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Das ganze ruhig-friedliche Bild lag im Zwielicht schimmernd vor den Augen des fahrenden Ritters und verhieß ihm ein Obdach für die Nacht, denn eine der ersten Pflichten solcher im Walde hausender Einsiedler war die Gastlichkeit gegen verirrte und verspätete Wanderer. Der Ritter vergeudete daher nicht die Zeit mit der Betrachtung all dieser Einzelheiten, sondern dankte dem heiligen Julian, dem Schutzpatron der Reisenden, für die ihm so gewiesene Herberge, dann sprang er vom Pferde und klopfte mit dem Ende seiner Lanze an die Pforte der Einsiedelei, um Einlaß zu begehren. Aber es dauerte ein ganzes Weilchen, bis eine Antwort kam, und die dann kam, lautete auch noch abweisend.

»Zieh vorüber, wer du auch seiest,« rief eine tiefe, rauhe Stimme aus der Hütte. »Störe nicht den Diener Gottes und des heiligen Dunstan in seiner Abendandacht.«

»Würdiger Vater,« entgegnete der Ritter, »ein armer Wanderer, der sich in den Wäldern verirrt hat, gibt dir Gelegenheit, deine Barmherzigkeit und Gastfreundschaft zu betätigen.«

»Guter Bruder,« erwiderte der Insasse der Einsiedelei, »es hat unserer lieben Frauen und dem heiligen Dunstan gefallen, mich eher selber solcher Barmherzigkeit bedürftig zu machen, als daß ich sie irgendwem erweisen könnte. Ich habe keine Speise hier, die auch nur ein Hund mit mir teilen möchte, und selbst ein Pferd, das gute Behandlung gewöhnt ist, würde meine Lagerstatt verschmähen. Zieh denn deines Weges weiter und Gott geleite dich.«

»Wie soll es aber möglich sein,« wandte der Ritter ein, »daß ich mich durch einen so dichten und dunkeln Wald zurechtfinden soll? Ich bitte Euch, ehrwürdiger Vater, wenn Ihr ein Christ seid, so macht auf und bringt mich wenigstens auf den richtigen Weg.«

»Und ich, guter Bruder in Christo,« war die Antwort des Anachoreten, »bitte Euch, störet mich nicht länger. Schon habt Ihr ein Paternoster, zwei Aves und ein Credo unterbrochen, die ich armer Sünder meinem Gelübde nach schon vor Mondaufgang hätte beten müssen.«

»Den Weg, den Weg!« rief der Ritter nun etwas ungestüm, »wenn ich mich von dir keines weiteren Entgegenkommens zu versehen habe.«

»Der Weg,« versetzte der Eremit, »ist leicht zu finden. Dieser Pfad führt aus dem Walde heraus zu einem Morast und weiterhin zu einer Furt, Ihr werdet sie jetzt begehen können, denn der Regen hat nachgelassen. Wenn Ihr durch die Furt hindurch seid, so haltet Euch am linken Ufer und seht Euch vor, denn es ist da steil, und der am Abgrund über dem Flusse hinführende Steg ist, wie ich neulich gehört habe, an mehreren Stellen eingestürzt. Von da ab braucht Ihr nur geradeaus zu reiten.«

»Ein eingestürzter Steg – ein Abgrund – eine Furt und ein Morast!« unterbrach ihn der Ritter. »Nein, Herr Einsiedler! Und wäret Ihr der Heiligste, der je einen Bart getragen oder Gebete gesprochen hat, Ihr sollt mich nicht beschwatzen, daß ich in dieser Nacht noch solch einen Weg reite. Ich sage dir, der du von der Barmherzigkeit in dieser Gegend lebst, die du mir schlecht zu verdienen scheinst, – ich sage dir, du hast kein Recht, dem Wanderer in der Not eine Zuflucht zu versagen. Mach auf der Stelle auf, sonst, bei dem heiligen Kreuz, schlag ich dir die Tür ein und erzwinge mir den Eingang.«

»Guter Wanderer,« entgegnete der Eremit, »sei nicht unverschämt. Wenn du mich zwingst, zu meiner Verteidigung weltliche Waffen zu benutzen, so wirst du schlecht dabei fahren!« Und während er so sprach, ließ sich ein Heulen und Knurren vernehmen, aus dem der Ritter schloß, daß der Einsiedler, über die Drohung des Ritters erschrocken, seine Hunde herbeigerufen hatte. Aufgebracht über ein so ungastliches Benehmen des Eremiten, hob der Ritter den Fuß und stieß so ungestüm gegen die Tür, daß sie in ihren Pfosten bebte. Der Anachoret, der seine Tür nicht einem zweiten so wuchtigen Stoß aussetzen wollte, rief jetzt laut: »Geduld, Geduld! Spare deine Kraft, guter Wanderer. Ich mache schon auf, obgleich du wenig Freude daran haben wirst.«

Nun wurde die Tür geöffnet, und der Eremit, ein stattlicher, kraftvoll gebauter Mann, in einer Kutte mit Kapuze, einen Strick von Binsen um den Leib, stand vor dem Ritter. In der einen Hand hielt er eine brennende Fackel, in der anderen einen Knüttel vom wilden Apfelbaum, der so dick und wuchtig war, daß man ihn wohl eine Keule hätte nennen können. Zwei große, zottige Hunde, halb Windhund, halb Bullenbeißer, standen neben ihm, bereit, über den Wanderer herzufallen, sobald die Tür geöffnet wurde. Als aber das Licht der Fackel auf die Rüstung des draußen stehenden Ritters fiel, änderte der Eremit seine Absicht, hielt seine Verbündeten zurück, redete den Ritter im Tone bäuerischer Höflichkeit an und bat ihn, einzutreten, entschuldigte seine Angefälligkeit damit, daß soviel Räuber und Geächtete in der Gegend ihr Wesen trieben und daß dieses Gesindel weder den heiligen Dunstan noch die heilige Jungfrau und noch weniger die heiligen Männer, die ihr Dasein dem heiligen Dienste widmeten, zu respektieren pflegte. Der Ritter sah sich um. Er entdeckte nichts als ein Lager von Laub, ein hölzernes Kruzifix, das aus Eichenholz grob geschnitzt war, und einiges ebenso grobes Gerät.

»Die Armut Eurer Zelle, guter Vater,« sagte er, »sollte Euch hinlängliche Gewähr sein gegen die Angriffe von Dieben, ganz zu schweigen von den beiden gewaltigen Hunden, die groß und stark genug sind, einen Hirsch niederzuwerfen, und es mit mehreren Männern zugleich aufnehmen können.«

»Der Waldhüter,« antwortete der Eremit, »hat mir diese Hunde zum Schutze für meine Einsamkeit überlassen, bis die Zeiten besser werden.« Nach diesen Worten steckte er die Fackel in ein Stück gedrehtes Eisen, das ihm als Leuchter diente, setzte den eichenen Tisch an den Herd, legte etwas trockenes Holz an, schob einen Stuhl an den Tisch und forderte den Ritter auf, ein gleiches zu tun. Sie setzten sich und betrachteten einander eingehend, und ein jeder mochte wohl bei sich denken, daß er selten eine kräftigere Athletengestalt gesehen hatte, als ihm jetzt gegenübersaß.

»Ehrwürdiger Einsiedler,« begann der Ritter, nachdem er ihn lange und unverwandt angeschaut hatte, »wenn ich Euch in Eurer Andacht nicht störe, so hätte ich gern dreierlei von Euch erfahren. Erstens: wo soll ich mein Pferd hinstellen? Zweitens: was kann ich zum Abend zu essen bekommen? Drittens: wo kann ich diese Nacht schlafen?«

»Darauf werden meine Finger Euch die Antwort geben,« versetzte der Einsiedler, »denn meine Ordensgesetze verbieten mir zu sprechen, wo ich mit Zeichen auskommen kann.« Und mit diesen Worten deutete er nacheinander auf die beiden Winkel der Hütte. »Dort Euer Stall, dort Euer Bett,« besagte diese Gebärde. Dann nahm er eine Schüssel getrockneter Erbsen vom nahen Simse herab und stellte sie auf den Tisch. »Und hier Euer Abendessen,« bedeutete das.

Der Ritter zuckte die Achseln und ging hinaus, um sein Pferd hereinzuholen, das er mittlerweile an einen Baum gebunden hatte. Er sattelte es sorgsam ab und breitete seinen eigenen Mantel über den Rücken des müden Tieres.

Der Einsiedler schien angenehm berührt von der Fürsorge und Geschicklichkeit des Fremdlings. Er murmelte etwas von Futter, das für den Klepper des Waldhüters noch da wäre, holte eine Schütte Stroh herbei und breitete einen Haufen Farrenkraut in der Ecke aus, wo sich der Ritter zur Nacht hinstrecken sollte. Der Ritter dankte ihm für die Höflichkeit, und nachdem so jeder seine Schuldigkeit getan hatte, setzten sie sich wieder an den Tisch. Zwischen ihnen stand die Schüssel Erbsen, und der Eremit sprach ein langes Gebet in verderbtem Latein. Dann ging er seinem Gaste mit gutem Beispiel voran und schob bescheiden ein paar Erbsen in seinen ziemlich großen Mund mit prächtigen Zähnen, die es an Weiße und Schärfe mit denen eines Ebers aufnehmen konnten. Die Erbsen waren freilich ein schlechtes Korn für solche Mühle.