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»Konrad,« sagte der Großmeister, »lieber Gefährte meiner Schlachten und meiner Arbeit, deinem treuen Busen allein kann ich meine Sorgen anvertrauen, dir allein kann ich sagen, wie oft ich schon, seit ich den Fuß in dieses Königreich gesetzt habe, bei mir selber gewünscht habe, ich möchte zu den Gerechten gerufen werden. Nichts außer den Gräbern unsrer Brüder im Gewölbe unsrer Tempelkirche – nichts von allem, was ich sonst in dieser stolzen Hauptstadt gesehen habe, hat meinem Auge Freude gemacht. Eher wollte ich mit hunderttausend Heiden fechten, als den Verfall unseres Ordens mitansehen!«

»Wahr ist es,« erwiderte Konrad de Mont-Fitchet – »nur zu wahr, unsere Brüder in England leben ausschweifender als die in Frankreich.«

»Weil sie reicher sind! Sei nachsichtig mit mir, Bruder, wenn ich mich selber ein wenig lobe. Du weißt, was für ein Leben ich geführt habe, jede Regel des Ordens habe ich streng befolgt, mit dem Teufel in und außer dem Fleische habe ich gekämpft, niedergeworfen habe ich den brüllenden Löwen, der nach Beute umherstreift – niedergeworfen, wie es die Pflicht eines echten Ritters und frommen Priesters ist. Aber bei dem heiligen Tempel, ich schwöre dir, außer dir und noch einigen wenigen, die noch nach der alten Strenge des Ordens leben, sehe ich hier keinen Bruder, den meine Seele des heiligen Namens für würdig hält. Konrad, die heiligen Gründer unseres Ordens sind aus dem Schlummer des Paradieses geschreckt. Diese Nacht habe ich sie im Traume gesehen – sie haben Tränen vergossen über die Sünden und Torheiten ihrer Brüder und über die schmachvollen Ausschweifungen, denen sie sich hingeben. – Beaumanoir, haben sie zu mir gesagt, – du schläfst, erwache! Auf dem Hause der Templer liegt ein Fleck, schändlich und groß, wie ein Zeichen des Aussatzes. Die Streiter des Kreuzes, die den Blick des Weibes fliehen sollen wie den eines Basilisken, leben in öffentlich sündhaftem Verkehr nicht allein mit den Weibern ihres Glaubens, sondern sogar mit den Töchtern der Juden und der Heiden! Beaumanoir! Du schläfst, wach' auf! Räche uns! Strafe die Sünde an Mann und Weib! – Dann war das Traumbild vorbei. Ich aber will handeln nach ihrem Gebot, ich will das Haus der Templer reinigen, den unreinen Stein, in dem die Pest sitzt, will ich aus der Mauer reißen und zermalmen!«

In diesem Augenblick kam ein Knappe, verneigte sich tief und wartete, daß ihm der Großmeister erlauben werde zu reden.

»Macht es sich nicht weit schicklicher,« sagte der Großmeister, »diesen Mann im Gewande der Demut und in ehrfurchtsvollem Schweigen vor seinem Obersten stehen zu sehen, als wie er noch vor ein paar Tagen umherging, wie ein Narr in gesticktem Wams, geschwätzig und großtuerisch wie ein Papagei? Sprich, wir erlauben es dir! – Was hast du für Botschaft?«

»Ein Jude,« antwortete der Knappe, »steht vorm Tore, hochwürdiger Vater, und begehrt mit Brian de Bois-Guilbert zu sprechen.«

»Du tust recht daran, daß du das mir meldest,« sagte der Großmeister. »Es liegt uns viel daran, etwas über die Lebensweise unseres Bruders Brian de Bois-Guilbert zu erfahren.«

»Er steht in dem Rufe, tapfer und tüchtig zu sein,« sagte Konrad.

»Mit Recht,« erwiderte der Großmeister. »Unsere Tapferteit allein ist noch unserer Vorfahren, der Helden des Kreuzes würdig. Aber als Bruder Brian in den Orden kam, war er ein düsterer unzufriedener Mensch, der, wie es mir schien, nicht aufrichtigen Gemütes sein Gelübde geleistet und der Welt entsagt hat. Seither ist er ein Unruhestifter geworden unter denen, die sich gegen unsere Gewalt auflehnen, und hat nie bedacht, daß dem Großmeister in dem Sinnbilde des Stabes und der Rute die Macht verliehen ist, die Schwachen zu stützen und die Fehlenden zu strafen.« Und sich zu dem Knappen wendend, setzte er hinzu: »Bring' den Juden vor uns.«

Mit einer tiefen Verneigung entfernte sich der Knappe und kam gleich darauf mit dem Juden Isaak von York wieder. Ein entblößter Sklave hätte nicht mehr Furcht und bleiches Entsetzen an den Tag legen können, als der Jude, indem er jetzt in die Nähe des Großmeisters trat. Und als er ihm etwa auf drei Ellen nahe gekommen war, gab Beaumanoir ein Zeichen mit seinem Stabs, daß er stehen bleiben solle. Isaak fiel auf die Knie, küßte zum Zeichen seiner Unterwürfigkeit die Erde und stand dann wieder auf und stellte sich vor den Großmeister hin, die Hände über der Brust gekreuzt und das Haupt zu Boden gesenkt, mit all jenen äußeren Gebärden der Demut, wie sie im Orient üblich sind.

»Geh« zurück,« sprach der Ordensmeister zu dem Knappen, »und laß niemand, wer es auch sei, in den Garten, solange wir noch hier sind. Der Knappe verneigte sich und ging. »Jude,« sagte nun der stolze Greis, »höre wohl! Es ist unserm Stande nicht angemessen, lange mit dir zu sprechen und Zeit und Worte mit dir zu vergeuden. Antworte daher kurz auf das, was ich dich fragen werde, und vor allem sprich die Wahrheit, denn wenn du mich belügst, so soll dir die Zunge aus dem ungläubigen Halse gerissen werden.«

Der Jude wollte antworten, aber der Großmeister fuhr fort: »Schweig, Ungläubiger! Kein Wort in unserer Gegenwart, es sei denn, du hast auf eine Frage zu antworten! Was hast du mit unserm Bruder Bois-Guilbert zu tun?« In seiner Angst und Unsicherheit zauderte Isaak. Beaumanoir diese Todesangst bemerkend, ließ sich herab, ihm etwas Mut zuzusprechen. »Fürchte nichts für deine erbärmliche Person,« sagte er, »sei nur offen gegen uns. Ich frage dich nochmals was hast du mit unserm Bruder Bois-Guilbert zu schaffen?«

»Ich habe einen Brief zu überbringen,« stammelte der Jude. »Euer Hochwürden werden gestatten, daß ich ihn an den tapfern Ritter abgebe, er ist vom Prior Aymer, aus der Abtei von Jorlvaux.«

»Sagte ich nicht, Konrad, es seien schlechte Zeiten?« sprach der Großmeister. »Ein Zisterzienser Priester sendet an einen Krieger des Tempels einen Brief und kann keinen schicklicheren Boten finden als einen Juden. – Gib den Brief her!« Mit zitternden Händen griff der Jude in die Falten seiner armenischen Kappe. Er hatte der größeren Sicherheit halber die Schreibtafel des Priors darin verborgen und wollte mit ausgestreckter Hand und gebücktem Leibe nähertreten, um sie dem hohen Herrn in die Hand zu legen, aber der Großmeister rief: »Zurück, Hund! Ich rühre keinen Ungläubigen an, es sei denn mit dem Schwert! Konrad, nimm dem Juden den Brief ab und gib ihn mir!«

Beaumanoir empfing das Schreiben und las es in Eile, mit Zeichen der Verwunderung und des Abscheues. Dann hielt er es Konrad hin und mit der Hand leicht dagegen schlagend, sagte er: »Eine schöne Epistel das von einem Christen an einen Christen! Und beide hervorragende Mitglieder heiliger Orden! Lies laut vor, Bruder Konrad! Und du, Jude, merke dir den Inhalt, wir werden dich nachher darüber befragen.«

Und Konrad las wie folgt: »Aymer, von Gottes Gnaden, Prior des Hauses der Zisterzienser der heiligen Maria von Jorlvaux, wünscht dem Sir Brian de Bois-Guilbert, Ritter des heiligen Ordens der Templer, Gesundheit und Glück in den Freuden des Bacchus und der Venus. – Was unsere derzeitige Lage anbelangt, teurer Bruder, so befinden wir uns als Gefangener in den Händen einiger gottlosen Männer, die allen Gesetzen Hohn sprechen, nicht davor zurückschrecken, unsere Person festzuhalten und ein Lösegeld dafür zu beanspruchen. Hier ist mir auch das Unglück Front-de-Boeufs zu Ohren gekommen und daß Ihr glücklich entronnen seid mit der schönen jüdischen Hexe, deren schwarze Augen Euch in Zauberbann geschlagen haben. Wir freuen uns herzlich, daß Ihr wohl geborgen seid. Demohngeachtet bitten wir Euch, seid auf Eurer Hut, was diese zweite Hexe von Endor anbetrifft, denn es ist uns insgeheim versichert worden, daß Euer Großmeister, der nichts nach schwarzen Augen und Purpurlippen fragt, aus der Normandie zu Euch unterwegs sei, um Euch Eure Vergnügungen zu versalzen und Euch für all Eure Missetaten zu bestrafen. Also seid vorsichtig. Der reiche Jude Isaak von York hat uns um einen Brief an Euch wegen seiner Tochter gebeten. Wir haben ihm nun diesen geschrieben. Wir raten Euch in allem Ernst, gebt die Dirne gegen ein Lösegeld frei, der Jude kann Euch aus seinen Geldsäcken so viel geben, daß Ihr Euch dafür fünfzig andere Dirnen mit weit weniger Gefahr halten könnt, und davon will ich dann meinen Anteil beanspruchen, wenn wir miteinander lustig sind wie treue Brüder und der Flasche nicht vergessen. Wir wünschen, daß es Euch gut gehen möge, bis zu unserer fröhlichen Zusammenkunft.