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Während sich der Sachse so schmerzlichen Betrachtungen überließ, tat sich die Tür ihres Gefängnisses auf und ein Vorschneider mit dem seinem Amte charakteristischen Stabe trat herein. Dieser Person, die gravitätisch näher kam, folgten vier Diener, die einen gedeckten Tisch trugen. Die reichlichen Speisen, die das Zimmer mit Duft füllten, ließen allem Anschein nach den edeln Athelstane augenblicklich jeder Unbill vergessen. Alle, die bei Tische aufwarteten, waren maskiert.

»Was soll der Mummenschanz?« fragte Cedric. »Glaubt ihr denn, wir wissen nicht, wessen Gefangene wir sind, da wir uns doch im Schlosse euers Herrn befinden? Sagt ihm,« setzte er hinzu, indem er diese Gelegenheit ergriff, Unterhandlungen über die Freigabe anzuknüpfen, »sagt euerm Herrn Reginald Front-de-Boeuf, er könne keine Ursache haben, uns der Freiheit beraubt zu sehen, als die gesetzwidrige Absicht, sich auf unsere Kosten zu bereichern. Sagt ihm, seine Raubgier soll befriedigt werden, als wenn er ein handwerksmäßiger Strauchdieb wäre, und er soll nur ein Lösegeld bestimmen, wir wollens bezahlen, wenn es nicht über unser Vermögen geht.«

Der Vorschneider gab keine Antwort, sondern verneigte sich nur. »Und sagt Reginald Front-de-Boeuf,« rief Athelstane, »daß ich ihn zum Zweikampf fordere auf Leben und Tod, zu Fuß oder zu Pferde, an irgendeinem sicheren Orte, acht Tage nach unserer Befreiung. Wenn er ein echter Ritter ist, muß er diese Herausforderung annehmen.«

Athelstanes Herausforderung wurde zwar in nicht eben sehr schicklicher Weise vorgebracht, denn er hatte gerade das Maul voll und kaute mit beiden Backen. Dennoch erblickte Cedric darin ein sicheres Zeichen, daß die Geisteskraft seines Gefährten endlich erwache, und drückte ihm zum Beweise seines Beifalls herzlich die Hand. Allerdings sank seine Freude gleich wieder bedeutend herab, als Athelstane hinzusetzte, er wolle gern mit einem Dutzend solcher Ritter wie Front-de-Boeuf kämpfen, wenn er nur aus diesem Kerker herauskäme, wo soviel Knoblauch in die Suppe getan würde.

Die Gefangenen hatten kaum ihre Mahlzeit beendet, da erschollen vorm Tor die Klänge eines Hornes. Es erklang dreimal so laut und hell, als bliese es der erkorene Ritter vor dem verzauberten Schlosse, wo dann Hallen und Türme, Brücken und Zinnen zerflossen wie ein Morgennebel. Die Sachsen sprangen vom Tische auf und eilten ans Fenster, aber sie sahen sich in ihrer Erwartung getäuscht. Der Schall kam von jenseits des Schloßhofes, auf den die Fenster dieser Halle hinaussahen. Aber der Ton schien als bedeutungsvolle Aufforderung aufgefaßt zu werden, denn im ganzen Schlosse entstand alsbald große Unruhe.

Neunzehntes Kapitel

Der arme Isaak von York war in ein Kellergewölbe des Schlosses geworfen worden, das tief unter der Erdoberfläche gelegen war. Eine dumpfe, feuchte Luft herrschte darin, und nur ein wenig Licht drang durch zwei kleine Luftlöcher, die so hoch angebracht waren, daß sie der Gefangene nicht mit der Hand erreichen konnte. Selbst zu Mittag ließen sie nur einen matten, ungewissen Schimmer herein, der lange, bevor das gesegnete Licht des Tages das Schloß verließ, zu tiefer Finsternis wurde. Von früheren Gefangenen her hingen noch Ketten und Fesseln verrostet an den Mauern, und an einer steckten sogar in den Ringen noch zwei modernde Menschenknochen, als sei hier unten ein Gefangener nicht nur gestorben, sondern auch zum Gerippe geworden. An dem einen Ende dieses unheimlichen Kerkers war ein großer Feuerrost angebracht worden, über dem ein paar vom Rost fast zerfressene Eisenstangen lagen.

Der Anblick dieses Raumes hätte auch ein mutigeres Herz, als in der Brust Isaaks saß, erschüttern können. Aber es war nicht das erstemal, daß sich Isaak in solcher Gefahr befand, und er hatte Erfahrung darin, so daß er gefaßt war und die Hoffnung hegte, es werde auch diesmal wie so oft nicht zum äußersten kommen. Vor allem kam ihm die Hartnäckigkeit seiner Rasse zustatten, und hier machte sich die starre, unbeugsame Festigkeit geltend, mit der das Volk der Juden schon öfter die schwersten Übel, die ihnen Macht und Grausamkeit haben auferlegen können, ertragen hat, ehe sie die an sie gestellten Forderungen bewilligt haben. Isaak saß, seinen pelzverbrämten Rock zusammenhaltend in einen Winkel gekauert da, die Hände gefaltet, Haupt- und Barthaar verwirrt, die hohe Mütze zerknüllt.

Drei Stunden lang blieb so der Jude regungslos sitzen, als sich endlich Schritte vernehmen ließen. Die Riegel knarrten, die Tür kreischte in ihren Angeln, und herein trat Reginald Front-de-Boeuf. Ihm folgten die beiden sarazenischen Diener des Templers. Front-de-Boeuf, ein langer, starker Mann, dessen Leben sich aus lauter Krieg, öffentlichen und Privatfehden, zusammengesetzt hatte, trug die Male seiner wilden und schlimmen Leidenschaften offen in seinem Antlitz. Es paßte vollkommen zu seinem Charakter. In einem anderen Gesicht hätten die vielen Narben Ehrfurcht und Interesse erweckt als Zeichen der echten Tapferkeit, in seinem Gesicht aber trugen sie nur dazu bei, das Wilde und Furchtbare des Eindrucks zu erhöhen. Der entsetzliche Mann trug ein Lederwams, das eng anlag und hie und da Flecke von der Rüstung zeigte, im Gürtel trug er nur einen Dolch und ein Bund rostiger Schlüssel. Die schwarzen Sklaven, die Front-de-Boeuf folgten, hatten jetzt an Stelle ihres prächtigen Kostümes Jacken und grobleinene Hosen an. Sie hatten die Hemdärmel aufgestreift wie Metzger, wenn sie schlachten wollen. Jeder hatte einen kleinen Korb in der Hand. Sie blieben an der Tür stehen, die Front-de- Boeuf sorgfältig hinter sich wieder abschloß.

Der Edelherr kam nun langsam auf den Juden zu, das Auge fest auf ihn geheftet, als wollte er ihn schon durch den Blick lähmen, wie es manche Tiere der Sage nach mit ihrer Beute machen sollen. Und wie es schien, machte der finstere und böse Blick auch einen solchen Eindruck auf den unglücklichen Juden. Er sperrte den Mund auf und sah den wilden Baron mit solchem Entsetzen an, daß in der Tat seine Gestalt in sich zusammenzuschrumpfen und kleiner zu werden schien. Der Bedauernswerte vermochte nicht einmal aufzustehen, um sich zu verbeugen, nicht einmal den Hut vermochte er abzunehmen oder ein bittendes Wort zu sprechen, so fest war er überzeugt, daß Tod und Marter seiner harrten.

Die riesige Gestalt des Normannen schien im Gegenteil immer größer zu werden, wie die eines Adlers, der sein Gefieder aufbläht, wenn er im Begriff ist, auf seine Beute herabzuschießen. Drei Schritte vor dem Winkel, in den sich der Jude zurückgezogen hatte, und von dem er den denkbar kleinsten Teil für sich in Anspruch nahm, blieb er stehen. Front-de-Boeuf gab den Sklaven ein Zeichen, heranzutreten, einer von ihnen kam näher und nahm aus seinem Korbe eine Wageschale und verschiedene Gewichte, er legte sie Front-de-Boeuf zu Füßen und entfernte sich dann wieder. Die Bewegungen dieser Menschen waren langsam und feierlich, als gingen sie mit einem Vorhaben grausamer und entsetzlicher Art um. Front-de-Boeuf leitete diesen Auftritt ein, indem er den unglücklichen Gefangenen folgendermaßen anredete:

»Verwünschter Hund aus verfluchtem Volke!« sagte er, mit tiefer, hohler Stimme das Echo des Kerkers weckend, »Siehst du die Wagschale dort?« Der arme Jude antwortete mit einem leisen Ja. »In dieser Wagschale sollst du mir tausend Pfund Silber abwägen,« fuhr der unbarmherzige Baron fort, »nach dem Maß und Gewicht vom Tower in London.«