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Cedric, der den Namen Alfreds wie den einer Gottheit ehrte, behandelte den letzten Nachkommen dieses großen Monarchen mit einer Achtung, wie sie damals kaum einer anerkannten Prinzessin erwiesen wurde. Fast in allen Fällen war Rowenas Wille Gesetz für das Haus, und Cedric selber, als wolle er durch sein Beispiel dahin wirken, daß ihre Oberherrschaft wenigstens in diesem kleinen Kreise anerkannt bliebe, suchte seinen Stolz darin, sich als ihren ersten Untertan zu betrachten. Also an freien Willen, ja an fast despotisches Herrschen gewöhnt, war es nur natürlich, daß sich Rowena jedem Versuche widersetzte, auf ihr Herz mit Gewalt einzuwirken oder ihre Hand gegen ihren Willen zu vergeben, und ihre Unabhängigkeit in einer Frage behauptete, in der sich selbst Frauen, die sonst an Unterwürfigkeit und Gehorsam gewöhnt sind, oft gegen die Autorität der Vormünder oder Eltern auflehnen. Sie sagte es frei heraus, wie ihr ums Herz war, und Cedric, der sich schon gar nicht mehr von der Gewohnheit freimachen konnte, seine Ansichten den ihren unterzuordnen, vermochte seinen Einfluß als Vormund nicht mehr geltend zu machen. Vergebens versuchte Cedric durch die Aussicht auf den Thron Rowena zu blenden. Sie war viel zu scharfsinnig, um einen solchen Plan für ausführbar zu halten, oder wenigstens war ihr für ihre Person nichts an der Verwirklichung gelegen. Auch machte sie kein Hehl aus ihrer Liebe zu Wilfried von Ivanhoe und erklärte, daß sie in ein Kloster gehen wolle, wenn ihr dieser teure Ritter für immer genommen wäre, ehe sie einen Thron mit Athelstane teilen würde, denn sie habe ihn stets verachtet und sie begänne jetzt ihn von ganzem Herzen zu hassen, da er ihr soviel Kummer und Verdruß bereite. Dessenungeachtet arbeitete Cedric an seinem Plane weiter, die beiden zu verheiraten, und ließ kein Mittel außer acht, seinen Zweck zu erreichen, weil er darin eine bedeutende Förderung der Sache der Sachsen erblickte. Die plötzliche Erscheinung seines Sohnes Ivanhoe zu Ashby erschien ihm wie der Todesstreich seiner Hoffnungen. Allerdings gewann seine Vaterliebe vorübergehend die Oberhand über seinen Stolz und seinen Patriotismus, aber beide kehrten bald in vollem Nachdruck wieder, und er war jetzt fest entschlossen, einen energischen Versuch zu machen, um Rowena und Athelstane zusammenzubringen und gleichzeitig die sächsische Unabhängigkeit wiederherzustellen.

Dieser Plan war jetzt der Gegenstand ihres Gespräches. Athelstane war eitel und hörte es gern, wenn von seiner hohen Abkunft die Rede war oder von seinem erblichen Anrecht auf einen Königsthron; aber seine kleinliche Eitelkeit war völlig befriedigt, wenn ihm solche Huldigung von seiner Umgebung, von seinen Dienern oder den Sachsen seiner Bekanntschaft dargebracht wurde. Wenn ihm auch nicht der Mut mangelte, Gefahren zu trotzen, so war er doch ein Feind jeder Unbequemlichkeit, und war der letzte, sich selber in Sorge und Unruhe zu stürzen. Wenn er daher in der Hauptsache mit Cedric dahin übereinstimmte, daß die Sachsen wieder unabhängig sein müßten und daß er ihr Herrscher werden müßte, so war er doch, sobald die Mittel und Wege erörtert wurden, wie das Ziel zu erringen sei, immer wieder Athelstane der Unentschlossene, langsam, keines Entschlusses fähig, schwerfällig und gedankenarm. Cedric's leidenschaftliche Ermahnungen wirkten auf sein träges Gemüt wie glühende Kugeln, wenn sie ins Wasser fallen. Es zischt und qualmt wohl, aber sie löschen gleich aus. Wenn Cedric dessen dann müde war und sich an sein Mündel Rowena wendete, so fand er noch weniger Ermunterung. Und so wurde dem starrsinnigen Sachsen die Reise auf jede nur mögliche Art vergällt, und er verwünschte mehr als einmal das Turnier, den, der es veranstaltet hatte, und sich selber wegen der Torheit, daß er hingegangen sei.

Nachmittags machten die Reisenden auf Athelstanes Vorschlag an einer Quelle im Waldesschatten halt, um den Pferden Rast zu gönnen und selber einige Erfrischungen zu sich zu nehmen, die ihnen der gastfreie Abt als Wegzehrung mitgegeben hatte. Sie hielten langen Imbiß, und infolge all dieser Verzögerungen war es nicht anders möglich, als daß sie Rotherwood erst spät in der Nacht erreichen würden. Und in dieser Gewißheit setzten sie nun ihre Reise in schnellerer Gangart als bisher fort.

Sechzehntes Kapitel

Die Reisenden waren am Saume eines Waldes angelangt und wollten nun den dichten Forst durchqueren, der damals sehr unsicher war, weil sich eine große Zahl Geächteter, durch Knechtung und Armut zur Verzweiflung getrieben, in so zahlreichen Horden in den Waldungen herumtrieb, daß die zu jener Zeit noch wenig ausgeübte Polizei nichts gegen sie ausrichten konnte. Cedric und Athelstane hielten sich aber, trotzdem es schon sehr spät war, für völlig sicher, da sie außer Gurth und Wamba zehn Diener bei sich hatten. Auf die beiden ersteren glaubten sie nicht rechnen zu können, weil der letztere ein Narr und der erstere ein Gefangener war. Außerdem rechneten Cedric und Athelstane ebensosehr auf ihren Namen und ihre Abkunft wie auf ihren Mut. Die Geächteten, die durch die Strenge der Forstgesetze zu solcher Not und ihrem Räuberleben verurteilt waren, bestanden in der Mehrzahl aus sächsischen Bauern und Yeomen, die Eigentum und Person ihrer Landsleute respektierten.

Als die Reisenden ein Stück weitergeritten waren, wurden sie durch mehrfache Hilferufe erschreckt. Sie eilten nach der Stelle, von wo es herkam, und fanden zu ihrer Verwunderung neben einer am Boden stehenden Sänfte ein junges Mädchen in reicher jüdischer Tracht. Ein alter Mann, der an seinem gelben Hute auch als Jude zu erkennen war, ging mit Gebärden tiefster Verzweiflung auf und ab. Er rang die Hände, als wenn ihm ein großes Unglück zugestoßen wäre. Cedric und Athelstane fragten, was ihm geschehen sei. Der Jude wußte weiter nichts zu erwidern, als daß er alle Erzväter des alten Testaments zum Schutze gegen die Kinder Israels aufrief, die dahergekommen wären, ihn mit der Schärfe des Schwertes zu erschlagen. Als sich endlich der erste Schreck gelegt hatte, begann Isaak von York (denn er war es) zu erzählen, daß er in Ashby eine Wache von sechs Mann gedungen habe, um einen kranken Freund wegzuschaffen. Bis Doncaster hätten sie ihn bringen sollen. Nun seien sie glücklich bis hierher gekommen, da hätten sie gehört, daß eine Bande Geächteter im Walde streife, und da wären die Gedungenen ohne weiteres ausgerissen und hätten auch die Pferde mitgenommen. Nun wäre der Jude nicht nur jedes Schutzes beraubt, sondern es sei ihm auch die Möglichkeit zu fliehen genommen worden, und er und seine Tochter säßen nun hier, jeden Augenblick gewärtig, von den Strolchen überfallen, ausgeraubt und am Ende gar ermordet zu werden.

»Wenn Eure Ritterschaft erlauben,« sagte Isaak im Tone tiefster Demut, »daß die armen Juden unter Euerm Schutze weiterreisten, so schwöre ich bei unseren Gesetzestafeln, nie seit unserem Exil hat ein Sohn Israels Wohltaten empfangen, die so tief im Herzen dankbar gefühlt worden seien.«

»Du Hund von einem Juden!« sagte Athelstane, dessen kleinliches Gemüt geringfügige Dinge, besonders Beleidigungen, nicht vergessen konnte, »weißt du noch, wie du uns auf der Tribüne zu Ashby frech gegenübergetreten bist? Ficht oder flieh! Oder tu dich mit den Räubern zusammen, wie du willst. Nur verlange von uns keinen Schutz, noch daß wir dich mitnehmen. Wenn die Geächteten nur solche ausplündern, die wie du alle Welt ausplündern, dann nenn ich sie die ehrlichsten Leute von der Welt.«