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»Ihm vergeben?« antwortete Cedric. »Ich will ihm Vergebung und Lohn zugleich gewähren. Gurth, knie nieder!« Der Schweinehirt fiel seinem Herrn zu Füßen. »Hinfort sollst du kein Leibeigener mehr sein, sondern ein freier Mann in Wald und Feld.« Und er berührte ihn mit seinem Stabe. »Ich gebe dir ein Stück Land für dich und deine Nachkommenschaft, und Gottes Fluch über die, so dem jemals widersprechen.« Gurth, der nun kein Sklave mehr, sondern ein freier Mann und Eigentümer war, sprang vor Freude so hoch, wie er selber war.

»Einen Schmied her und 'ne Feile!« rief er. »Der Nacken eines freien Mannes darf kein Band mehr tragen. – Edler Herr! doppelt stark habt Ihr mich durch Euer Geschenk gemacht. So kann ich doppelt stark für Euch kämpfen. In meiner Brust ist jetzt freier Mut. Ich bin ein Mann! mir selber und gewiß auch allen andern komm ich ganz verändert vor. He! Packan!« fuhr er fort. »Kennst du mich noch? Kennst du deinen Herrn noch?« Der treue Hund sah, wie sich sein Gebieter freute und sprang an ihm in die Höhe.

»Jawohl,« sagte Wamba, »Packan und ich, wir werden dich noch immer erkennen, Gurth, weil wir noch 's Halsband umhaben, aber du wirst vielleicht uns und dich selber vergessen.«

»Sicherlich eher mich selber als dich, treuer Gefährte,« sagte Gurth, »und wenn dir die Freiheit was nützte, so hätte sie dir dein Herr auch gegeben.«

»Denke ja nicht, Bruder Gurth,« versetzte Wamba, »daß ich dich beneidete. Der Leibeigene sitzt am Herd in der Halle, der freie Mann muß ins Feld hinaus. Besser ein Narr und sichs wohl sein lassen, als ein Weiser und sich plagen müssen.«

Jetzt ließen sich Hufschläge vernehmen und Lady Rowena, von Reitern umgeben, erschien. Mit ihr kamen auch mehrere Bewaffnete zu Fuß an. Sie schlugen die Waffen gegeneinander, um ihre Freude über die Befreiung der Lady auszudrücken. Sie selber saß auf einem kastanienbraunen Zelter in all ihrer Anmut und Würde, und nur ihre Blässe zeigte, was sie gelitten hatte. Auf ihrer schönen Stirn lagen Wolken des Kummers, aber dazwischen strahlte auch ein Schimmer der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Sie wußte, daß Ivanhoe gerettet und Athelstane tot war. Über das erstere empfand sie das innigste Entzücken, und wenn sie sich über das letztere auch nicht gerade freute, so mag man ihr doch verzeihen, wenn sie sich nicht verhehlte, daß ihr diese Wendung nur willkommen sein müsse, da sie nun vor der Betreibung der einzigen Sache gesichert war, über die sie mit ihrem Vormund nicht eines Sinnes war. Und als Rowena auf Locksley zuritt, erhob sich dieser mit all seinen Gesellen und begrüßte sie. Das Blut stieg ihr in die Wangen, als sie freundlich mit der Hand winkte und sich so tief herabneigte, daß sich ihr langes loses Haar mit der Mähne ihres Rosses vermischte, während sie mit kurzen Worten Locksley und den andern Befreiern ihren Dank aussprach. »Gott segne Euch, ihr wackern Männer,« sagte sie. »Gott und die heilige Jungfrau mögen mit euch sein und euch dafür belohnen, daß ihr so tapfer den Gefahren die Stirn geboten und die Bedrückten errettet habt. So einen unter euch hungert, denkt daran, Rowena hat Speise für euch, und so es einen dürstet, Rowena hat manches Faß Wein und Braunbier für euch, und so euch die Normannen aus diesen Wäldern treiben, Rowena hat Wälder, wo ihre tapfern Befreier in voller Freiheit leben können.«

»Habt Dank, gütige Lady,« sagte Locksley. »Dank in meinem und meiner Genossen Namen. Aber es ist allein schon Lohnes genug, Euch gerettet zu haben. Wir begehen In unsem Wäldern manche rohe Tat. Möge die Befreiung der Lady Rowena ein kleiner Entgelt dafür sein.«

Sie verneigte sich wieder, wie um wegzureiten, als sie aber noch einen Augenblick zauderte, da sie sich von Cedric verabschieden wollte, sah sie plötzlich neben sich den gefangenen de Bracy. Die Arme über der Brust gekreuzt stand er in tiefem Sinnen unter einem Baume, und Rowena hoffte, unbemerkt an ihm vorüberzukommen, aber er blickte auf, und als er Rowena sah, überzog tiefe Schamröte sein hübsches Gesicht. Ein kleines Weilchen wußte er nicht, was er tun sollte, dann trat er vor und ergriff die Zügel ihres Pferdes und lieh sich auf ein Knie nieder. »Will Lady Rowena,« sagte er, »den gefangenen Ritter, den entehrten Soldaten eines Blickes würdigen?«

»Herr Ritter,« erwiederte sie, »in Unternehmungen, wie die Eure war, liegt die Entehrung nicht im Fehlschlagen, sondern im Gelingen.«

»Laßt mich nur wissen, daß Lady Rowena die Gewalttat verzeiht, zu der mich eine unglückliche Leidenschaft getrieben hat, und Ihr sollt bald vernehmen, daß de Bracy Euch auf edleren Wegen dienen kann.«

»Ich vergebe Euch, Herr Ritter, aber nur soweit als ich Christin bin.«

»Das heißt soviel wie ganz und gar nicht,« sagte Wamba.

»Nie aber werde ich den Kummer und das Elend vergessen, den Ihr mir durch Euern Wahnwitz bereitet habt,« fuhr Rowena fort.

»Laßt den Zügel der Lady los,« rief Cedric, der jetzt hinzu kam. »Bei dem hellen Sonnenschein über uns, wenn ich mich nicht schämte, ich nagelte dich mit meinem Wurfspieß an die Erde. Doch seid versichert, Moritz de Bracy, für diese schändliche Tat empfangt Ihr noch Euer Teil!«

»Wer einem Gefangenen droht, braucht keine Angst zu haben,« erwiderte der Normann. – »Aber wann hätte je ein Sachse einen Begriff von Ritterlichkeit gehabt?« Er trat zurück und ließ die Lady weiterreiten.

Cedric gab vor seinem Aufbruch dem schwarzen Ritter die Versicherung seines herzlichen Dankes und lud ihn dringend ein, mit nach Rotherwood zu kommen. »Ich weiß,« sagte er, »Ihr fahrenden Ritter tragt Euer Glück auf der Spitze Euers Schwertes und fragt nicht nach Land und Gut, aber manchmal ist auch dem wandernden Krieger ein Heim angenehm. Ihr habt Euch eins in Rotherwood gesichert, edler Ritter. Cedric ist reich, aber alles, was sein ist, gehört auch dem, der ihn befreit hat. Kommt nach Rotherwood, und Ihr werdet nicht wie ein Gast, sondern wie ein Sohn und Bruder empfangen werden.«

»Cedric hat mich schon reich gemacht,« erwiderte der Ritter. »Er hat mich den Wert sächsischer Tugend erkennen gelehrt. Nach Rotherwood will ich kommen, einstweilen aber halten mich ernste Geschäfte von Euern Hallen fern. Wenn ich komme, so verlange ich vielleicht eine Gunst von Euch, die Eure Großmut auf die Probe stellen wird.«

»Noch ehe Ihr sie ausgesprochen habt, ist sie gewährt,« erwiderte Cedric, die bloße Hand in die des Ritters legend, der den eisernen Handschuh trug. »Sie ist gewährt, und gelte es mein halbes Vermögen.«

»Gebt Euer Versprechen nicht so vorschnell,« sagte der Ritter vom Fesselschloß. »Einstweilen lebt wohl!«

Rowena verneigte sich anmutsvoll gegen den schwarzen Ritter, der Sachse befahl ihn dem Schutze Gottes, und fort ritten sie über den Rasenplatz des Waldes.

Sie waren kaum weggeritten, da erschien im Waldesgrün ein Zug, der sich in derselben Richtung wie der der Lady Rowena vorwärtsbewegte. Die Priester eines benachharten Klosters, bewogen durch das Versprechen eines reichen Geschenkes von Cedric, folgten der Bahre, auf der der Leichnam Athelstanes lag. Er wurde in langsamem feierlichen Schritt auf den Schultern seiner Vasallen nach seinem Schlosse Conningsburgh getragen, und Grabgesänge wurden dazu gesungen. In der Gruft, wo Hengist lag, von dem der Tote seine Herkunft ableitete, sollte er bestattet werden. Die Geächteten erhoben sich und bezeugten dem Leichenzuge die gleiche ungeschlachte Huldigung, die sie soeben der lebenden Schönheit gezollt hatten. Der Trauergesang und der feierlich abgemessene Schritt rief ihnen die im Kampfe des verflossenen Tages gefallenen Kameraden ins Gedächtnis.

Solche Erinnerungen waren jedoch nicht von langem Bestand bei denen, die ein Leben steter Gefahr und Abenteuer führten. Ehe noch die Klänge der Hymne verhallt waren, hatten sich die Geächteten schon wieder an die Verteilung ihrer Beute gemacht.