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»Freilich, freilich,« versetzte die Elende, »tiefe, schwarze, verdammenswerte Schuld lastet zentnerschwer auf meiner Seele – alle Fegefeuer können mich nicht davon rein brennen. Ja, daß ich in diesen Hallen, deren Boden das edle, reine Blut meines Vaters und meiner Brüder getrunken hat, als die Metze ihres Mörders, und zugleich seine Sklavin, als die Genossin seiner wollüstigen Schwelgereien gelebt habe, das hat jeden Atemzug, den ich hier getan habe, zum Verbrechen und zum Fluche gemacht!«

»Du Auswurf!« rief Cedric. »Wenn deines Vaters Freunde, wenn jedes sächsische Herz für seine Seele und die seiner tapferen Söhne betete, so vergaßen sie nicht, auch für die hingemordete Ulrika zu beten – denn alle betrauerten sie als tot und ehrten sie im Tode – und dabei war sie noch am Leben und war wert, daß wir sie mit Haß und Abscheu überschütteten, lebte vereint mit dem schändlichen Tyrannen, der ihr das teuerste und ihrem Herzen nächste hingemordet hatte, der der Kinder Blut vergossen hatte, damit kein männlicher Erbe des Geschlechts Torquil Wolfgangers am Leben bleibe – und mit diesem hast du gelebt, in ungesetzlichem Liebesbunde?«

»Wohl in ungesetzlichem Bunde, aber nicht im Bunde der Liebe!« entgegnete die Alte. »Eher wohnt Liebe in der ewigen Verdammnis als in diesen Hallen. – Nein, das wenigstens brauche ich mir nicht vorzuwerfen. Haß gegen Front-de-Boeuf und sein ganzes Geschlecht hat meine Seele stets erfüllt, selbst in den Stunden verbrecherischer Lust.«

»So hast du ihn gehaßt und doch gelebt!« rief Cedric. »Erbärmliche! war denn kein Dolch da, kein Messer – nicht einmal eine Haarnadel? An solch einem Dasein konntest du noch hängen? Nur gut dann für dich, daß die Geheimnisse eines normännischen Schlosses verschlossen sind wie die eines Grabes. Hätte ich's mir nur träumen lassen, daß Torquils Tochter in verbrecherischer Gemeinschaft mit dem Mörder ihres Vaters lebte, das Schwert eines echten Sachsen hätte sie selbst in den Armen ihres Buhlen zu treffen gewußt.«

»Hättest du wirklich dem Namen Torquils zu dieser Gerechtigteit verholfen?« erwiderte Ulrika, »dann bist du wirklich der Sachse, so wie ihn das Gerücht darstellt, denn selbst in diese verfluchten Mauern hinein, wo die Schuld in undurchdringliches Geheimnis gehüllt ist, wie du sagst, selbst bis hierher ist Cedrics Name gedrungen, und ob ich auch elend und verworfen bin, so habe ich mich doch gefreut, daß unserm Volke ein Rächer lebt. – Auch ich habe meine Stunden gehabt, da ich der Rache frönte. Ich habe die Streitigkeiten zwischen unseren Feinden zu Flammen geschürt – ich habe trunkene Zecher zu wütenden Mördern gemacht – ihr Blut habe ich fließen sehen – ihr Todesröcheln vernommen. Schau mich an, Cedric, sind nicht in diesem verwelkten, vor Schande entarteten Antlitz noch Spuren von Torquils Zügen?«

»Nicht danach frage mich, Ulrika,« erwiderte Cedric in einem Tone zwischen Haß und Abscheu. »Mir erscheinen diese Züge wie die eines Verstorbenen, in dessen Leichnam ein böser Geist gefahren ist.«

»Mag schon sein,« sagte Ulrika. »Und doch haben diese höllischen Züge einst die Larve eines heiteren Genius getragen, als um meinetwillen der ältere Front-de-Boeuf und sein Sohn Reginald in Streit gerieten. Wohl sollte die Hölle mit all ihrer Finsternis verhüllen, was nun geschah, aber die Rache lüftet den Schleier und zeigt, was selbst die Toten reden machen könnte. – Lange hatte unter der Asche die Glut der Zwietracht zwischen dem tyrannischen Vater und seinem wilden Sohne geglommen, lange hatte ich insgeheim den widernatürlichen Haß genährt. In einer Stunde wüster Trunkenheit brach er lodernd aus, und an seinem eigenen Tische fiel mein Peiniger von der Hand seines eigenen Sohnes. Das sind die Geheimnisse, die die Hallen hier verschließen. – Stürzt ein, ihr fluchbeladenen Gewölbe!« setzte sie hinzu, mit einem Blick nach oben, »und in euerm Fall begrabt alle, die um das abscheuliche Geheimnis wissen!«

»Und du schuldvolles und jammervolles Wesen,« sagte Cedric, »wie erging es dir, nachdem der Räuber deiner Ehre gefallen war?«

»Errat es, doch frage nicht danach! Hier hab ich gehaust, bis Alter, vorzeitiges Alter mir seine gräßlichen Male ins Gesicht grub. Da, wo man mir ehedem gehorcht hatte, war ich verachtet und verhöhnt, und meine Rache, die einst ein so weites Feld gehabt hatte, war nun eingeschränkt auf die kleinliche Bosheit einer mißvergnügten Hausgenossin und auf die unbeachteten Flüche eines alten Weibes. – Verdammt dazu war ich, von meinem Turm herab das Gelärm der Zechgelage zu hören oder das Jammern der neuen Opfer ihrer Grausamkeit.«

»Ulrika, ich fürchte, dein Herz verlangt nach einem Lohne für deine Schandtaten, um den du gekommen bist. Wie kannst du es wagen, dich an einen zu wenden, der dieses Gewand trägt? – Bedenke, Unglückliche, was vermöchte der heilige Eduard für dich zu tun, stünde er in fleischlicher Gestalt jetzt hier? Der königliche Bekenner hatte wohl von Gott die Gnade, den Körper von Wunden zu heilen, aber nur der Allmächtige selber kann die Seele vom Aussatz reinigen.«

»Nicht so wende dich von mir, ernster Prophet des Zornes!« rief sie. »Sage mir, wenn es in deinem Wissen liegt, was wird das Ende sein der ungekannten schrecklichen Empfindungen, die jetzt in meine Einsamkeit schleichen? Warum stehen längst vergangene Taten in neuem Grausen deutlich vor mir auf? Was wird jenseit des Grabes das Schicksal der Elenden sein, die Gott schon hinieden mit so unsäglichem Elend gestraft hat?«

»Ich bin kein Priester,« sagte Cedric, indem er sich voller Abscheu von diesem gräßlichen Bilde der Schuld, des Jammers und der Verzweiflung abwendete, »ich bin kein Priester, wenn ich auch das Gewand eines Priesters trage.«

»Du seiest Priester oder Laie,« war die Antwort, »du bist der erste, der mir seit zwanzig Jahren vor Augen kommt, der Gott fürchtet und die Menschen achtet, und du willst mich der Verzweiflung überlassen?«

»Der Reue!« erwiderte Cedric. »Bete und tu Buße! Würde dir nur Erhörung! Aber ich kann und will nicht länger bei dir verweilen.«

»Noch einen Augenblick verweile!« sagte Ulrika. »Geh nicht also von mir, du Sohn des besten Freundes, den mein Vater hatte, sonst könnte mir der Teufel, der in meinem Leben die Oberhand hat, eingeben, daß ich mich räche für deine hartherzige Verachtung. – Glaubst du nicht, wenn Front-de-Boeuf Cedric den Sachsen in seinem Schlosse fände, in solcher Verkleidung, daß dein Leben nicht verloren wäre? Sein Auge hat dich schon angeblitzt wie ein Falke, der seine Beute schaut.«

»Und wäre dem so,« antwortete Cedric, »eher möge er mich zerreißen mit Schnabel und Krallen, ehe ich ein Wort sagte, von dem mein Herz nichts wüßte. So will ich sterben als Sachse, wahr in Worten, offen in Taten. Hebe dich weg – rühr mich nicht an – halt mich nicht auf – selbst der Anblick Front-de-Boeufs ist mir nicht so verhaßt wie deiner, du elendes, verworfenes Weib!«

»Wenn dem so ist,« versetzte Ulrika, ihn nicht länger zurückhaltend, »so geh deines Wegs und vergiß im Dünkel deiner Erhabenheit, daß das elende Weib, das vor dir steht, die Tochter des besten Freundes ist, den dein Vater gehabt hat. – Mach, daß du fortkommst! Wenn mich meine Leiden vom Geschlechte der Menschen scheiden, von denen die mir von Rechts wegen helfen sollten, so soll doch keine Scheidung sein zwischen ihnen und meiner Rache. Helfen soll mir niemand, aber alle Welt soll auflauschen, wenn meine Rachetat ruchbar wird! – Fahr wohl! Das letzte Band, das mich noch mit meinem Volke zu verknüpfen schien, ist durch deine Verachtung zerrissen, indem du mir die Hoffnung nahmst, daß ich in meinem Jammer bei ihm Erbarmen finden würde.«

»Ulrika,« sagte Cedric, durch diese Worte sanfter gestimmt, »so lange hast du dein Leben durch Schuld und Elend getragen, und nun, da dir die Augen geöffnet werden, daß du deine Verbrechen erkennst, daß du die Reue als deine Aufgabe einsiehst, willst du dich der Verzweiflung hingeben?«