Выбрать главу

»Cedric,« erwiderte Ulrika, »schlecht kennst du das menschliche Herz. Wer leben will, wie ich gelebt habe, der muß einen wahnwitzigen Hang zur Wollust haben, gepaart mit brennendem Durst nach Rache, und muß sich seiner Macht bewußt sein. Zaubertränke sind das, sie berauschen das menschliche Herz, daß ihm die Kraft zur Reue genommen wird. Längst ist ihre Macht dahin. Das Alter kennt keine Wonne, und Runzeln vermögen nicht zu reizen, in ohnmächtigen Verwünschungen stirbt selbst die Rache dahin. Dann kommen die Gewissensbisse den Nattern gleich angeschlichen, dazu die Sehnsucht nach der Vergangenheit und das Grausen beim Gedanken an die Zukunft. Wenn dann alle anderen mächtigen Antriebe ihre Kraft verloren haben, dann werden wir den höllischen Feinden gleich, die wohl Gewissensqualen, doch nimmer Reue fühlen können. Aber deine Worte haben mir eine neue Seele eingeflößt. Du hast gesagt, denen die zu sterben wissen, ist alles möglich. Damit hast du mir den Weg zur Rache gezeigt, und sei gewiß, ich werde ihn einschlagen. Bis auf den heutigen Tag hat der Durst danach den Platz in dieser Brust geteilt mit anderen Leidenschaften, die ihm die Herrschaft streitig machten, jetzt aber soll er allein in mir wohnen, und du selber sollst sagen, daß sich Ulrika, wie auch ihr Leben war, im Tode als würdige Tochter Torquils gezeigt hat. Draußen steht ein Feind, der dieses fluchwürdige Schloß belagern will. Eile du, daß du sie zum Kampfe führst, und wenn du von dem Turme dort, der den Westwinkel dieses Kerkers bildet, eine rote Fahne wehen siehst, dann dränge hart auf die Normannen ein. Sie sollen dann drinnen im Schlosse genug zu schaffen haben, und ihr könnt trotz allen Bogen und Steinschleudern die Mauern ersteigen. Ich bitte dich, geh – folge du deinem Schicksal und überlaß mich dem meinen.«

Gern hätte sich Cedric noch näher danach erkundigt, was sie im Schilde führe, aber er vernahm eben die donnernde Stimme Front-de-Boeufs: »Wo schleicht der saumselige Priester herum? Beim heiligen Jakob von Compostella, einen Märtyrer mach ich aus ihm, wenn er unter meinem Dienstvolk Verrat anzettelt.«

»Ein böses Gewissen ist ein wahrer Prophet,« flüsterte Ulrika. »Fürchte dich nicht vor ihm – hinaus zu den deinen! Laß erklingen den Kriegsruf der Sachsen!«

Mit diesen Worten verschwand sie durch eine geheime Seitentür, und Reginald Front-de-Boeuf trat herein. Cedric tat sich Gewalt an und bezeigte dem hochmütigen Baron seine Untertänigkeit, Front-de-Boeuf erwiderte mit einem flüchtigen Kopfnicken. »Deine Beichte hat lange gedauert, Vater!« sagte er. »Um so besser für meine Gefangenen, denn es ist ihre letzte. Hast du sie auf den Tod vorbereitet?«

»Ich fand sie,« antwortete Cedric, in so gutem Französisch, wie er konnte, »in Fassung, sie hatten sowieso das Schlimmste erwartet, seit sie wußten, in wessen Hände sie gefallen waren.«

»Ei, ei, Herr Mönch,« sagte Front-de-Boeuf, »mir scheint, Eure Redeweise hat einen sächsischen Beigeschmack.«

»Ich bin erzogen worden im Kloster des heiligen Withold zu Burston,« erwiderte Cedric.

»So? Für das, was ich mit dir vorhabe, und auch für dich selber wäre es besser, wenn du ein Normann wärst. Aber in der Not darf man mit den Boten nicht wählerisch sein. Das Kloster zum heiligen Withold in Burston ist ein rechtes Eulennest und muß ausgeschwefelt werden. Aber der Tag ist nicht mehr fern, daß der Sachse in der Kutte ebenso wenig sicher sein soll wie im Panzer.«

»Gottes Wille möge geschehen!« versetzte Cedric, vor Wut zitternd. Aber Front-de-Boeuf dachte, er zittre aus Furcht.

»Ich glaube, du siehst im Geiste schon unsere Krieger in euerm Bierkeller und Refektorium. Aber um meinetwillen sollst du jetzt einmal dein heiliges Amt ablegen und eine andere Verrichtung auf dich nehmen. Wie es dann auch den andern ergehen mag, du sollst in deiner Zelle so sicher schlafen wie eine Schnecke in ihrem Häuschen.«

»Nennt Euern Befehl,« sagte Cedric, seinen Ingrimm unterdrückend.

»Folge mir durch diesen Gang, ich will dich zur Hinterpforte hinauslassen.« Während Front-de-Boeuf vor dem vermeintlichen Mönch herschritt, teilte er ihm den Auftrag mit, den er ihm zu geben beabsichtigte.

»Du siehst die Herde sächsischer Schweine, Mönch, die Schloß Torquilstone zu belagern wagt. Sage ihnen, was dir gerade einfällt. Wie schwach die Besatzung sei oder sonst was, daß du sie nur dazu bringst, noch vierundzwanzig Stunden zu warten. Inzwischen trägst du den Zettel hier – doch halt! – kannst du lesen, Priester?«

»Kein Jota,« erwiderte Cedric, »nur in meinem Gebetbuche kann ich lesen, weil ich da die Buchstaben kenne und den Dienst der Andachten auswendig kann. Gelobt sei unsere Frau und der heilige Withold!«

»Um so besser für meinen Zweck! Diesen Zettel hier bringst du zum Schlosse Philipps von Malvoisin, sage ihm, ich schicke ihn und der Templer Brian de Bois-Guilbert hätte ihn geschrieben. Er möchte dieses Blatt Papier nach York senden so rasch, als Mann und Roß reiten können. Gib ihm die Versicherung, er werde uns alle sicher und wohlbehalten hinter unsern Verschanzungen antreffen. – Eine Schande ist es, daß wir uns hier von dieser Bande von Strauchdieben müssen einschließen lassen, das Volk kennt es sonst nicht anders, als daß es beim bloßen Geklirr unserer Waffen oder beim Getrappel unserer Pferde auf und davonrennt. Ich sage dir, Priester, biete alle deine Kunst auf, um die Spitzbuben noch zurückzuhalten, bis unsere Freunde ihre Mannen beisammen haben. Meine Rache ist nimmer müde, sie gleicht dem Falken, der nicht eher Ruhe findet, als bis er sich gesättigt hat.«

»Bei meinem Schutzpatron,« sagte Cedric mit größerer Energie, als sich mit seiner angenommenen Rolle vertrug, »bei allen Heiligen, die jemals in England gelebt haben und gestorben sind, Euer Befehl soll ausgeführt werden, kein Sachse soll den Platz vor diesen Mauern verlassen, sofern mir nur ein wenig Macht gegeben ist.«

»Ha!« fiel ihm Front-de-Boeuf ins Wort, »du änderst deinen Ton, Priester, und sprichst stolz und kühn, als sei dir etwas daran gelegen, daß diese sächsischen Schweine unterliegen, und doch bist du mit ihnen verwandt.«

Cedric war wenig bewandert in der Kunst, sich zu verstellen, und jetzt hätte er etwas um einen Einfall Wambas gegeben, aber Not macht erfinderisch, wie das alte Sprichwort lautet, und er murmelte in seine Kutte, die Belagerer wären ja Geächtete, die von Staat und Kirche exkommuniziert seien.

»Despardieux!« rief Front-ds-Boeuf. »Da sagst du die Wahrheit. Ich hatte gar nicht daran gedacht, daß dieses Gesindel auch einen fetten Pfaffen ausrauben könne. – Doch mach dich nur auf den Weg,« setzte er hinzu, denn sie waren jetzt an der Pforte angelangt. Hier führte ein schmales Brett über den Graben nach einem Außenwerk, von dem aus eine stark verteidigte Zugbrücke auf das offene Feld hinausführte. »Mach dich auf den Weg,« wiederholte Front-de-Boeuf. »Wenn du wiederkommen willst, sobald du deinen Auftrag ausgerichtet hast, so soll Sachsenfleisch hier so wohlfeil sein als je das Schweinefleisch auf den Schlächterbänken von Sheffield. Und höre – mir scheint, du bist ein lustiger Bruder, komm wieder, und du sollst soviel Malvoisier haben, daß sich dein ganzes Kloster daran besaufen kann.«

»Gewiß,« entgegnete Cedric, »wir sehen einander wieder.«

»Hier hast du Handgeld,« fuhr der Normann fort und drückte dem Sachsen einen goldenen Byzantiner in die Hand, »und denke fein daran, daß ich dir die Kutte mitsamt deinem Felle abziehen lasse, wenn du meinen Auftrag nicht ausführst.«

»Und es soll dir völlig freistehen, beides zu tun,« versetzte Cedric, indem er durch das Tor schritt und freudigen Fußes über das Feld eilte, »sofern ich, wenn wir uns wiedersehen, nichts Besseres von deiner Hand verdiene.« Dann wandte er sich nach dem Schlosse um und warf das Goldstück nach dem Ritter und rief: »Falscher Normann, dein Geld gehe unter mit dir!« Front-de-Boeuf verstand die Worte nicht, aber die Gebärde erschien ihm verdächtig. »Bogenschützen,« rief er den Wachen zu, die auf dem Außenwerke standen, »sendet dem Mönch einen Pfeil nach!« Aber als sie schon den Bogen spannten, setzte er hinzu: »Doch nein, haltet inne! lohnt nicht der Mühe! Wir haben keinen bessern und müssen ihm schon trauen. Ich denke, er wird es nicht wagen, mich zu hintergehen. Im schlimmsten Falle kann ich immer noch mit den sächsischen Hunden verhandeln, die ich sicher in der Falle habe. – Kerkermeister, laß den Cedric von Rotherwood herbringen und den andern Bauer, den von Conningsburgh – Athelstane oder wie sie ihn nennen! Ihr Name selbst ist eine Last für die Zunge eines Normanns, und man hat einen Geschmack davon, als kaute man Schweinefleisch. Holt mir eine Flasche Wein, daß ich mir, wie der lustige Prinz Johann sagt, den Geschmack hinunterspülen kann. Tragt sie in den Waffensaal und dorthin bringt auch die Gefangenen.«