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»Heiliger Mann,« sagte der Ritter, nachdem der erste Becher getrunken war, »es wundert mich in hohem Maße, daß sich ein Mann von so gewaltigen Sehnen und Knochen, wie Ihr, in eine solche Wildnis vergraben kann. Meiner Meinung nach habt Ihr mehr Geschick, ein Schloß oder eine Festung zu verteidigen, gut zu essen und tüchtig zu trinken, als hier von Hülsenfrüchten und Wasser und der Mildtätigkeit des Waldhüters Euer Dasein zu fristen. Wenigstens wüßte ich mich an Eurer Stelle mit dem herrschaftlichen Wild schon zu versorgen, es läuft ja herdenweis herum, und wenn sich der Kaplan des heiligen Dunstan einmal einen Rehbock fängt, so wird das nichts weiter ausmachen.«

»Herr Faulpelz,« entgegnete der Einsiedler, »dies sind gefährliche Worte, und ich bitte Euch, seid davon still, ich bin ein Eremit, der dem König und seinen Gesetzen treu ist, und wenn ich meines Lehnsherrn Wild stehlen wollte, so käme ich sicherlich ins Gefängnis, und selbst meine Kutte würde mich nicht vor dem Henker schützen.«

»Davon abgesehen,« antwortete der Ritter. »Wenn ich in Eurer Lage wäre, so ginge ich beim Mondschein umher, wenn der Förster und die Hüter in ihren warmen Betten liegen, und dann und wann so zwischen einem Gebete durch ließ ich meinen Pfeil auf die Herden von Wild los, die auf den Lichtungen im Walde äsen. – Sagt mir, heiliger Mann, habt Ihr nicht dann und wann solchen Zeitvertreib geübt?«

»Freund Faulpelz,« versetzte der Mönch. »Ihr habt in meinem Haushalt alles gesehen, was Euch angeht, und mehr noch, als einer verdient, der sich mit Gewalt Quartier verschafft. Aber glaubt mir, es ist besser, Ihr genießet, was Euch Gott bietet, und forscht lieber nicht neugierig nach, von wannen es kommt. Gießt Euern Becher voll, und seid mir willkommen, aber nötigt mich nicht durch fernere Zudringlichkeiten, daß ich Euch zeigen muß, daß Ihr nie in meine Behausung hineingekommen wäret, wenn ich Euch ernstlich Widerstand geboten hätte.«

»Meiner Treu,« entgegnete der Ritter, »Ihr macht mich neugieriger als je. Ihr seid der schnurrigste Eremit, der mir je begegnet ist, und ich will Euch noch genauer kennen lernen, ehe ich wieder gehe. Was aber Eure Drohung anbetrifft, so wisset, Ihr sprecht zu einem, dessen Amt es ist, Gefahren aufzusuchen, wo sie sich auch immer finden lassen.«

»Ich trinke Euch zu, Herr Faulpelz!« sagte der Mönch, »und achte Eure Tapferkeit, doch von Eurer Verschwiegenheit halte ich nicht viel. Wenn Ihr Euch aber mit gleicher Waffe mit mir messen wollt, so will ich Euch in aller Freundschaft so zulängliche Absolution zukommen lassen, daß Ihr für das nächste Jahr die Sünde übermäßiger Neugierde nicht wieder begehen sollt. – Was sagt Ihr zu diesem Spielzeug?«

Mit diesen Worten öffnete er eine andere Nische im Felsen und holte ein paar breite Schwerter und Schilde hervor, wie sie damals bei den Yeomen gebräuchlich waren. Der Ritter, der seinen Bewegungen folgte, sah, daß in diesem geheimen Winkel noch ein paar lange Bogen, eine Armbrust Pfeile und Bolzen verborgen waren. Eine Harfe und noch andere Dinge von recht unheiligem Charakter waren desgleichen darin enthalten. »Ich verspreche Euch, Bruder Mönch,« sagte der Ritter, »ich will keine weiteren verfänglichen Fragen an Euch richten – dieser Wandschrank gibt mir auf alle meine Fragen ausgiebige Antwort, und ich sehe hier eine Waffe« – er trat herzu und nahm die Harfe heraus – »auf der ich lieber meine Kunst gegen Euch messe, als mit Schwert und Schild.«

»Herr Faulpelz,« sagte der Eremit, »Ihr führt den Namen des Faulpelzes sehr mit Unrecht, ich kann Euch nur sagen, Ihr kommt mir gar nicht geheuer vor. Doch Ihr seid einmal mein Gast, so setzt Euch, laßt uns trinken und singen und lustig sein. – Doch vorerst füllt die Schale an. Es wird ein Weilchen dauern, bis die Harfe gestimmt ist, und nichts macht die Stimme geschmeidiger und das Ohr empfindlicher für die Töne, als eine Schale Weins. – Ich für meinen Teil fühle wenigstens gern die Trauben in den Fingerspitzen, ehe ich in die Saiten greife.«

Und nun wurde manches frohe Lied gesungen, und die beiden wurden immer vergnügter, bis plötzlich ihre muntere Unterhaltung gestört wurde – es pochte laut und dringlich an die Tür. Die Ursache dieser Störung läßt sich nur erklären, wenn wir zu den anderen Personen unserer Erzählung zurückkehren.

Fünfzehntes Kapitel

Als Cedric der Sachse seinen Sohn in den Schranken zu Ashby niederfallen sah, wollte er in seinem ersten Aufwallen befehlen, daß sich seine eigenen Diener seiner annehmen sollten, aber er brachte die Worte nicht über die Lippen. Er vermochte es nicht über sich zu gewinnen, den Sohn, den er enterbt und verstoßen hatte, vor einer solchen Versammlung anzuerkennen. Er befahl aber doch seinem Haushofmeister Oswald, ein Auge auf ihn zu haben und, wenn sich erst die Menge zerstreut hätte, Ivanhoe mit zweien von seinen Leibeigenen nach Ashby bringen zu lassen. Aber zu diesem Dienste kam Oswald zu spät. Als sich die Menge zerstreut hatte, war auch der Ritter verschwunden. Vergebens hielt Cedric's Mundschenk nach seinem jungen Herrn Umschau. Wohl sah er den blutigen Fleck, wo er niedergefallen war, aber ihn selber nicht mehr, es war, als hätten ihn Feen entführt. Vielleicht hätte auch Oswald das geglaubt, denn abergläubisch sind die Sachsen alle, hätte er nicht einen Mann in der Tracht eines Knappen erblickt, in dem er auf der Stelle den Schweinehirten Gurth erkannte. Ratlos, was aus seinem Herrn geworden sei, und verzweifelt, daß er so plötzlich verschwunden war, irrte der Hirt umher, seinen Herrn überall suchend und seiner eigenen Sicherheit vergessend. Oswald hielt es für seine Pflicht, Gurth als einen Ausreißer festzunehmen und die Entscheidung über den Fall seinem Herrn zu überlassen. Als sich der Haushofmeister von neuem nach dem Schicksals Ivanhoes erkundigte, erfuhr er von den Umstehenden nur, daß der Ritter von zwei feingekleideten Dienern in eine einer Dame gehörigen Sänfte gehoben und weggetragen worden sei. Oswald entschloß sich, mit dieser Nachricht zu Cedric zurückzukehren, Gurth mit sich nehmend.

In Cedric rang der Stoizismus des Patrioten vergebens um die Oberhand, die Natur behauptete ihre Rechte, und der Vater war in großer Angst um seines Sohnes Schicksal. Aber kaum hatte er erfahren, daß Ivanhoe in guter Hut, wahrscheinlich in befreundeten Häusern sei, so wich die durch die Ungewißheit erzeugte Angst dem beleidigten Stolze und der Rachsucht und dem Groll über Wilfrieds Ungehorsam.

»Laßt ihn seiner Wege gehen!« rief er. »Mögen die seine Wunden pflegen, um derentwillen er sie empfangen hat. Er taugt besser dazu, an den Gaukelspielen der normännischen Ritterschaft teilzunehmen, als die Ehre und den Ruhm seiner Ahnen mit dem Messer und der Keule, den Waffen der guten alten Zeit, aufrechtzuerhalten.«

»Wenn es zur Aufrechterhaltung der Ahnenehre genügt,« sagte Lady Rowena, »weise im Rat und tapfer in Taten zu sein, so herrscht, abgesehen allein von seinem Vater, nur eine Stimme...«

»Schweigt, Lady Rowena,« unterbrach sie Cedric, »über diesen einen Punkt will ich nichts von Euch hören. Macht Euch fertig, zum Festessen des Prinzen zu gehen, mit ungewöhnlicher Höflichkeit und Ehrerbietung sind wir eingeladen worden – so sind die hochmütigen Normannen seit dem Unglückstage von Hastings nicht wieder zu uns gewesen. Ich gehe hin, sei es auch nur, um den stolzen Normannen zu zeigen, daß selbst der Verlust eines Sohnes, der sie eben noch tapfer besiegt hat, einen Sachsen nicht niederzudrücken vermag.«

»Ich aber gehe nicht mit,« antwortete Rowena, »und ich bitte Euch, bedenkt doch, daß, was Ihr für Mut und Standhaftigkeit haltet, auch leicht Hartherzigkeit genannt werden kann.«