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Zuerst wurde der Kaplan aufgefordert, den Inhalt vorzulesen. »Bei dem Hirtenstabe des heiligen Dunstan, der mehr Schafe in den Stall getrieben hat, als irgendein Heiliger ins Paradies,« sagte dieser würdige Geistliche, »ich schwöre Euch, ich kann diese Sprache nicht lesen und weiß viel, obs arabisch oder französisch ist.« Er gab den Brief Gurth, der brummend den Kopf schüttelte und ihn Wamba gab. Der Narr guckte die vier Ecken des Bogens an, als sei ihm der Inhalt verständlich, machte einen Bocksprung und gab das Schreiben Locksley.

»Wären die kurzen Buchstaben Pfeile und die langen Buchstaben Bogen,« beteuerte der ehrliche Yeoman, »dann könnte ich es euch deuten, so aber ist der Inhalt des Briefes so sicher vor mir wie ein Hirsch, der zwölf Meilen von mir weg ist.«

»Dann muß ich wohl den Vorleser machen,« sagte der schwarze Ritter, nahm Locksley den Brief ab, las ihn erst für sich durch und übersetzte ihn dann seinen Zuhörern ins Sächsische.

»Den edeln Cedric hinrichten!« rief Wamba aus. »Beim heiligen Kreuz, da irrt Ihr Euch wohl, Herr Ritter!«

»Nein, mein wackerer Freund,« entgegnete dieser, »ich habe Euch die Worte übersetzt, so wie sie hier geschrieben stehen.«

»Dann beim heiligen Thomas,« rief Gurth, »wir müssen das Schloß haben und sollten wir's mit'n Händen einreißen.«

»Weiter haben wir auch nichts dazu,« sagte Wamba, »und meine Hände sind tatsächlich nicht mal imstande, Stein und Mörtel zu zerbrechen.«

»Das ist nur eine List, um Zeit zu gewinnen,« meinte Locksley. »Sie dürfen es nicht wagen, eine Tat zu verüben, die ich furchtbar rächen könnte.«

»Ich wollte, es wäre einer unter uns,« sagte der schwarze Ritter, »der ins Schloß hineingelangen könnte, um zu erfahren, wie es bei den Belagerten aussieht. Sie fragen ja nach einem Beichtvater, da könnte doch der heilige Eremit hier zugleich seines Amtes walten und uns die erwünschte Kunde bringen.«

»Geht zum Kuckuck mit Euerm Rat!« sagte der fromme Einsiedler. »Ich sage Euch, Herr Faulpelz, wenn ich meine Mönchskutte einmal ausgezogen habe, dann ist meine Priesterschaft, meine Heiligkeit und mein ganzes Latein mit weg, und in meinem grünen Wams kann ich wohl zwanzig Stück Wild erlegen, aber nicht einem Christen die Beichte abnehmen.«

»Ich fürchte,« sagte der schwarze Ritter, »wir finden hier keinen anderen, der an Stelle des Einsiedlers den Beichtvater machen kann.« Alle sahen einander schweigend an. »Ich sehe schon,« sagte Wamba nach einer Pause, »der Narr wird immer 'n Narr bleiben und da seinen Hals aufs Spiel setzen, wo sich weise Männer fein davor hüten. Ihr müßt wissen, liebe Gevattern und Landsleute, ich bin braun einhergegangen, ehe ich buntscheckig wurde, und ich bin zum Mönch erzogen worden, ehe ich in mir so viel Verstand entdeckte, daß ich Narr werden konnte. Ich hoffe, wenn ich mit dem Priesterrock dieses guten Eremiten alle Priesterschaft Heiligkeit und Gelehrsamkeit, die darin stecken mag, anlege, dann werd ich geschickt genug befunden werden, unserem würdigen Vater Cedric und seinen Leidensgefährten weltlichen und geistlichen Trost zu bringen.«

»Was denkst du, Gurth,« fragte der schwarze Ritter, »hat er Verstand genug?«

»Ich weiß nicht,« entgegnete Gurth, »aber 's wäre das erstemal, wenn er hier nicht Pfiffigkeit genug zeigte, aus seiner Narrheit Vorteil zu ziehen.«

»Dann hinein in die Kutte, ehrlicher Kerl!« entschied der schwarze Ritter. »Dein Herr soll uns durch dich wissen lassen, wie es im Schlosse steht. Sie können nicht viel Mannschaft drin haben, und es ist fünf gegen eins zu wetten, daß uns ein kühner und plötzlicher Angriff den Sieg verschafft. Aber die Zeit drängt – darum halte dich dazu!«

»Bis dahin,« sagte Locksley, »wollen wir das Schloß scharf besetzt halten, daß auch nicht eine Fliege mit einer Botschaft daraus entwischen kann. Du, guter Freund,« setzte er zu Wamba hinzu, »kannst den Tyrannen darinnen schon immer versichern, daß jede Gewalttätigkeit an ihren Gefangenen aufs strengste an ihrer Person vergolten werden soll.«

»Pax vobiscum!« sagte Wamba, schon in der Verkleidung des Geistlichen.

Dreiundzwanzigstes Kapitel

In der Kutte des Eremiten, die mit einem Strick um den Leib gegürtet war, stand Wamba vor dem Schloßtore. Der Torhüter fragte ihn nach Namen und Begehr. »Pax vobiscum!« antwortete der Narr. »Ich bin ein armer Bruder vom Orden des heiligen Franziskus und komme, um bei einigen unglücklichen Gefangenen dieses Schlosses meines Amtes zu walten.«

»Du bist 'n Mönch, der Courage hat,« sagte der Torwart, »daß du dich hierher getraust, wo seit unserem besoffenen Beichtvater zwanzig Jahre lang kein Hahn deines Gefieders gekräht hat.«

»Ich bitt Euch,« versetzte der Mönch, »richtet dem Schloßherrn aus, was ich Euch aufgetragen habe. Ich geb Euch mein Wort drauf, er wird mich freundlich aufnehmen, und der Hahn soll krähen, daß mans im ganzen Schloß hört.«

»Schön Dank,« erwiderte der Torhüter. »Wenn ich aber Schererei deswegen habe, daß ich auf Euern Auftrag hin von meinem Posten weggegangen bin, so will ich mal sehen, ob 'ne Mönchskutte gegen einen Pfeil mit grauen Gansfedern gefeit ist.« Mit dieser Drohung verließ er seinen Turm und bestellte im Schlosse die ungewöhnliche Botschaft, daß ein frommer Bruder am Tor sei und Einlaß begehre. Mit nicht geringer Verwunderung vernahm er den Befehl seines Herrn, den frommen Mann sofort hereinzulassen. So groß das Selbstvertrauen auch war, das Wamba bei seinem gefahrvollen Unternehmen beseelte, so drohte es ihn doch zu verlassen, als er sich einem so furchtbaren und gefürchteten Manne wie Reginald Front-de-Boeuf gegenübersah. Er brachte sein Pax vobiscum, das so ziemlich die ganze Weisheit seiner angenommenen Rolle ausmachte, mit weit mehr Angst und Zagen heraus als bisher. Aber Front-de-Boeuf war so daran gewöhnt, Leute jedes Standes vor sich zittern zu sehen, daß er in der Furchtsamkeit des vermeintlichen Mönches keinen Grund zu Argwohn fand. »Wer bist du, Priester, und woher kommst du?«

»Pax vobiscum!« wiederholte der Narr. Ich bin ein armer Bruder des Klosters zum heiligen Franziskus. Als ich hier durch die Wüste wandelte, so fiel ich unter Räuber und Diebe – quidam viator incidit in latrones, sagt die heilige Schrift. Diese Diebe haben mich nach dem Schlosse hier gesandt, daß ich bei zwei Personen, die Eure ehrenwerte Gerechtigkeit zum Tode verurteilt hat, meines Amtes walte.«

»Ja so!« machte Front-de-Boeuf. »Kannst du mir auch sagen, heiliger Vater, wie groß die Zahl der Banditen ist?«

»Tapferer Ritter,« antwortete der Narr, nomen illis legio – ihr Name ist Legion!«

»Sage mir rund heraus, Priester, wie viele sind ihrer im Walde draußen? Sonst sollen dich Kutte und Strick wenig schützen.«

»Wehe!« sagte der angebliche Mönch. »Cor meum eructavit, das heißt, mir war, als sollte ich vor Furcht verenden. Soviel ich aber bei aller Angst habe sehen können, so mögen es an Yeomen und gemeinem Volk wohl ihrer fünfhundert sein.«