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»So bleibt daheim, undankbare Lady,« versetzte Cedric, »Ihr seid die Hartherzige in diesem Falle, denn Ihr opfert das Wohl Euers unterdrückten Volkes einer eiteln, unüberlegten Neigung auf! Ich suche den edeln Athelstane auf und gehe mit ihm zu dem Festessen des Prinzen Johann von Anjou.« Und er ging in der Tat zum Bankett, dessen Verlauf dem Leser bereits bekannt ist.

Die sächsischen Edelherren begaben sich gleich nach ihrer Rückkehr mit ihrem Gefolge zu Pferde, und inmitten des hierbei entstehenden Wirrwarrs erblickte Cedric zum erstenmal den entlaufenen Gurth. Wie wir wissen, war der Sachse in nicht eben friedlicher Stimmung. Es fehlte nur ein Anlaß, daß er seinen Grimm gegen irgendwen austoben konnte.

»Die Ketten!« rief er. »In Ketten mit ihm! Oswald, Hunibert! Ihr Hunde, Ihr Schurken! was laßt Ihr den Buben ungefesselt!« Gurths Gefährten wagten nichts dagegen einzuwenden und banden den armen Burschen mit einem Halfter, dem einzigen Strick, der jetzt zur Verfügung war. Der Schweinehirt ließ es ohne Widerstand geschehen. Er warf nur einen Blick des Vorwurfs auf seinen Herrn und sagte: »Das ist mein Lohn, daß ich Euer Fleisch und Blut mehr liebe als mein eigenes.«

»Zu Pferd und vorwärts!« rief Cedric.

»Es ist hohe Zeit,« sagte der edle Athelstane.

Die Reisenden beeilten sich und trafen noch rechtzeitig im Kloster St. Withold ein. Der Abt, selber aus altem Sachsengeschlecht stammend, empfing die Edelleute mit all der verschwenderischen Gastlichkeit seines Volkes und hielt sie bis zu später oder vielmehr früher Stunde wach. Am andern Morgen entließ sie der freigebige Wirt erst, nachdem er ihnen noch ein reiches Frühstück vorgesetzt hatte. Als die berittene Gesellschaft aus dem Klosterhofe ritt, ereignete sich etwas, das die Sachsen, die am meisten von allen Völkern auf Vorbedeutungen gaben, mit Unruhe erfüllte: Ein großer schwarzer Hund saß nämlich jämmerlich heulend am Tor, als die Kavalkade hindurchritt, und wollte nachher, wild bellend hin und her rennend, sich ihr anschließen.

»Die Musik lieb ich nicht, Vater Cedric,« sagte Athelstane, denn bei diesem ehrfurchtsvollen Namen pflegte er ihn zu nennen. – »Meiner Meinung nach tun wir besser,« denn das gute Bier des Abtes schmeckte ihm noch, »wir kehren wieder um und bleiben bei dem Abte bis zum Nachmittag. Es ist nicht gut, daß man reist, wenn einem ein Mönch, ein Hase oder ein Hund über den Weg läuft. Wenigstens soll man dann immer erst noch eine Mahlzeit vorüberlassen.«

»Vorwärts!« rief Cedric ungeduldig. »Der Tag ist so wie so schon zu kurz für unsere Reise. Den Köter da erkenne ich wohl! Es ist der Hund meines entlaufenen Sklaven Gurth, ein ebenso unnützer Vagabund wie sein Herr!«

Mit diesen Worten hob er sich im Steigbügel, erzürnt über diese Unterbrechung seiner Reise, und schleuderte den Wurfspeer nach dem armen Packan – denn Packan war es wirklich, der seinen Herrn auf seiner heimlichen Fahrt endlich aufgespürt hatte und nun seine helle Freude, daß er ihn wiedergefunden hatte, in so lärmender Weise zu erkennen gab. Der Wurfspieß verwundete das Tier in der Schulter und hätte es fast am Boden festgenagelt. Heulend flüchtete Packan aus den Augen des ergrimmten Thanes. Aber dem armen Gurth stieg das Herz in die Kehle; daß sein treuer Hund also mit Willen hingemordet wurde, das schmerzte ihn weit tiefer als die harte Behandlung, die er selber erlitten hatte. Nachdem er vergebens versucht hatte, mit der Hand an seine Augen zu kommen, sagte er zu Wamba, der sich vor der schlechten Laune seines Herrn zurückgezogen hatte: »Freund Wamba, sei so gut und wisch mir mit dem Zipfel deines Mantels die Augen aus, das Wasser ist mir lästig, und ich bin gefesselt und kann selbst nicht hinlangen.« Wamba erzeigte ihm den erbetenen Dienst, dann ritten beide eine Zeitlang schweigend nebeneinander her. Endlich aber vermochte Gurth nicht länger seine Gefühle zu unterdrücken.

»Freund Wamba,« sagte er, »von allen, die so verrückt sind und dem Cedric dienen, bist du der einzige, der ihm seine Verrücktheit angenehm zu machen weiß. Geh daher zu ihm und sag ihm, daß ihm Gurth weder aus Furcht noch aus Liebe länger dienen will. Er kann mir den Kopf abschlagen lassen, mich geißeln lassen, mich mit Ketten beladen lassen, aber fernerhin soll er mich nicht mehr zu Liebe oder Gehorsam zwingen können. Geh also zu ihm, daß sich Gurth, der Sohn Beowulfs, von seinem Dienste lossagt.«

»Freilich bin ich nur 'n Narr,« sagte Wamba, »aber ich will mich doch nicht von dir zum Narren halten lassen. Cedric hat noch 'nen Wurfspeer im Gürtel, und du weißt, er verfehlt selten sein Ziel.«

»Ich frage nichts danach, ob er mir den Garaus macht,« erwiderte Gurth. »Gestern hat er Wilfried, meinen jungen Herrn, in seinem Blute liegen lassen, und heute hat er vor meinen eigenen Augen das einzige Wesen umgebracht, das mich lieb hat. Das kann ich ihm nimmer vergessen.«

»Ich meine,« sagte Wamba, der oft den Friedensstifter im Haushalt machte, »der Herr hat den Packan bloß erschrecken, nicht verwunden wollen. Hast du nicht gesehen, er hob sich im Bügel, als wollte er über das Ziel hinausschießen, und so wärs auch gekommen, wenn Packan nicht in diesem Augenblick in die Höhe gesprungen und so gerade in'n Speer hineingeraten wär. Aber für einen Pfennig Teer macht die Wunde wieder heil.«

»Wenn das wahr wäre!« erwiderte Gurth. »Wenn ich das glauben könnte! Aber nein! ich hab's ja gesehen, der Wurfspeer saß gut. Ich sah ihn durch die Luft schwirren mit all der Bosheit dessen, der ihn schleuderte. Als er in der Erde steckte, zitterte er noch aus Wut, daß er sein Ziel nicht ganz getroffen hatte. Beim heiligen Anton, in diesem Dienste bleibe ich nicht.«

Und der Schweinehirt versank in sein voriges Schweigen, aus dem ihn der Narr nicht wieder aufzurütteln vermochte.

Inzwischen hatten Cedric und Athelstane ein eifriges Gespräch über die Zustände des Landes geführt, über die Zwistigkeiten in der königlichen Familie, über die Fehden und Uneinigkeiten unter den normannischen Adeligen und über die Möglichkeit, daß sich die geknechteten Sachsen von dem Joche der Normannen wieder freimachen könnten. Wenn die Rede hierauf kam, wurde Cedric immer Feuer und Flamme. Es war die größte Sehnsucht seines Herzens, die Unabhängigkeit seines Volkes wieder herzustellen. Mit Freuden hätte er dafür das Glück seines Hauses und selbst seinen einzigen Sohn hingeopfert. Allein wenn sich eine so große Umwälzung zugunsten des eingeborenen Volkes sollte durchführen lassen, so mußten vor allem die Sachsen untereinander einig sein und ein Oberhaupt wählen. Selbstverständlich mußte dieses Oberhaupt aus dem sächsischen Königshause sein, das verlangten auch die, denen Cedric seine geheimen Wünsche und Pläne im Vertrauen mitgeteilt hatte. Athelstane war aus dem sächsischen Königsgeschlechte, und wenn er auch geistig nicht sehr begabt war und weiter keine Talente hatte, die ihn zum Anführer geeignet erscheinen ließen, so war er doch nicht feige und geübt im kriegerischen Handwerk und schien willens, sich von den Ratschlägen weiserer Männer leiten zu lassen. Außerdem war er als gastfrei und großmütig bekannt. Aber wie groß auch die Ansprüche sein mochten, die Athelstane auf die Würde des Oberhauptes der sächsischen Bundesgenossenschaft erheben konnte, so hätte doch ein großer Teil der Nation lieber Lady Rowena dazu erwählt, denn sie stammte direkt von Alfred ab, und ihr Vater war ein berühmtes Oberhaupt gewesen, seiner Weisheit, seines Mutes, seiner Großherzigkeit wegen von seinen unterdrückten Landsleuten hoch in Ehren gehalten.

Für Cedric wäre es ein leichtes gewesen, selber als dritter Kandidat aufzutreten, wenn er das gewollt hätte, und seine Partei hätte ebenso gewaltig wie die beiden anderen werden können. Wenn er sich auch nicht königlicher Abkunft rühmen konnte, so besaß er dafür hohen Mut, unermüdliche Emsigkeit, gewaltige Tatkraft und vor allem die unerschütterliche Anhänglichkeit an die allgemeine Sache, der er schon den Beinamen der Sachse verdankte. An der Herkunft stand er außer seinem Mündel und Athelstane keinem anderen nach. Aber bei all diesen Eigenschaften hatte er nicht den geringsten Anflug von Eigennutz, und anstatt seine schwache Nation noch mehr zu zersplittern, indem er auch für sich selber eine Partei bildete, suchte er im Gegenteil die schon bestehende Spaltung durch eine eheliche Vereinigung Athelstanes und der Rowena zu beseitigen. Aber ein Hindernis bot sich in der beiderseitigen treuen Liebe seines Sohnes und der Lady, und dies war auch die Ursache, weshalb Wilfried aus dem Vaterhause verbannt worden war. Und zu dieser strengen Maßregel hatte Cedric gegriffen, weil er hoffte, daß Lady Rowena während der Abwesenheit Wilfrieds von ihrer Liebe lassen würde. Aber diese Erwartung blieb unerfüllt. Der Grund hierzu lag vor allem in der Art, wie Rowena erzogen worden war.