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»Euer Rat ist gut, Lady,« sagte de Bracy, »ich sage Euch denn daraufhin, Ihr werdet nie dieses Schloß verlassen, denn als Gattin des Moritz de Bracy. Auf welche andere Weise hättet Ihr wohl je Gelegenheit erhalten, zu hoher Ehre zu gelangen oder in fürstlichen Rang erhoben zu werden, als durch eine Verbindung mit mir? Wie hättet Ihr sonst aus Eurer niedrigen Umgebung eines Bauernhofes herauskommen sollen, wo Sachsen ihre Schweine hüten, die ihren Reichtum ausmachen? Wie hättet Ihr sonst einen Platz da erringen sollen, wohin Ihr gehört, in der Mitte derer, die in England die ersten an Schönheit und Rang sind?«

»Herr Ritter,« versetzte Rowena, »das Bauernhaus, das Ihr verachtet, ist seit Kind auf meine Heimat gewesen, und wenn ich es je verlasse, so nur an der Hand eines Mannes, der das Haus und die Sitten, in denen ich groß geworden bin, nicht verachtet.«

»Ich weiß wohl, was Ihr denkt, Lady,« antwortete de Bracy, »wenn Ihr mir vielleicht auch nicht soviel Scharfsinn zutraut. Bildet Euch nicht ein, daß Richard Löwenherz je wieder zu seinem Throne zurückkehren werde oder daß Wilfried von Ivanhoe Euch als seine Braut dem Könige vorstellen werde, dessen Liebling er ist. Diese Eure Neigung ist kindisch und hoffnungslos, denn wißt, dieser Nebenbuhler ist in meiner Gewalt, und ich brauche nur zu verraten, daß er mit unter den Gefangenen ist, so würde ihm der Haß eines Front-de-Boeuf gefährlicher werden als meine Eifersucht.«

»Wilfried hier?« rief Rowena, indem sie sich zu gleichgültigem Tone zwang. »Das ist eine Lüge. Doch wenn es wahr sein sollte, weshalb sollte ihn Front-de-Boeuf hassen oder was hätte er anderes zu befürchten als eine kurze Gefangenschaft und die Hinterlegung eines ehrenvollen Lösegeldes, wie es die Sitte der Ritterschaft fordert?«

»Wißt Ihr nicht, schöne Rowena, daß unser Wirt Front- de-Boeuf jeden aus dem Wege räumen möchte, der ihm seine Ansprüche auf die reiche Baronie streitig macht? Das wird er ohne jede Gewissensbisse tun. Wenn Ihr aber meine Werbung freundlich annehmt, so soll der verwundete Ritter nichts von Front-de-Boeuf zu fürchten haben, anderenfalls aber dürftet Ihr wohl bald Trauer um ihn anlegen müssen, denn ich liefere ihn dann einem Manne in die Hände, der kein Erbarmen kennt.«

»Rettet ihn um Himmels willen!« rief Rowena. So stark sie auch war, bei dem Gedanken, daß ihr Geliebter in Gefahr schwebte, verließ sie die Kraft.

»Das kann ich und das will ich auch,« erwiderte de Bracy. »Wer dürfte es wagen, dem Verwandten Rowenas, dem Sohne ihres Vormundes, dem Gespielen ihrer Kindheit ein Haar zu krümmen, wenn sie erst eingewilligt hat, de Bracys Braut zu werden? Doch nur Eure Liebe ist der Preis, um den seine Sicherheit zu erkaufen ist. Ich bin kein so romantischer Schafskopf, daß ich einem anderen, der zwischen mir und meinen Wünschen steht, weiterhelfe oder ihn gar vom Untergang errette. Benutzt Euern Einfluß auf mich, und er ist geborgen, versagt mir alles und Wilfried stirbt, Ihr aber seid darum der Freiheit nicht um einen Schritt näher.«

»Eure Rede,« antwortete Rowena, »hat in ihrer gefühllosen Kälte etwas, das mich hindert, Euch Glauben zu schenken, unmöglich könnt Ihr so abscheulich sein, noch kann Eure Macht so groß sein.«

»Wiegt Euch nicht in solcher Annahme!« entgegnete de Bracy, »bald würdet Ihr erkennen, daß Ihr im Irrtum seid. Euer Geliebter liegt verwundet in diesem Schlosse. Euer Geliebter, den Ihr vorzieht! Und er ist ein Hemmnis für Front-de-Boeuf auf dem Wege zu einem Ziele, das ihn mehr als Schönheit und Ehrgeiz lockt. Was kostet es ihn mehr als einen Dolchstoß oder einen Wurfspieß, und das Hindernis ist auf immer beseitigt? – Und wenn Front-de- Boeuf sich nicht gern der Möglichkeit aussetzt, eine so offene Tat zu rechtfertigen, so kann ihm ja sein Wundarzt einen giftigen Trank reichen. Ja, der Diener oder die Wärterin brauchen nur das Kopfkissen unter ihm wegzunehmen, wenn er schläft, und bei seinem jetzigen Zustande ist Wilfried dann eine Leiche, ohne daß Front-de-Boeuf sein Blut vergossen hätte. – Und auch Cedric...«

»Cedric auch!« rief Rowena, »mein edler, großmütiger Beschützer!«

»Auch Cedrics Schicksal hängt von Eurer Entscheidung ab, und darum überlasse ich es Euch, Eure Entscheidung zu treffen.«

Bis hierher hatte sich Rowena mit unerschütterlichem Mute benommen, der Grund hierzu war aber, daß ihr die Gefahr nicht so unmittelbar und so drohend erschienen war. Aber als sie nun die Gefahr recht ins Auge faßte, verließ sie der Mut und das Selbstvertrauen. Dazu kam noch, daß sie zum erstenmal einem Manne gegenüberstand, der sich ihrem Willen widersetzte, während sie bisher gewohnt gewesen war, daß ihr Wille oberstes Gesetz war. Und jetzt empfand sie den Widerstand eines kalten, kühnen und entschlossenen Gemütes, das sich des Vorteils über sie bewußt war und kein Bedenken trug, ihn auszunutzen.

Sie schaute sich rings um, als suche sie Hilfe, wo doch keine zu finden war, dann stammelte sie ein paar abgerissene Worte, und dann hob sie die Hände gen Himmel und brach in lautes Klagen und Jammern aus. Es war unmöglich, ein so schönes Wesen in Not zu sehen und kein Mitleid mit ihm zu fühlen. Auch de Bracy fühlte sich von Rührung beschlichen, obwohl es bei ihm mehr Verlegenheit als weiche Stimmung war. Er war in der Tat zu weit gegangen, um wieder zurückzutreten, und bei Rowena war in ihrer augenblicklichen Verzweiflung weder durch Bitten noch durch Drohungen etwas auszurichten. Er ging daher im Zimmer auf und ab, vergebens bat er das entsetzte Mädchen, sie solle sich doch beruhigen, vergebens suchte er bei sich selber sich klar darüber zu werden, wie er seine Rolle weiterzuspielen habe. »Wenn ich mich,« dachte er bei sich selber, »durch die Tränen und den Kummer dieses trostlosen Mädchens rühren lasse, was habe ich dann anders zu erwarten, als daß mir die schönen Hoffnungen wieder entgehen, für die ich so viel gewagt habe? Und wie würden dann die lustigen Gesellen des Prinzen Johann meiner spotten! Und doch fühle ich, daß ich mich gar schlecht zu der Rolle eigne, die ich übernommen habe. Ich kann ein so schönes Gesicht nicht vom Schmerz entstellt, noch solche Augen in Tränen schwimmen sehen. Ich wollte, sie wäre bei der würdevollen Ruhe geblieben, die sie erst zeigte, oder ich hätte ein Stück von Front- de-Boeufs versteinertem Herzen!«

Während ihm solche Erwägungen durch den Sinn gingen, erklang plötzlich jenes Horn, das mit weitschallendem, kühnem Klange auch die anderen Bewohner des Schlosses geschreckt hatte und störend in die Pläne der Habsucht und Wollust eingriff.

Einundzwanzigstes Kapitel

Während dieses in den andern Teilen des Schlosses vorging, erwartete die Jüdin Rebekka ihr Schicksal in einem hohen, abgelegenen Turme. Sie war von zwei verkleideten Räubern geführt worden und fand in der kleinen Zelle eine alte Frau, die ein sächsisches Lied vor sich hinmurmelte, zu welchem ihre auf dem Boden tanzende Spindel den Takt gab. Die Alte erhob ihr Haupt, als Rebekka eintrat, und sah die schöne Jüdin mit dem feindseligen Blick an, wie ihn Alter und Unglück auf Jugend und Schönheit zu werfen pflegen. –

»Du mußt fort von hier, alte Unke,« sagte einer der Männer, »unser edler Herr befiehlt es, und dieses Gemach einem schönern Gaste überlassen.« –

»So werden treue Dienste belohnt,« schrie die Alte, »ich weiß die Zeit, wo mein Wort den besten Mann in Waffen aus Sattel und Dienst gehoben hätte und nun muß ich fort auf den Befehl eines Flegels, wie du bist.«

»Gute Frau Urfried,« sagte der Mann,«sprich nicht darüber, sondern steh auf und packe dich. – Unsers Herrn Gebote müssen schnell erfüllt werden. Du hast deine Zeit gehabt, alte Dame, doch deine Sonne ist längst untergegangen. Du hast zu deiner Zeit einen guten Schritt gehabt, aber jetzt kannst du nur humpeln. Komm, humple mit mir.«