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Den Schrecken sich zu nutze machend, den Athelstanes Fall verursachte, rief er laut: »Wer sich retten will, folge mir!«

Und die Bogenschützen auseinander jagend, stürmte er über die Brücke. Hinter ihm sprengten die Sarazenen einher und ein halbes Dutzend Berittener. Der Rückzug war gefährlich, aber er galoppierte um den Brückenkopf herum, den er, seinem Plan gemäß, in de Bracys Besitz glaubte. »De Bracy, de Bracy!« rief er. »Bist du hier?«

»Ich bin hier,« war die Antwort, »aber als Gefangener.«

»Kann ich dich befreien?«

»Nein! Ich habe mich auf Gnade und Ungnade ergeben und will ein ehrlicher Gefangener sein. Rette dich! Bring das Meer zwischen dich und England. Falken sind los! Mehr darf ich nicht sagen.«

»Gut,« antwortete der Templer, »du bleibst also hier, bedenke, daß ich mein Wort gelöst habe. Die Falken mögen sein, welche sie wollen, so denke ich, die Mauern des Präzeptoriums von Tempelstowe werden mir ein hinlänglicher Schutz sein, und dorthin will ich, wie der Reiher in sein Nest, fliehen.«

Nachdem er dies gesagt hatte, eilte er im vollen Rosseslauf mit den Seinen davon.

Indessen kämpften von der Schloßmannschaft alle, die noch nicht zu Pferde hatten kommen können, wie die Wilden, nachdem der Templer verschwunden war. Aber mehr, weil sie keinen Pardon zu erwarten hatten, als weil sie noch Hoffnung gehegt hätten, zu entkommen. Zudem hatte das Feuer inzwischen alle Teile des Schlosses ergriffen, und nun erschien Ulrika, die es angelegt hatte, auf einem Turme, einer Furie vergleichbar. Sie stimmte einen alten sächsischen Schlachtgesang an. Ihr langes graues Haar wehte im Winde. Ihr Auge glühte von dem trunkenen Entzücken gestillter Rache, und wie eine riesige Feuersäule stiegen die auflodernden Flammen gegen den Abendhimmel empor, weithin sichtbar. Turm auf Turm brach zusammen, Dächer und Balken barsten. Wer von den Besiegten mit dem Leben davongekommen war, hatte sich in den Wald geflüchtet. Die Sieger standen in großen Gruppen da und starrten in die Glut.

Lange war die gräßliche Erscheinung der wahnsinnigen Sächsin Ulrika zu sehen, sie reckte die Arme hoch empor und sah aus wie eine Gebieterin des Brandes, den sie angelegt hatte. Endlich stürzte der Turm mit Gekrach ein, und sie kam in den Trümmern um. Eine Pause schreckensvollen Schweigens herrschte, und kaum war leises Murmeln zu hören. Wenn sich einer rührte, so war es, um das Zeichen des Kreuzes zu machen. Endlich erhob Locksley seine Stimme und rief: »Jauchzt, Yeomen! – Die Höhle des Tyrannen ist nicht mehr. – Jeder bringe seine Beute auf unsern Sammelplatz, zum Gerichtsbaum in Harthilwalk. Dort wollen wir bei Tagesanbruch jedem der unsern und unsern edeln Verbündeten in dieser großen Rachetat seinen gebührenden Anteil geben.«

Achtundzwanzigstes Kapitel

Der Morgen dämmerte auf den Grasplätzen im Eichenwalde. Wie Perlen blitzten Tautropfen auf den grünen Zweigen. Das Reh kam aus seinem Schlupfwinkel hervor und führte die Zicklein auf die Lichtungen, und kein Jäger war da, den stolzen Hirsch zu beobachten, der an der Spitze seiner gehörnten Herde dahinschritt. Die Geächteten waren um den Gerichtsbaum von Harthilwalk versammelt, wo sie die Nacht verbracht hatten, teils hatten sie gezecht, teils geschlafen, teils sich von den Begebenheiten des Tages unterhalten und die Beute überschlagen, die dieser Sieg ihrem Hauptmanne verschafft hatte und die nun an dieser Stätte ihrer Wahrsprüche verteilt werden sollte. Die Beute war reich. Wenn auch manches verbrannt war, so hatten doch die Geächteten, deren Kühnheit, wenn ihrer solcher Lohn harrte, vor keiner Gefahr zurückschreckte, vieles Silbergeschirr, reiche Waffenstücke und Kleider gerettet. So strenge waren die Gesetze ihrer Vereinigung, daß es keiner unter ihnen wagte, sich an der Beute zu vergreifen, die zu einem großen Haufen zusammengetragen war.

Der Platz dieser Zusammenkunft war eine uralte Eiche, die eine halbe Meile von Schloß Torquilstone entfernt stand. Unter den dicht verwachsenen Ästen des riesigen Baumes saß hier Locksley auf einem Thron von Rasen. Um ihn her standen seine Getreuen. Zu seiner Rechten saß der schwarze Ritter, zu seiner Linken der edle Cedric.

»Vergebt, edle Herren,« sagte er. »In diesen Wäldern bin ich König. Diese meinen rauhen Untertanen würden es mir sehr verübeln, wenn ich meinen Platz irgend einem andern einräumen würde. Aber wo steckt unser Kaplan, unser wackerer Mönch? Ein Christ tut gut daran, sein Tagewerk mit einer Messe einzuleiten. Hat niemand den Mönch von Copmanhurst gesehen?«

»Mit Verlaub,« sagte einer der Hauptleute, »ich glaube, der fidele Priester ist zu lange bei der Weinflasche gewesen.«

»Wer hat ihn gesehen, seit das Schloß erobert ist?«

»Ich habe ihn an der Kellertür gesehen,« antwortete einer. »Er verschwur sich bei allen Heiligen des Kalenders, er wolle den Gaskognerwein des Normannen kosten.«

»So mögen es alle Heiligen verhüten, daß er zuviel Wein getrunken hat und beim Einsturz des Schlosses umgekommen ist! Sucht nach ihm! Gießt Wasser aus dem Graben auf die brennenden Trümmer. Ich will eher jeden Stein umdrehen, ehe ich meinen Mönch verloren gebe. Inzwischen wollen wir an die Austeilung der Beute gehen, denn wenn diese kühne Tat ruchbar wird, so werden sich de Bracys Freischar und Malvoisin und andere Verbündete Front-de-Boeufs gegen uns aufmachen. Da müssen wir das Unsrige in Sicherheit bringen. – Edler Cedric,« wandte er sich an den Sachsen, »die Beute ist in zwei Teile geteilt, wähle dir den, der dir am besten gefällt, um deine Leute zu belohnen, die dir bei diesem Unternehmen geholfen haben.«

»Guter Yeomen,« antwortete Cedric, »mir ist das Herz schwer vor Kummer. Athelstane von Conningsburgh ist dahin – der letzte Sproß des heiligen Bekehrers – mit ihm sind Hoffnungen, die nie wieder aufleben können, in die Grube gefahren. Mit seinem Blute ist ein Funke erloschen, den keines Menschen Hauch wieder anzufachen vermag. Meine Leute, die außer den wenigen, die hier bei mir sind, meiner daheim harren, warten nur auf mich, um seine verehrte Leiche zur letzten Ruhe zu bestatten. Lady Rowena will nach Notherwood zurückkehren, und ein ansehnliches Gefolge muß sie begleiten. Ich selber wäre auch schon längst weg, wenn ich nicht hätte warten wollen, nicht auf die Verteilung der Beute, denn meiner Treu, ich und die meinigen nehmen nicht einen Heller davon, sondern um dir und deinen tapfern Bogenschützen unsern Dank abzustatten, daß ihr uns Leben und Ehre gerettet habt.«

»Aber wir haben höchstens nur die Hälfte der Arbeit getan, nimm wenigstens soviel von der Beute, daß du deine Nachbarn und Anhänger belohnen kannst.«

»Ich bin reich genug, daß ich dies aus eigenen Mitteln tun kann,« erwiderte Cedric.

»Und manch einer,« sagte Wamba, »war schon allein so schlau und hat gesehen, wo er bleibt, es haben nicht alle Narrenkappen auf.«

»Meinetwegen,« versetzte Locksley. »Unsere Bestimmungen gelten nur für die Unserigen.«

»Aber du, mein armer Schelm,« sagte Cedric, wandte sich um und schloß seinen Narren in die Arme. »Wie soll ich dich belohnen, der du dich für mich in Ketten schlagen ließest und dem Tode preisgabst? – Alle hatten mich verlassen, mein Narr ist mir treu geblieben.« Bei diesen Worten glänzte dem rauhen Than eine Träne im Auge. Eine solche Gefühlsäußerung hatte ihm nicht einmal Athelstanes Tod entlockt.

»Nein,« sprach der Narr und machte sich aus den Armen seines Herrn los, »wenn Ihr meine Dienste mit'm Wasser Eurer Augen lohnt, so muß der Narr mitweinen und dann wird er seinem Beruf untreu. Aber, wenn du mir wirklich 'nen Gefallen tun willst, Onkelchen, so vergib meinem Kameraden Gurth, daß er dir 'ne Woche den Dienst gekündigt hatte, um deinem Sohne zu dienen.«