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»Ein erstaunlich pfiffiger Plan,« sagte Fitzurse, »scheint auch nicht ganz Euers eigenen Geistes Erzeugnis. – Wohlan, Bracy, seid aufrichtig! Wer hat Euch dieses Komplott schmieden helfen und wer will es Euch ausführen helfen, denn mir scheint, Eure Bande liegt nicht weit von York?«

»Wenn Ihrs denn durchaus wissen müßt,« antwortete de Bracy, »der Templer Brian de Bois-Guilbert hat den Plan ausgeheckt, und er will mir bei der Ausführung behilflich sein, er und sein Gefolge stellen die Räuber dar, aus deren Gewalt mein tapferer Arm die Dame befreien soll.«

»Meiner Treu, der Plan macht Eurer beiderseitigen Weisheit Ehre, und Ihr selber, Bracy, gebt den besten Beweis für Eure Schlauheit damit, daß Ihr die Schöne in den Händen Eures Helferhelfers lassen wollt. Ihren sächsischen Freunden könnt Ihr sie leicht wegschnappen, wie aber wollt Ihr sie nachher den Klauen Bois-Guilberts wieder entreißen? Das scheint mir doch bedeutend schwieriger. – Er ist ein Falke, der es heraus hat, auf ein Rebhuhn zu stoßen und seine Beute festzuhalten.«

»Er ist ein Templer,« versetzte de Bracy, »und deshalb kann er nicht mit mir um die Hand dieser Erbin streiten, noch überhaupt etwas Schändliches gegen die zukünftige Braut Bracys vornehmen. Beim Himmel! Und wäre er der ganze Orden in einer Person, eine solche Beleidigung dürfte er nicht wagen.«

»Weil Euch denn doch nichts,« erwiderte Fitzurse, »diesen Blödsinn aus dem Kopfe treiben kann, was ich auch sagen mag – denn ich weiß, was für einen harten Schädel Ihr habt – so haltet Euch wenigstens nach Möglichkeit dazu, damit Eure Torheit nicht ebenso störend wirkt, wie sie zur Unzeit kommt.«

»Ich sage Euch doch,« antwortete Bracy, »in ein paar Stunden ist es getan. Dann bin ich in York an der Spitze meiner kühnen und tapferen Schar bereit, mich an jedem Vorgehen zu beteiligen, soweit es mit meiner Klugheit vereinbar ist. – Doch ich höre, daß sich meine Genossen im Hofe sammeln. Schon stampfen und wiehern die Pferde. Lebt wohl! Ich ziehe aus wie ein echter Ritter, meiner Schönen ein Lächeln abzugewinnen!«

Waldemar Fitzurse sah ihm nach. »Wie ein echter Ritter?« wiederholte er. »Wie ein echter und rechter Narr, oder wie ein Kind, das vom notwendigsten und ernstesten Tun abläßt, um einer Distel nachzuhaschen, die der Wind an ihm vorübertreibt. Und mit solchen Werkzeugen muß ich arbeiten, und für wen? Für einen ebenso unklugen wie ausschweifenden Prinzen, der leicht ein so undankbarer Herr sein kann, wie er ein rebellischer Sohn und unnatürlicher Bruder war. – Doch er, er selber ist ja nur eines von meinen Werkzeugen, und wenn er noch so stolz ist, sollte es ihm jemals einfallen, seinen Vorteil zu suchen und meinen dabei außer acht zu lassen, so will ich ihm die Augen öffnen.«

Der Staatsmann wurde in seinen Betrachtungen unterbrochen durch die Stimme des Prinzen, der ihn aus einem an den Saal anstoßenden kleineren Gemach zu sich rief.

Die Mütze in der Hand ging der künftige Kanzler (denn nach diesem Amte trachtete der listige Normanne) zu seinem künftigen Souverän, neue Befehle zu empfangen.

Vierzehntes Kapitel

Der Leser wird sich erinnern, daß das Turnier hauptsächlich durch die Kühnheit eines unbekannten Ritters entschieden worden war, den das Publikum wegen seines gleichgültigen und gelassenen Wesens Le Noir-Fainéant genannt hatte. Als der Sieg entschieden war, hatte dieser Ritter plötzlich den Kampfplatz verlassen, und als er durch Trompetenstoß gerufen wurde, um den Lohn seiner Tapferkeit zu empfangen, war er nirgends zu finden. Der Ritter hatte sich nordwärts gewendet und alle betretenen Pfade vermeidend, den kürzesten Weg durch den dichten Forst eingeschlagen. In einer kleinen Herberge übernachtete er. Sie lag abseits von der Heerstraße, er erhielt aber Kunde von dem Ausgange des Turniers durch einen fahrenden Sänger.

Früh am kommenden Morgen brach der Ritter auf, denn er gedachte eine weite Reise zu tun. Er hatte sein Pferd geschont, so daß es dazu gut imstande war und nicht oft der Ruhe bedurfte. Allein sein Plan scheiterte an den verschlungenen Pfaden, die er einschlug, und als der Abend hereinbrach, befand er sich noch immer im Westen von Yorkshire. Mann und Pferde bedurften der Erquickung, und es war Zeit, sich nach einem Nachtlager umzusehen, denn es dämmerte schon. Die Stätte, wo sich der Reiter grade befand, bot ihm wenig Aussicht auf Obdach und Erfrischung, und es schien ihm nichts anderes übrigzubleiben, als es wie die fahrenden Ritter zu machen, die ihr Pferd im Walde grasen lassen, sich selbst aber auf einen Baumstamm hinstrecken, um süßen Gedanken an die Dame ihres Herzens nachzuhängen.

Allein entweder hatte der schwarze Ritter kein Liebchen oder er war in Sachen der Minne ebenso kaltblütig wie im Kampfe und konnte deshalb keine Betrachtungen über der Allerliebsten Schönheit und Grausamkeit anstellen, die ihn vielleicht dermaßen in Anspruch hätten nehmen mögen, daß er Hunger und Ermattung und den Mangel eines Bettes und Nachtmahles darüber vergessen hätte. Sein Mißbehagen wuchs noch, als er sich rings von Wäldern umschlossen sah, die zwar von Gestellen und Pfaden durchquert waren, doch nur für die zahlreichen Viehherden, die hier zur Weide gingen, und für das Wild und seine Jäger gebahnt zu sein schienen.

Die Sonne, die der einzige Wegweiser des Reiters gewesen war, ging jetzt hinter den Hügeln von Derbyshire zur Küste, und bei jedem Versuch, seine Reise fortzusetzen, konnte er sich ebensogut verirren wie vorwärts kommen. Nachdem er vergebens versucht hatte, den am meisten ausgetretenen Pfad zu verfolgen, in der Hoffnung, auf ihm zur Hütte eines Bauern oder eines einsamen Waldhüters zu gelangen, und nachdem er sich klar darüber geworden war, daß er auch nicht aufs Geratewohl weiterreiten konnte, entschloß er sich, der Klugheit seines Pferdes zu vertrauen, denn die Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß diese Tiere einen wunderbaren Instinkt besitzen, sich und ihren Reitern aus derartigen mißlichen Lagen herauszuhelfen. Und kaum merkte das gute Pferd, das von der langen Reise unter einem Ritter in voller Rüstung erschöpft war, an den lockeren Zügeln, daß es sich selber überlassen war, so wachten Kraft und Mut frisch in ihm auf. Vorher hatte es jeden Druck der Sporen mit einem Ächzen beantwortet, jetzt aber, stolz über das ihm erwiesene Vertrauen, spitzte es die Ohren und fiel in eine flottere Gangart. Dabei schlug es einen Pfad ein, der von dem bisher vom Ritter verfolgten Weg abbog, er ließ es aber traben. Es zeigte sich, daß er recht daran tat, denn kurz darauf erweiterte sich der Fußpfad zu einem anscheinend mehr begangenen Wege – und der Klang eines Glöckchens ließ den Ritter vermuten, daß eine Kapelle oder Einsiedelei in der Nähe wäre.

Er langte denn auch bald an einer Lichtung an, die von einem jäh aus heiterer Ebene aufsteigenden Felsen begrenzt wurde, der dem Reisenden die graue verwitterte Stirn wies. An manchen Stellen bekleidete Efeu die Wände, an anderen standen Eichen und Gestrüpp, deren Wurzeln in den Felsspalten Nahrung fanden. Wie ein Federbusch über dem Helme eines Kriegers, also die Anmut dem Schrecken anschmiegend, wehte das Grün über dem Abgrunde. Am Fuße des Felsens und an ihn gelehnt, lag eine rauhe, aus Baumstämmen des Forstes gezimmerte Hütte, deren Fugen, zum Schutze gegen das Wetter, mit Moos und Lehm verstopft waren. Davor stellte der Stamm einer jungen Fichte, des Astwerkes beraubt, ein rohes Sinnbild des heiligen Kreuzes dar. Ein Stück seitab nach rechts floß ein Quell des reinsten Wassers aus dem Felsen, das in einem zu einem Becken geformten Steine aufgefangen wurde und dann in einem ausgehöhlten Kanal rauschend sich im Walde verlierend zu Tal floß.

Neben dieser Quelle standen die Ruinen einer kleinen Kapelle, deren Dach schon halb verfallen war. Als das Häuslein noch völlig erhalten war, hatte es sechzehn Fuß in der Höhe und zwölf in der Breite gehabt. Das im Verhältnis niedrige Dach war von vier ineinanderlaufenden Bogen gestützt, die an den vier Ecken des Gebäudes aufstiegen und deren jeder auf einem kurzen starken Pfeiler ruhte. Von zweien dieser Bogen waren die Rippen stehengeblieben, obgleich das Dach zwischen ihnen eingesunken war, das über den anderen noch unversehrt war. Der Zugang zu dieser viele Jahre alten Stätte der Andacht lag unter einem niedrigen, runden Bogen, der mit einer Reihe jener gezackten Spitzen verziert war, die den Haifischzähnen gleichen und sich oft an alten sächsischen Kirchen vorfinden. Über dem Vorhofe ragte ein auf vier schmalen Pfeilern errichteter Glockenstuhl empor. Darin hing ein mit Grünspan überzogenes, verwittertes Glöcklein, dessen schwache Klänge der schwarze Ritter soeben vernommen hatte.