Der Vater hatte gegen solchen Plan nichts einzuwenden, aber als er bei dem nächsten Diner, das er bei dem Ministerpräsidenten einnahm, diesem Herrn Kenntnis von dem Vorschlage des Bruders gab, da schnitt der hohe Herr ein gar ernstes Gesicht und bemerkte, die politischen Ansichten Sir Everards bewegten sich doch auf so ungesundem Boden, daß es ganz ungeraten sei, einen jungen Mann unter Obhut eines Lehrers auf das Festland reisen zu lassen, der doch gewiß in den Anschauungen des Oheims fuße. Es sei deshalb seiner Meinung nach klüger, falls sich sein Sohn damit einverstanden erklären könne, für ihn um einen Offiziersposten bei einem eben aus Flandern heimgekehrten Dragonerregiment bei Seiner Majestät, die ja doch, wie der Minister bestimmt versichern könne, dem Herrn Richard Waverley in Gnaden gewogen sei, einzukommen. Solcher auf solche Weise gegebne Wink durfte nicht unbeachtet gelassen werden, wollte man sich nicht einer Ungnade aussetzen, und so entschied Richard Waverley, auf die Gefahr hin, das Mißfallen seines Bruders zu erregen, daß der vom Minister ausgesprochen Meinung gemäß zu verfahren sei.
In zwei kurz aufeinander folgenden Schreiben wurde Sir Everard und dem Junker Kenntnis hiervon gegeben, dem letztern ohne Umschweife hierbei mitgeteilt, welche Vorbereitungen er zu treffen habe, um sich zu seinem Regiment zu begeben. Seinem Bruder mußte Richard Waverley ausführlicher auseinandersetzen, auf welche Weise er zu der Wandlung seiner ersten Meinung gekommen sei, und daß es ihm um so schwerer falle, sich in Meinungsverschiedenheit zu setzen, als er doch dankbarlichst anzuerkennen habe, welche Opfer sein Bruder der Erziehung seines Sohnes gebracht habe, und wie er sich jetzt wieder bereit erkläre, den Sohn mit den nötigen Reisegeldern zu versehen, daß es ihm aber in keinem Falle möglich sei, die vom Minister ausgesprochene Anschauung zu ignorieren oder gar sich in Widerspruch zu ihr zu setzen; aus diesem Grunde müsse er zu seinem Bedauern von seinem Sohne fordern, daß er sich dem Plane, den sein bester Freund und Wohltäter für ihn entworfen habe, nicht unterordne, sondern sich dem Willen des Vaters füge, zumal Seine Königliche Majestät selbst die Frage zu stellen geruht habe, warum sein Sohn denn als ein Waverley sich überhaupt noch nicht selbst zum Dienste in der königlichen Armee gemeldet habe.
Sir Everard las diese Mitteilung unter mancherlei Empfindungen. Er selbst hatte sich, wie schon erwähnt nach dem Siege der hannoverischen Partei aus dem Parlamente zurückgezogen, und sein persönliches Verhalten in dem denkwürdigen Jahre 1715 war nicht ganz einwandsfrei gewesen. Es ging die Rede von heimlichen Ritten im Waverley-Forst, von Musterungen daselbst bei Mondschein und von Kisten voller Waffen und Munition, die in Holland für Rechnung des Schloßherrn von Waverley gekauft worden seien, die aber ein vigilanter Zollwächter ausspioniert habende, dann später von einer Schar handfester Freisassen in finstrer Nacht auf ausgespanntem Segelleinen auf und nieder gewippt worden sei, bis er nicht mehr habe japsen können. Ja, es hieß sogar, daß man bei der Festnahme des Sir W... W..., des Hauptes der torystischen Partei, in dessen Rocktasche ein Schreiben Sir Everards aufgefunden habe; da man sich jedoch auf keinen bestimmten Fall habe beziehen können, hatte die Regierung es für angemessen erachtet, nach Niederwerfung des Aufstandes ihr Strafgericht nicht weiter zu erstrecken, als über diejenigen Aufwiegler, die mit den Waffen in der Hand ergriffen worden waren.
Seitdem war Sir Everards jakobitische Gesinnung, wenn auch nicht erstorben, so doch wesentlich herabgemindert worden, einem Feuer vergleichbar, dem es an Brennstoff fehlt. Und hin und wieder fing er an, sich mit den Grundsätzen der Torypartei näher und eingehender zu befassen, als ihm dies in früherer Zeit hätte als möglich erscheinen können. Immerhin wollte er sich mit dem Gedanken gar nicht befreunden, daß sein Neffe in eben jenem braunschweigischen Heere dienen sollte, das so viel Unheil über sein engeres Vaterland gebracht hatte. Die Anstrengungen, die er machte, sich mit diesem greulichen Gedanken zu befreunden, zogen ihm Anfälle von Gicht und Podagra zu, aber schließlich ließ er sich die Armeeliste reichen, und als er nun darin fand, daß sie Abkömmlinge aufzähle von Geschlechtern wie Mordaunt, Granville und Stanley, da fing sich der alte Waverley-Geist auch in ihm zu regen an, und der alte Geschlechts- und Waffenstolz kehrte auch ein in sein friedlicher veranlagtes Gemüt, und so schloß er endlich mit einer an Falstaff erinnernden Logik, daß es zwar schimpflich sei, wenns Krieg gebe, sich auf keine Seite zu schlagen, daß es aber noch schimpflicher sei, untätig zu bleiben, selbst wenn sich die schlimmere Seite als Auflehnungspartei zu erkennen gäbe.
Für Tante Rachel hatte ihr Plan jedoch nicht dasjenige Ende genommen, das sie gewünscht hatte. Indes mußte auch sie sich den Umständen fügen. Ihr Kummer wurde teilweis gelindert durch die angenehme Aufgabe, für den Neffen all die Zurüstungen zu treffen, die für diesen Kriegsdienst notwendig waren, und ihn nun bald in seiner schmucken Uniform glänzen zu sehen, war ein großer Trost für sie.
Edward nahm diese unerwartete Nachricht mit lebhafter Unruhe und Unschlüssigkeit entgegen, während das Bild von Miß Cäcilie Stubbs unter all dem Lärmen und Poltern entwich, das der Gedanke an die neue Laufbahn, die ihm bevorstand, in seinem Gemüt verursachte. Aber an dem Sonntage, an dem Edward seinen letzten Kirchgang machte, da fand sich auch Cilchen Stubbs in der alten Pfarrkirche ein im vollen Glanz ihrer Schönheit, aber, ach! trotzdem sie in ihres Vaters Kirchenstuhle saß und alle Kunst aufgeboten hatte, die sich durch Reifrock und Locken mit Schminkpflästerchen entfalten läßt, so wollte doch alles nicht zünden bei einem jungen Dragoneroffizier, der zum ersten Male in seinem Leben den goldnen Tressenhut und die Kavalierstiefel trägt und den Schleppsäbel umhat. Es ist mir höchst schmerzlich, daß ich mich so schnell wieder von der schönen Cäcilie Stubbs verabschieden muß, aber ich darf mich damit trösten, daß sie sich, wie manch andre Evastochter auch, nach Edwards Abreise zu seinem Regiment schnell zu trösten wußte, und ihre Hand nach Verlauf eines halben Jahres dem Sohne des Verwalters der Waverley'schen, Güter, dem braven Jonas, schenkte, der die sichere Aussicht hatte, seinem Vater als Vermögenserbe, und die nicht minder sichere Aussicht, ihm auch in dem ganz einträglichen Amte als Verwalter zu folgen. Diese erheblichen Vorteile und nicht minder die kernige Gesundheit des jungen Mannes bestimmten den Squire, es bezüglich der Herkunftsrücksichten nicht allzu scharf zu nehmen, sondern sein Jawort zu dem Antrage des jungen Mannes zu geben. Niemand war hierüber froher als Tante Rachel, die das dreiste Ding lange Zeit immer nur von der Seite angesehen hatte, so wenig sich das im Grunde mit ihrer Gutherzigkeit vertragen mochte, aber gleich am ersten Tage nach der Hochzeit der jungen Frau Jones mit einem herzlichen Lächeln und tiefen Knickse begegnete, obendrein noch vor den Augen des Oberpfarrers, des Diakonen, des Küsters und aller Gemeinderatsmitglicher und Dorfältesten!