Выбрать главу

»Mein guter de Bracy, was denkt Ihr über diesen Waldemar Fitzurse? Er denkt, er wäre schon Kanzler. Aber selbstverständlich werden wir uns sehr überlegen, ob wir ein so wichtiges Amt einem Manne übertragen, der so geringe Achtung vor unserm Blute beweist, indem er so rasch bereit ist, etwas gegen unsern Richard zu unternehmen. Ihr denkt vielleicht, Ihr hättet in unserer Achtung verloren, indem Ihr das unerquickliche Ansinnen ablehntet? Nein, Moritz, wir achten Eure tugendhafte Standfestigkeit. Es gibt Dinge, die eben unbedingt getan werden müssen, ohne daß wir aber den Täter lieben oder achten. Und es gibt Weigerungen, etwas zu tun, die unsere Achtung vor dem, der sich unserm Willen widersetzt, nur noch erhöhen. Wenn jener meinen Bruder gefangen nimmt, so erwirbt er sich damit keinen so gerechten Anspruch auf das hohe Amt eines Kanzlers, als Ihr Euch dadurch, daß Ihr ritterlich und mutig den Auftrag von Euch wieset, Anspruch auf den Stab des Großmarschalls erworben habt. Des seid eingedenk, de Bracy, und nun, an Eure Arbeit!«

»Wankelmütiger Tyrann!« murmelte de Bracy vor sich hin, als er den Prinzen verlassen hatte. »Schlecht fährt, wer dir traut! Dein Kanzler sein? Da müßte man ein Gewissen haben wie du selber. – Aber Großmarschall von England –« und er streckte den Arm aus, wie um schon den Stab zu ergreifen, und ging mit großen Schritten durch das Zimmer – »das ist ein Preis der Mühe wert!«

Dreißigstes Kapitel

Auf dem Maulesel, den ihm die Geächteten geschenkt hatten, begleitet von zwei stämmigen Yeomen, die ihm zum Schutz und als Wegweiser dienten, war Isaak von York unterwegs auf seiner Reise nach dem Präzeptorium des Ordens der Tempelritter Templestowe, um dort wegen Losgabe seiner Tochter zu unterhandeln. Das Präzeptorium war nur eine Tagesreise von dem zerstörten Schlosse Torquilstone entfernt, und der Jude hoffte, noch vor Anbruch der Nacht dort einzutreffen. Am Rande des Waldes entließ er daher seine Führer, gab jedem zum Lohne eine Silbermünze und setzte dann allein seinen Weg mit einer Eile fort, die, als er noch vier Meilen von dem Hofe der Templer entfernt war, seine Kräfte völlig aufgerieben hatte. Brennende Schmerzen wühlten ihm im Rücken und in allen Gliedern. Zu diesen körperlichen Qualen kam noch seine Herzensangst, und es war ihm ganz unmöglich, weiter als bis zu einem kleinen Flecken zu kommen, wo ein jüdischer Rabbi wohnte, der sehr bewandert in der Medizin und auch mit Isaak gut bekannt war. Nathan Ben-Israel empfing seinen leidenden Glaubensgenossen mit aller Güte, die das Gesetz vorschreibt und die die Juden gegeneinander ausüben. Er drang darauf, daß sich Isaak sogleich zur Ruhe begeben sollte, und gab ihm Arzenei, die das Fieber aufhob, das Entsetzen, Angst, Trübsal und Erschöpfung in dem Körper des armen alten Juden angefacht hatten.

Als am andern Morgen Isaak aufstehen und weiterreiten wollte, widersprach Nathan als Wirt wie als Arzt diesem Vorhaben. Er sagte, es könne Isaak das Leben kosten. Aber Isaak erwiderte, mehr als Tod und Leben hinge davon ab, daß er unverzüglich nach Templestowe ritte.

»Nach Templestowe?« wiederholte sein Wirt erstaunt. Und er fühlte dem Kranken den Puls und murmelte: »Das Fieber hat nachgelassen, aber er scheint nicht recht bei Verstande zu sein.«

»Und warum nicht nach Templestowe?« versetzte der Patient. »Ich weiß wohl, es ist die Behausung derer, denen die verachteten Kinder der Verheißung ein Greuel sind, aber du weißt ja auch, daß uns wichtige Geschäfte oft mitten unter die blutdürstigen Soldaten der Nazarener führen.«

»Wohl, wohl!« sagte Nathan. »Weißt du aber auch, daß Lukas Beaumanoir, das Haupt des Ordens, den sie den Großmeister nennen, zurzeit in Templestowe ist?«

»Das wußte ich nicht.«

»Unerwartet ist er nach England gekommen und sein mächtiger Arm reicht weit, zu bessern und zu strafen. Groß ist die Furcht der Kinder Belials vor ihm. Sicher hast du schon von ihm gehört?«

»Gewiß,« antwortete Fsaak. »Die Heiden schildern diesen Lukas Beaumanoir als einen großen Eiferer, und unsere Brüder nennen ihn den großen Mörder der Sarazenen und der Kinder der Verheißung.«

»Und mit Recht nennen sie ihn so,« versetzte Nathan. »Was unter den Templern Pflicht heißt, das können andere wohl vergessen über Sinnesfreuden und Versprechungen von Gold und Silber. Beaumanoir aber ist aus anderm Schrot und Korn. Er haßt die Sinnlichkeit, er verachtet irdisches Gut und trachtet nur nach dem, was diese Leute die Krone des Märtyrers nennen. Möge der Gott Jakobs sie ihnen allen bald verleihen! Insbesondere hat dieser stolze Mann sein Schwert über die Kinder der Verheißung ausgestreckt, und in seinen Augen ist die Ermordung eines Juden ein besseres Opfer als die Ermordung eines Sarazenen. Von der Kunst unserer Ärzte hat er falsches und gottloses Gerücht verbreitet und sie als eine Eingebung des Satans verschrien. Möge ihn der Herr dafür züchtigen.«

»Trotz alledem und alledem,« erwiderte Isaak, »muß ich nach Templestowe, und wäre sein Angesicht furchtbar wie ein siebenfach geheizter Ofen.« Und er teilte Nathan die dringende Ursache mit, die ihn hinführe, und der Rabbi bekundete seine Teilnahme in der unter diesem Volke üblichen Weise, indem er sein Kleid zerriß und in lautes Klagen ausbrach. »So gehe denn,« sagte er dann. »Weisheit möge beschützen den Daniel in der Löwengrube. Wenn es geht, meide aber die Person des Großmeisters, denn es ist sein Morgen- und Abendlabsal, einem Juden Schmerz zu bereiten. Besser wäre es, wenn du mit Bois-Guilbert allein sprechen könntest, mit dem würdest du wohl leichter fertig werden, denn es heißt, diese verfluchten Nazarener seien untereinander gar nicht einig. Möge der Gott unserer Väter all ihre Anschläge werden lassen zuschanden!« Isaak sagte seinem Freunde Lebewohl und nach einer Stunde stand er schon vor dem Tore des Präzeptoriums von Templestowe.

Dieses Stift der Templer lag inmitten grüner Wiesen und fetter Weiden, die der vorige Präzeptor dem Orden vermacht hatte. Das Gebäude war gut befestigt: eine Vorsichtsmaßregel, die die Templer nie außer acht ließen und die in der damaligen Zeit auch nötig war. Zwei Hellebardiere in schwarzer Tracht standen an der Zugbrücke Posten, andere schritten auf den Wällen hin und her, in derselben düstern Kleidung, langsam wie Leichenbitter, mehr Gespenstern als Soldaten ähnlich. Ab und zu gingen auch Ritter in langen weißen Gewändern, das Haupt auf die Brust geneigt, und die Arme gekreuzt, über den Hof. Feierlich und stumm grüßten sie einander. Was strenge und asketische Leben der Templer, wie es die Ordensgesetze vorschrieben und durch das die üppige Ausschweifung und Zügellosigkeit bisher verdrängt worden war, schien unter dem strengen Blick des Großmeisters wieder in Templestowe eingekehrt zu sein.

Während Isaak am Tore hielt und überlegte, wie er wohl am besten hineinkommen könne, schritt Lukas Beaumanoir in einem kleinen Garten, der von den äußern Festungswerken eingeschlossen wurde, auf und ab. Er war in vertraulichem und bekümmertem Gespräch mit einem Ordensbruder, der ihn von Palästina her begleitet hatte. Lukas Beaumanoir war schon alt, sein Haar war grau, sein langer Bart war grau, seine buschigen Augenbrauen waren grau, aber sie hingen über zwei Augen hinweg, die ihr Feuer im Laufe der Jahre nicht verloren hatten. Seinen hagern und strengen Zügen sah man es an, daß er ein furchtbarer Krieger und ein mutiger standfester Streiter war, aber sie verrieten auch den fanatischen Büßer, den verbissenen Priester und den selbstzufriedenen Frömmler. Zu dem Ernst seines Gesichts gesellte sich ein Zug der Hoheit und des Adels, der gewinnend wirkte und wohl daher rührte, daß dieser Mann eine so bedeutende Rolle unter Fürsten und Herrschern spielte und ständig unter so vielen edeln und tapfern Rittern die höchste Gewalt ausübte. Sein Wuchs war hoch, Alter und Mühsal hatten ihn nicht gebeugt, und er hatte eine stolze und gebieterische Haltung. Der weiße Mantel, den er trug, war streng nach der Ordensregel zugeschnitten. Auf der linken Schulter saß das achteckige Kreuz aus rotem Tuch. In der Hand trug er den Amtsstab. Der Gefährte dieser hohen Person trug fast die gleiche Kleidung, aber an der tiefen Unterwürfigkeit, die er gegen den Großmeister bekundete, sah man, daß außer in der Kleidung keine Gleichheit zwischen ihnen bestand. Er ging nicht neben ihm, sondern hinter ihm, und zwar so weit, daß sich der Großmeister mit dem Präzeptor – denn das war der Rang des jüngeren – unterhalten konnte, ohne daß er sich umzuwenden brauchte.