Выбрать главу

»Verflucht sei der, der den Räuber zum Schatzmeister macht und der den Abtrünnigen zum Herrscher über Moslemin erhebt!«

Mit unsäglicher Freude, aber doch vor Angst und banger Spannung bebend, erkannte Hartley die Stimme des älteren Fakirs. Tippu schien sich an diese Unterbrechung nicht zu kehren. Er betrachtete sie als die Verrücktheit eines frommen Eiferers, denen die mohammedanischen Fürsten große Freiheiten gestatten.

Als die Ruhe wieder eingetreten war, erhob sich Middlemas, verneigte sich vor dem Prinzen und sprach in einer auswendig gelernten Rede seine Unwürdigkeit zu dem ihm erteilten Amte aus und erklärte seinen Eifer und seine Hingebung für den Fürsten.

Er war im Begriff, noch etwas hinzuzusetzen, aber die Sprache versagte ihm hier, er stammelte und verstummte.

Rasch fiel ihm die Begum ins Wort.

»Mein Befehlshaber wollte sagen,« rief sie, »daß ich nicht in der Lage bin, für eine so große ihm übertragene Ehre zu danken, ich kann nur bitten, Eure Hoheit möge sich herablassen, eine Lilie aus Frangistan anzunehmen, die in dem fernsten Winkel Eures Harems zu Eurer Lust bereit sein soll. Die Wachen meines Gebieters mögen die Sänfte dort wegtragen.«

Der Schrei einer weiblichen Stimme ließ sich vernehmen. als die Wachen Tippu Sahibs auf seinen Wink hin an die Sänfte traten.

Da erklang von neuem die Stimme des alten Fakirs lauter und grimmiger als zuerst.

»Verflucht ist der Fürst, dem die Gerechtigkeit um Wollust feil ist. Er wird fallen in seinen Toren unter dem Schwerte des Fremden.«

»Das ist zu unverschämt!« fuhr Tippu auf. »Bringt diesen Fakir her, die Peitschen sollen ihm den Rücken zerfleischen!«

Aber die Diener, die hinzueilten, den Befehl des Tyrannen auszuführen, stürzten vor dem Fakir zu Boden wie vor dem Engel des Todes.

Er warf seine Kapuze und seinen falschen Bart von sich, und das wütende Antlitz Tippus zeigte sofort den Ausdruck der Unterwürfigkeit, als es dem finstern und furchtbaren Auge seines Vaters begegnete.

Einundzwanzigstes Kapitel

Auf einen Wink Haidar Alis stieg Tippu vom Throne herab, den nun der Vater einnahm, der an Stelle des zerrissenen Kaftans einen purpurnen Mantel und den königlichen Schmuck anlegte.

Rings in der Versammlung und in der Menge wurde der Zuruf laut:

»Heil dem Guten, dem Weisen, dem Entdecker verborgener Dinge, der unter die Seinen tritt, wie die Sonne durch die Wolken bricht.«

Der Nawwab gebot zuletzt Schweigen, dann schaute er majestätisch um sich und sah auf Tippu, der mit zu Boden gesenktem Blick und gekreuzten Armen, wie eines Urteils harrend, vor ihm stand. Seine Haltung bot jetzt einen starken Gegensatz zu dem stolzen Herrscherwesen, daß er eben noch zur Schau getragen hatte.

»Du hast die Sicherheit,« sagte der Nawwab zu ihm, »die Sicherheit deiner Hauptstadt verkauft um den Besitz einer weißen Sklavin, allein auch Salomo hat die Schönheit eines Weibes zum Straucheln gebracht. Wie hätte der Sohn Haidar Alis der Versuchung widerstehen können? – Damit aber die Menschen hell sehen, müssen wir das Licht entfernen, das ihnen die Augen blendet. – Das Feringi-Weib muß mir überlassen werden.«

»Hören ist gehorchen«, antwortete Tippu.

»Übergebt es dort dem Feringi Hartley, der es zurückbringen mag in sein Land. Das Geleit, das ich ihnen mitgebe, bürgt mit den Köpfen für ihre Sicherheit. – Was dich betrifft, Tippu, so bin ich nicht gekommen, vor dieser hohen Versammlung dir das Wort zu nehmen. Was du dem Feringi versprochen hast, sollst du erfüllen. Die Sonne nimmt den Glanz nicht zurück, den sie dem Mond gegeben, der Vater verdunkelt nicht die Würde, die er dem Sohne übertragen. Was du verheißen hast, vollbringe!«

Die Feierlichkeit der Amtserteilung nahm ihren Fortgang. Middlemas unterzog sich ihr mit klopfendem Herzen und hegte noch die geheime Hoffnung, daß er den Vater wie den Sohn hintergehen könnte.

Die Höflinge brachten dem neuernannten Killedar ihre Glückwünsche dar, und priesen die kluge Wahl Tippu Sahibs.

Nun kam das bei solchen Gelegenheiten in Indien übliche Geschenk, ein Elefant, den der neue Kommandant besteigen sollte.

Das gigantische Tier stand vor dem Pavillon, schüttelte den riesigen, runzligen Kopf und hob und senkte ungeduldig den gewaltigen Rüssel.

Richard Middlemas, sehr zufrieden mit der Audienz, war im Begriff, den Elefanten zu besteigen und wartete, am Halses des Tieres stehend, daß der Führer es niederknien ließe, als Haidar Ali die Hand hob.

»Halt, Feringi,« sagte er, »dir ist alles geworden, was die Güte Tippus dir verheißen. Empfange nun auch den wohlverdienten Lohn Haidars.«

Mit diesen Worten winkte er mit dem Finger, und der Führer des Elephanten ließ dem so gegebenen Befehle sogleich die Tat folgen.

Das Ungetüm schlang den mächtigen Rüssel um den Hals des unglücklichen Europäers, hob ihn empor, schleuderte ihn zu Boden, stampfte ihm den großen unförmigen Fuß auf die Brust und machte so mit eins seinem Leben und seinen Freveltaten ein Ende.

Der Schrei, den das Opfer ausstieß, fand ein Echo in dem Kreischen, das hinter dem Schleier der Begum hervordrang.

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Die Höflinge saßen in tiefem Schweigen. Tippu aber, auf dessen weißes Gewand ein paar Blutflecke gespritzt waren, hielt dieses furchtbare Zeichen der vollzogenen Hinrichtung, seinem Vater hin und rief:

»Vater, Vater, hältst du so dein Versprechen?«

»Wisse, schönster Knabe,« erwiderte Haidai Ali, »der dort als Leichnam liegt war beteiligt an einer Verschwörung, durch die Batigalur den Feringis ausgeliefert werden sollte. Die Begum hat uns davon in Kenntnis gesetzt, und nur deshalb mag ihr verziehen sein, daß sie im Anfang daran teilnahm. – Bringt diesen leblosen Klumpen weg.«

Dann wandte er sich an Hartley.

»Feringi,« sagte er, »kehre zurück mit der Entführten und sage deinem Volke, daß Haidar Ali gerecht ist.«

Hartley erreichte glücklich mit dem ihm anvertrauten teuern Gute die Küste. Er hatte seine Geliebte von einem furchtbaren Schicksal errettet, als schon keine Hoffnung mehr auf Rettung zu sein schien.

Aber Marie Grays Gesundheit hatte unter den Schrecknissen der letzten Tage zu sehr gelitten. Sie verfiel in eine Nervenkrankheit, an der sie lange Zeit darniederlag und von der sie sich nie wieder ganz erholte.

Was aus der Begum Montreville geworden ist, ist nicht bekannt. Ihr ganzes Besitztum würde von Haidar Ali konfisziert, sie soll Macht und Einfluß völlig verloren haben und später an Gift gestorben sein. Ob sie es sich selbst beibrachte oder ob ein andrer es ihr in mörderischer Absicht reichte, läßt sich nicht sagen.

Der Leser dürfte als natürlichen Schluß erwarten, daß Marie Gray ihren Retter Hartley heiratete, aber ihre Gesundheit war viel zu sehr erschüttert, als daß sie an eine eheliche Verbindung hätte denken können. Vielleicht hätte die Zeit alles wieder geheilt und zu diesem Ende geführt, aber zwei Jahre nach den Abenteuern in Maisur fiel der mutige und, uneigennützige Hartley seiner Unerschrockenheit als Arzt zum Opfer: er starb an der Pest.

Marie Gray ehrte sein Andenken und entsagte jedem Gedanken, jemals noch einem andern die Hand zu geben, die er so wohl verdient und – man kann wohl sagen – auch errungen hatte. Sie kehrte nach England zurück und lebte zurückgezogen und einsam. Ihr Dasein schien sich abzuspielen wie das der römischen Matronen, das in einer antiken Grabschrift mit den Worten gekennzeichnet wird:

Domi mansit – lanam fecit

[Sie blieb zu Hause und spann Wolle]