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Das größte Interesse aber brachten die Massen, wie in unserer Zeit, den sportlichen Veranstaltungen entgegen. Fast jede Stadt im Westen des Reiches hatte ihre Arena, viele besaßen Gladiatorenschulen. Über die Kolonien römischer Bürger ist das Gladiatorenwesen auch in den griechischen Osten eingedrungen, mochten sich auch einsichtige Griechen wie Plutarch dagegen wenden. Bei den Rennen bildeten sich regelrechte Parteien im Zirkus, die Begeisterung und mehr noch die Enttäuschung der Massen aber führte immer wieder zu Krawallen, die mit Polizeigewalt unterdrückt werden mußten. In Rom war es der Prinzeps, der die Spiele auszurichten hatte, die Magistrate der Hauptstadt hatten sich nach Maßgabe ihres Vermögens daran zu beteiligen. In den Munizipien und Kolonien aber waren die Spiele eine schwere Belastung für die  duoviri.  Besonders abstoßend waren die Gladiatorenkämpfe; sie waren aus den etruskischen Leichenspielen hervorgegangen, auf das Publikum wirkten sie geradezu faszinierend. In der Kaiserzeit traten gelegentlich ganze Kompanien von Gladiatoren auf, um historische Schlachten darzustellen. Ebenso unmenschlich wie die Gladiatorenspiele waren die Tierhetzen  (venationes).  In ihnen wurden wilde Bestien, Löwen, Leoparden, Bären, auf Verbrecher und Kriegsgefangene gehetzt, diese mußten ihnen gelegentlich sogar waffenlos gegenübertreten. Zur Einweihung des Kolosseums in Rom soll der Kaiser Titus nicht weniger als 9000 wilde Tiere aufgeboten haben.

Sehr viel harmloser war die griechische Agonistik. Sie lebte an den alten Kultstätten Griechenlands, vor allem in Olympia und Delphi, weiter, aber auch in den griechischen Städten Unteritaliens und Siziliens. Die Sieger wurden hoch geehrt, mit Immunitäten und dem Bürgerrecht vieler Städte ausgezeichnet. Doch wurden die Spiele fast ausschließlich von Berufsathleten beherrscht. Es existiert eine große Zahl von Ehreninschriften, deren Inhalt mit den rohen Gesichtern der auf den Steinen abgebildeten Athleten, der Boxer und Ringer, seltsam kontrastiert. Im übrigen hat aber die griechische Agonistik im Westen keinen großen Anklang gefunden.

Groß war die Begeisterung der Menge für die Künste des Theaters. Besonders zahlreich sind die Theaterbauten in Gallien, aber auch in Italien verfügten die meisten Kleinstädte über ein Theater, Pompeji hatte sogar deren zwei. Die Zeiten, in denen man die klassischen Tragödien und Komödien in ihnen aufgeführt hatte, waren freilich vorüber. Die Bühne wurde vom Mimus, dem volkstümlichen Schauspiel, beherrscht und noch mehr vom Pantomimus, dem Spiel ohne Worte, das von einem Orchester begleitet wurde. Beliebt waren mythologische und historische Stücke. Die Schauspieler genossen höchstes Ansehen und wurden durch zahlreiche Privilegien geehrt. Sowohl der Mimus wie vor allem der Pantomimus verzichtete auf jede erzieherische Wirkung, sie gingen zum Teil auf Sensation aus, um das Interesse der Zuschauer zu fesseln. Großer Beliebtheit erfreuten sich die Sänger und die musikalischen Virtuosen, Zitherspieler und Flötenbläser, für die man regelrechte Wettkämpfe ausschrieb. Die Popularität des Kaisers Nero erklärt sich vor allem aus seiner eifrigen Beteiligung an diesen Wettbewerben.

Die Agonistik und das Theaterwesen waren ebenso wie die Spiele und die Tierhetzen Angelegenheiten der Städte, das flache Land ging vollständig leer aus, seine Bewohner hatten weder an der Bildung noch am Vergnügen einen Anteil. Dieser Zustand führte zu einem sehr beträchtlichen Gefalle zwischen Stadt und Land. Außerdem war es der Landbevölkerung nicht möglich, am sozialen Aufstieg teilzunehmen. Wer vom Lande in die Stadt abwanderte, gehörte im allgemeinen zur untersten Schicht, dem Proletariat. Nur durch den Eintritt in das Heer war es auch den Einwohnern des flachen Landes möglich, zu einem bescheidenen Wohlstand, wenn auch erst nach einer langen beschwerlichen Dienstzeit, zu kommen. Gewiß haben einsichtsvolle Regierungen wie die des Kaisers Claudius versucht, für viele Tausende durch Koloniegründungen neuen Lebensraum zu schaffen, Bestrebungen, die später Trajan und Hadrian wieder aufgenommen haben; zu einer spürbaren Verbesserung der Lage der ländlichen Bevölkerung hat dies aber nicht geführt. Die Kultur des Reiches war und blieb eine städtische Kultur, auch die Wirtschaft arbeitete vorwiegend für den Bedarf der Städte, sie war auf Massenkonsum eingestellt, anderseits aber auch auf die Herstellung von Luxusgütern für die zahlenmäßig begrenzte Schicht der Oberen Zehntausend. Für die Entwicklung des Handels und des Warenaustausches ist der gesicherte Friede des Reichs die Voraussetzung. Die Luxuswaren ferner Länder, sogar Chinas und Indiens, und die Verbrauchsgüter aller Provinzen flossen in der Hauptstadt Rom zusammen. Getreide, Papyrus und Linnen aus Ägypten, Wolle und Holz von den Triften und Wäldern Kleinasiens, Mineralien aus Spanien, öl aus Syrien, Africa und Italien, Fischkonserven aus Spanien und Gallien - diese Waren und viele andere haben einen riesigen Absatz gefunden. Parallel zum Handelsverkehr vollzieht sich eine bedeutende Binnenwanderung von Menschen aller Provinzen des Reiches: Römer finden sich in der ganzen zivilisierten Welt, zahlreiche Syrer in den Provinzen des Westens, vor allem in Gallien, Griechen haben sich sogar in Britannien niedergelassen. Begünstigt wird der Handel durch die Existenz einer Reichswährung. Unter Julius Caesar hatte der Aureus den Charakter einer Reichsmünze angenommen, er galt 25 Denare oder 100 Sesterze. Bis in die neronische Zeit ist der Standard des Aureus stabil geblieben, im Gegensatz zum Silber, das inflationistische Tendenzen zeigt. (Der Feingehalt der Silbermünze ist in der zweiten Hälfte des 2. Jh. n. Chr. auf etwa 60 % abgesunken.) Für die Sicherheit der Reisewege hat das Imperium Vorbildliches geleistet. Räuber und Seeräuber sind selten geworden, die Reisezeiten hatten sich beträchtlich verkürzt: für die Seefahrt von Rom nach Alexandrien benötigte man 18 Tage, für eine Reise von Gades nach Ostia sieben Tage. Ganz besonders aktiv waren die römischen Kaiser in der Errichtung und Erneuerung der großen Reichsstraßen. Eine große Anzahl von Meilensteinen in Italien und in den Provinzen kündet von dem fortschreitenden Ausbau des Straßennetzes. Der Beförderung von Nachrichten und Personen in amtlichem Auftrag diente die Einrichtung des  cursus publicus.  Er war nach hellenistischpersischem Vorbild geschaffen worden und ist vor allem aus der späteren Kaiserzeit durch zahlreiche Quellenangaben bekannt. Wegen der Zölle hatte der Staat selbst das größte Interesse am Handel und Verkehr, er förderte ihn durch den Bau von Hafenanlagen, von Molen und Leuchttürmen. Die Wasserwege des Binnenlandes wurden durch den Ausbau von Kanälen verkürzt, manche auch erst wirklich schiffbar gemacht. Der größte Konsument im Reich aber war das  Heer.  Sein Bedarf war enorm, anderseits war das Heer auch ein bedeutender Produzent. Hierfür zeugen die Legionsstempel auf den Ziegelsteinen. Die Größe und Tragfähigkeit der Schiffe bewegten sich in aufsteigender Linie. Das Fahrzeug, das den Apostel Paulus nach Rom brachte, hatte nicht weniger als 276 Mann an Bord. Flavius Josephus ist, wenn man ihm Glauben schenken darf, mit einem noch viel größeren Schiff gefahren, es trug 600 Mann. Schwierige Transporte ließen sich auf dem Wasserwege besser durchführen als zu Lande: so hat der Prinzeps Caligula einen ägyptischen Obelisken zu Schiff nach Rom verfrachten lassen. Den Inhalt des Schiffes hat man auf mehr als 1000 Bruttoregistertonnen berechnet.

Will man sich von der wirtschaftlichen Verflechtung der verschiedenen Gebiete des Imperiums ein zutreffendes Bild machen, so muß man vor allem an den riesigen Güteraustausch denken, der im ganzen Reich geübt worden ist. Nur die wichtigsten Aspekte können hier in aller Kürze angedeutet werden. Ein unbestrittenes Monopol besaß das Bürgerland Italien nicht allein in der Ausfuhr von Wein, sondern zunächst auch im Export von Keramik. Ihre Fabrikationsstätten finden sich vor allem in Etrurien (Arretium) und in Campanien. Doch bildete sich schon in der ersten Kaiserzeit in Gallien eine ernsthafte Konkurrenz, vor allem in La Graufesenque im Süden und in Lezoux in Zentralgallien. Sie hat sich mit der Zeit weite Absatzgebiete in Germanien, insbesondere in den Ortschaften am Limes, aber auch in Österreich und schließlich sogar in Italien erschlossen. Anderseits sind Funde arretinischer Keramik in der frühen Kaiserzeit sogar bis nach Vorderindien (Arikamedu bei Pondicherry) nachgewiesen. Mit dem Fernhandel verbindet sich ein verstärkter Reiseverkehr. Es gab Gilden von Fuhrunternehmern  (cisiarii),  es gab auch Gasthäuser, zumeist sehr bescheidene; über Unrat, schlechtes Essen und betrügerische Wirte wurde vielfach Klage geführt. Wie schon zur Zeit des Solon und des Herodot reiste man auch in der Kaiserzeit nicht nur aus merkantilen, sondern auch aus persönlichen Motiven. Zahlreiche Römer besuchten Griechenland mit seinen hochberühmten Kunststätten Athen, Delphi und Olympia. Manche kamen sogar bis nach Ägypten und fuhren den Nil aufwärts bis nach Theben in Oberägypten. Germanicus und Hadrian haben das Memnoneion aufgesucht, und eine vornehme Dame im Gefolge Hadrians, Julia Balbilla, hat sogar ihre Gedichte dort verewigen lassen. Von einem modernen Naturgefühl findet sich freilich in der Kaiserzeit nur wenig, es war eine Ausnahme, wenn der Kaiser Hadrian nicht nur den Berg Ätna, sondern auch den  Mons Casius  in Syrien bestiegen hat, um auf freier Bergeshöhe den Sonnenaufgang zu erleben.