen Ehren vom Kriegsschauplatz ab; man möge, so meinte er, die Germanen ihrer eigenen Zwietracht überlassen. Germanicus feierte am 26. Mai 17 n. Chr. einen glanzvollen Triumph über die «Cherusker, Chatten, Angrivarier und was sonst noch für Stämme bis zur Elbe hin wohnen». Arminius aber, im Felde unbesiegt, fiel, wahrscheinlich im Jahre 21, der Tücke seiner eigenen Verwandten zum Opfer, die ihn des Strebens nach der Königswürde bezichtigten.

Für die gallischen Provinzen war die Abberufung des Germanicus ein tiefer Einschnitt. Gallien war von nun an in drei Provinzen eingeteilt  (Tres Galliae),  mit je einem  legatus Augusti pro praetore  an der Spitze. Am Rhein aber wurden zwei große militärische Kommandos gebildet  (exercitus superior et inferior).  Die Grenze zwischen ihnen bildete der Vinxtbach  (ad fines)  bei Andernach.

Im Partherreich war der von den Römern begünstigte Vonones I. vertrieben worden, seinen Thron nahm Artabanos III. ein, der sich auch in Armenien durchzusetzen wußte. Diese Thronstreitigkeiten zwangen Tiberius, im Osten ein Machtwort zu sprechen. Er entsandte Germanicus mit einem  imperium maius  in den Orient (18 n. Chr.). Der Prinz bewies zunächst eine glückliche Hand; er setzte Zenon, den Sohn des pontischen Königs Polemon, unter dem Namen Artaxias auf den armenischen Thron. Die Wahl war vorzüglich, denn Artaxias hat sich immerhin 17 Jahre, bis zum Jahre 35, in Armenien behaupten können. Außerdem wurden die bisherigen Vasallenstaaten Kappadokien und Kommagene in römische Provinzen umgewandelt, womit eine Lücke im Osten geschlossen wurde. Weniger glücklich aber war Germanicus bei seinem Abstecher nach Ägypten. Er hatte hierfür nicht den notwendigen Dispens des Prinzeps eingeholt. Seine Edikte zeigen, daß ihm seine überragende Stellung zu Kopf gestiegen war. Trotzdem war es ein schwerer Verlust für die Dynastie und das Reich, daß Germanicus am 10. Oktober des Jahres 19 n. Chr. in Daphne, einer Vorstadt von Antiocheia, nach kurzer Krankheit verstarb. Der Senat beschloß für den toten Prinzen hohe Ehren, ein Teil von ihnen ist auf der Tafel von Magliano aufgezeichnet.

Als Germanicus im Orient weilte, war in Afrika ein Aufstand unter der Führung des Numiders Tacfarinas ausgebrochen (17 24 n. Chr.). Die Römer hatten größte Mühe, in dem Gebiet zwischen der Großen Syrte und Algier die Ordnung wiederherzustellen. Der Ruhm, den schwierigen Kolonialkrieg beendet zu haben, gebührt dem Proconsul Q. Lucius Blaesus, dem Oheim des Sejan. Zur Belohnung wurde dem Blaesus die imperatorische Akklamation zuteil, es ist die letzte, die ein

Feldherr erhalten hat, der nicht dem kaiserlichen Hause angehörte. Sein Nachfolger Cornelius Dolabella, der den Endkampf gegen Tacfarinas geführt hatte, ging dagegen leer aus. Sehr viel weniger Schwierigkeiten bereiteten dem Tiberius die Aufstandsbewegungen in Gallien, der Treverer unter Iulius Florus und der Gallier unter Iulius Sacrovir in Augustodunum (Autun) im Jahre 21.

Eine ganz entscheidende Rolle im Leben des zweiten Prinzeps hat  L. Aelius Sejanus  gespielt, der Sproß einer etruskischen Ritterfamilie aus Volsinii. Er war zunächst, gemeinsam mit seinem Vater L. Seius Strabo, Befehlshaber der Prätorianer in Rom. Sejan ist es gewesen, der diese Truppe aus den kleinen Städten der Albanerberge nach Rom in das neue Prätorianerlager am Viminal verlegt hat. Die Herrschaft über die Hauptstadt lag damit praktisch in seinen Händen. Seine Stellung wurde noch dadurch verstärkt, daß Tiberius, zunächst vorübergehend ein Jahr lang (21-22), dann aber, von 26 an, dauernd auf Capri residierte (Nesiarchie des Tiberius). In dem Kampf um die Macht zwischen Sejan und Drusus, dem Sohn des Tiberius, erwies sich der Prätorianerpräfekt als der Stärkere. Drusus starb am 14. September 23, ob durch Gift, ist nicht zu entscheiden. Der rücksichtslose Streber Sejan gelangte schließlich sogar zum Consulat (31). Durch seine Verlobung mit Julia, der Enkelin des Tiberius, fand er Eingang in die Familie des Prinzeps. Bereits im Besitz des  imperium proconsulare entbehrte Sejan nur noch der  tribuniciapotestas,  und er wäre offizieller Mitregent des Tiberius gewesen! Durch Antonia Minor und durch Männer aus dem Kreise des Sejan gewarnt, hat Tiberius noch einmal eine bemerkenswerte Energie an den Tag gelegt, Sejan wurde in einer Senatssitzung vom 18. Oktober 31 zum Tode verurteilt und alsbald hingerichtet. Durch die Regierung des Tiberius zieht sich wie ein roter Faden eine ganze Kette von  Majestätsprozessen.  Sie belasten den Prinzeps schwer, und es bleibt für immer der Vorwurf, daß Tiberius dem

Eifer der Delatoren in keiner Weise entgegengetreten ist. Tiberius hat hier die Pflichten seines Herrschertums in folgenschwerer Weise versäumt, er hat dadurch das Prinzipat mit einer Hypothek belastet, an der auch seine Nachfolger schwer zu tragen hatten. Die Tragik des Tiberius besteht darin, daß er zwar vom besten Willen beseelt war, ein gerechter Herrscher zu sein, daß aber gerade der Ausgang seiner Regierung eine Zeit schwerer Verfolgungen für den Senatorenstand gewesen ist. Gerade Tiberius hatte sich bemüht, dem Senat einen Anteil an der Regierung zu geben. Die Mühe war umsonst gewesen, denn die hohe Körperschaft war nicht mehr imstande, die ihr zugedachte Rolle zu übernehmen, sie überschlug sich, je länger desto mehr, in vollendeter Servilität. Auch die lange Abwesenheit des Prinzeps von der Hauptstadt war einer geordneten Regierung sehr hinderlich. Gegen Ende seines Lebens aber hatte Tiberius nahezu alles Interesse an der Regierung verloren, er pflegte keine Offiziere mehr zu ernennen, auch die Ergänzung des Ritterstandes war ihm gleichgültig geworden. Beim Tode des Prinzeps Tiberius (er starb am 16. März 37 in der ehemaligen Villa des Lucullus in Misenum) machte sich in Rom das Gefühl der Befreiung von einem wahren Alpdruck in spontaner Weise Luft, ähnlich wie in Preußen beim Tode Friedrichs d. Gr. im Jahre 1786. Das Imperium aber stand wohlgeordnet, nach außen gesichert gegen jeden Angriff. Im ganzen hatte das Prinzipat seine Belastungsprobe bestanden, das Volk hatte sich mit ihm abgefunden, Senat und Ritterschaft hatten sich ihm untergeordnet.

Als Nachfolger des Tiberius kam zunächst nur der einzige noch lebende Sohn des Germanicus in Betracht, Gaius Caesar, im Volksmund  Caligula  (<der kleine Kommißstiefel>) genannt. Als er am 28. März 37 feierlich in Rom einzog, umfing ihn allgemeiner Jubel, doch schlug diese Stimmung bald in das Gegenteil um. Tiberius hatte sich von seinem Großneffen nichts

Gutes versehen. Daß dieses Gefühl nicht getrogen hatte, sollte sich nur zu bald erweisen. Caligula zeigte sich zunächst sehr großzügig, das Geld des Staatsschatzes warf er mit vollen Händen hinaus, es gab zahlreiche Begnadigungen und Steuernachlässe verschiedenster Art. Der entscheidende Fehler des neuen Prinzeps aber war, daß er gar nicht daran dachte, sein Herrschertum als Verpflichtung aufzufassen, er war vielmehr ein Autokrat reinsten Wassers. Dabei muß offenbleiben, ob nicht gewisse schizophrene Züge seines Charakters für sein Verhalten maßgebend gewesen sind. Sein übersteigertes Selbstgefühl veranlaßte ihn dazu, nicht nur die göttliche Verehrung seiner eigenen Person, sondern auch die seiner Schwestern, vor allem der von ihm abgöttisch geliebten Drusilla, zu verlangen. Dazu enthüllte er in taktloser Weise die militärischen Grundlagen des Prinzipats. Er ließ sich  filius castrorum  und sogar  pater exercituum  nennen, er prägte Münzen mit den vier Adlern der Prätorianerkohorten und der Legende  adlocutio cohortium.  In den höheren Ständen wuchs die Unsicherheit, Senatoren und Ritter sahen sich von Verhaftungen, Konfiskationen und Hinrichtungen bedroht, so daß Verschwörungen gegen das Leben des Prinzeps nicht ausblieben. Das Komplott des Legaten von Obergermanien (exercitus superior)  Cornelius Lentulus Gaetulicus wurde entdeckt, die Verschwörer mußten sterben, zwei Schwestern des Caligula, Julia Agrippina und Julia Livilla, wurden als Mitwisserinnen verbannt. Am 24. Januar 41 fiel Caligula als das Opfer einer anderen Verschwörung in Rom, deren Haupt L. Annius Vinicianus gewesen war.