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Der Ritter folgte dem so löblichen Beispiel, nachdem er den Helm und den Küraß und den größten Teil seiner Rüstung abgelegt hatte. Er zeigte dem Eremiten sein Haupt, das von vollem blonden Haar umlockt war. Er hatte Züge, die man wohl erhaben nennen konnte, blaue, klare und leuchtende Augen, einen edelgeschnittenen Mund, dessen Oberlippe von einem kleinen Bart von dunklerer Farbe als das Haupthaar geziert war. Sein ganzes Äußere ließ erkennen, daß man in ihm einen kühnen, mächtigen und unternehmenden Mann vor sich hatte, zu dessen Geist die gigantische Gestalt trefflich paßte. Wie um das Vertrauen seines Gastes zu erwidern, zog der Einsiedler die Kutte ab und zeigte das kugelrunde Gesicht eines Mannes in der Blüte der Jahre. Sein geschorener Kopf, den ein Kranz dicken, schwarzen Haares umschloß, sah aus wie eine von hohen Hecken umgebene Wiese. Seine Züge hatten keine mönchische Strenge, noch weniger lag in ihnen asketische Entsagung. Es war vielmehr ein kühnes, trotziges Gesicht mit breiten schwarzen Augenbrauen, einer wohlgeformten Stirn und den roten runden Backen eines Posaunenengels. Er hatte einen langen, krausen schwarzen Bart. Ein solches Gesicht und solcher Körperbau sahen eher danach aus, als seien sie bei Braten und anderer kräftiger Kost herangediehen, nicht aber bei Erbsen und trockenem Gemüse. Dieser Kontrast entging dem Gaste nicht, der eben mit ziemlicher Anstrengung einen Mund voll getrockneter Erbsen zerkaut hatte und nun seinen frommen Wirt um einen Trunk bat. Der erfüllte die Bitte alsobald, indem er einen Krug voll des reinsten Quellwassers vor ihn hinstellte.

»Es ist aus der Quelle des heiligen Dunstan,« sagte der Eremit. »In ihr hat er von einem Sonnenaufgang zum andern fünfhundert Dänen und Briten getauft. Gepriesen sei sein Name!«

»Mir scheint, ehrwürdiger Vater,« sagte der Ritter, »die schmale Kost, die Ihr genießt, und dieses heilige, wenn auch etwas dünne Getränk wirken an Euch Wunder. Ihr kommt mir vor wie ein Mann, dessen Sache es eher wäre, in einem Ringspiele oder Stockkampfe den Preis zu gewinnen, als in dieser einsamen Ödenei die Zeit mit Gebeten zu vergeuden und von getrockneten Erbsen und kaltem Wasser zu leben.«

»Herr Ritter,« erwiderte der Einsiedler, »Eure Gedanken gehen wie die eines unwissenden Laien aufs fleischliche. Es hat unserer lieben Frau und meinem Schutzheiligen gefallen, meine karge Nahrung zu segnen, wie den Kindern Sadrach, Meschheg und Abednego Hülsenfrüchte und Wasser gesegnet wurden, als sie sie den köstlichen Gerichten vorzogen, die ihnen die Könige der Sarazenen anboten.« »Heiliger Vater, an dessen Leibe der Himmel solch Wunder tut,« sagte der Ritter, »erlaubt einem sündhaften Laien nach Euerm Namen zu fragen.«

»Ihr mögt mich,« war die Antwort, »den Mönch von Copmanhurst nennen, denn so heißen sie mich hierherum. Manche fügen das Beiwort heilig hinzu, aber ich lege keinen großen Wert darauf, weil ich fühle, daß ich dessen nicht würdig bin. Und nun, tapferer Ritter, nennt mir auch den Namen meines ehrenwerten Gastes.«

»Die Leute nennen mich hierherum,« erwiderte der Ritter, »den schwarzen Ritter, manche fügen hinzu: der Faulpelz, aber ich lege darauf auch keinen Wert.«

Der Eremit vermochte sich bei dieser Antwort seines Gastes nicht des Lachens zu enthalten. »Ich sehe, Herr Faulpelz,« erwiderte er, »Ihr seid ein kluger, verständiger Mann, und ich sehe ferner, meine karge Mönchskost behagt Euch nicht. Ihr seid wahrscheinlich von den Höfen und Feldlagern etwas Besseres gewöhnt, und nun fällt mir auch ein: als mir der liebe Waldhüter die Hunde hier zu meinem Schutze überließ, hat er mir auch ein wenig Speise dagelassen, da ich ihrer bei meinen wichtigen Betrachtungen nicht bedarf, hatte ich ihrer ganz vergessen.«

»Heiliger Mönch,« antwortete der Ritter, »als Ihr Eure Kapuze abnahmt, hätte ich darauf schwören können, daß bessere Kost in Eurer Hütte sei. – Euer Waldhüter ist doch ein guter Kerl. Aber wer Euer Gebiß sieht und zugucken muß, wie es sich mit solchen Erbsen quält, und wer sich Eure volle Kehle mit so ungeistigem Getränke benetzen sieht, fürwahr, dem muß es unerträglich sein, Euch zu solcher Speise und Trank für Gäule« – bei diesen Worten deutete er noch auf den auf dem Tische stehenden Vorrat – »verurteilt zu sehen, und er wird nicht anders können, als Eure Kost zu verbessern. Wir wollen doch mal gleich sehen, was hierin die Güte des Waldhüters geleistet hat.«

Der Mönch warf dem Ritter einen ernsten Blick zu. Sein Zaudern, als wisse er noch nicht recht, ob er seinem Gaste trauen sollte, machte einen komischen Eindruck. Aber in den Zügen des Ritters lag der offenste Freimut, den je ein Gesicht ausgedrückt hat. Sein Lächeln war so unwiderstehlich launig und bekundete so große Redlichkeit und Rechtlichkeit, daß sein Wirt sich auf der Stelle eines Herzens mit ihm fühlte. Der Mönch ging daher nach dem entlegenen Teile der Hütte und machte hier eine Türe auf, die ganz versteckt angebracht und kunstvoll maskiert war. Aus einer dunkeln Kammer brachte er eine große Pastete auf einer unförmig breiten Schüssel herbei. Diese mächtige Speise setzte er seinem Gaste vor, der ohne Zögern den Dolch zog und dem Fleischklumpen energisch zu Leibe ging. »Wie lange ist es her, daß der gute Waldhüter hier war?« fragte er, nachdem er in aller Eile ein paar Bissen verschlungen hatte.

»Zwei Monate etwa,« erwiderte der Einsiedler hastig.

»Beim Himmel!« rief der Ritter, »in Eurer Einsiedelei ist alles eitel Wunder! Ich hätte wetten mögen, daß der feiste Rehbock, der den Inhalt dieser Pastete hergegeben hat, in dieser Woche noch auf seinen vier Beinen herumgelaufen ist.«

Der Eremit geriet über diese Worte ein wenig in Verwirrung, auch schnitt er eine sehr trübselige Miene, als er seinen Gast so gewaltig in seine Pastete einhauen sah – eine gar verlockende Tätigkeit, an der er sich doch nicht beteiligen konnte wegen der soeben noch vorgeschützten Enthaltsamkeit.

»Herr Mönch,« sagte der Ritter, indem er plötzlich mit Essen innehielt, »ich bin in Palästina gewesen, und da fällt mir ein, es besteht dort die Sitte, daß jeder, der einen Gast bewirtet, die Speise mit ihm teilt, um ihn davon zu überzeugen, daß die Speise unschädlich ist. Es sei nun zwar ferne von mir, einem heiligen Manne mit solchem Verdacht nahezutreten, aber ich wäre Euch doch sehr dankbar, wenn Ihr diesen morgenländischen Brauch mitmachen wolltet.«

»Um Eure unangebrachten Bedenklichkeiten zu beseitigen,« versetzte der Eremit, »will ich diesmal von meiner Regel abweichen.« Und da es zu jener Zeit noch keine Gabeln gab, griff er ohne weitere Umstände mit beiden Fäusten in die Pastete hinein. – Das Eis war nun gebrochen, und Wirt und Gast schienen miteinander zu wetteifern, wer den besseren Appetit zeigen würde. Obwohl der letztere wohl die längere Zeit gefastet hatte, tat es ihm der erstere doch zuvor.

»Heiliger Mönch,« sagte der Ritter, als er seinen Hunger gestillt hatte, »ich wette mein gutes Pferd gegen eine Zechine, daß eben der biedere Waldhüter, dem wir das Wildbret verdanken, Euch auch einen Schluck Wein oder einen Rest Sekt dagelassen hat, die zu dieser Pastete passen. Das sind nun freilich Dinge, die es ganz und gar nicht verdienen, daß sich das Gedächtnis eines strengen Anachoreten mit ihnen befasse. Aber denkt doch mal ein wenig nach, und ich bin überzeugt, Ihr werdet finden, daß ich recht habe.« Der Eremit lächelte nur. Er ging noch einmal nach der geheimen Zelle und brachte eine lederne Flasche hervor, die wohl vier Quart fassen mochte, und zwei Trinkschalen aus dem Horn des Auerochsen mit Silbereinfassung. Als er diese Anstalten, das Nachtmahl hinunterzuspülen, getroffen hatte, meinte er, allen Zwang nunmehr ablegen zu dürfen, füllte beide Becher und rief auf sächsisch: »Euer Wohl, Herr Faulpelz!« und leerte seinen Becher auf einen Zug. – »Euer Wohl, heiliger Mönch von Copmanhurst!« antwortete der Kriegsmann und tat seinem Wirt auf dieselbe Weise Bescheid.