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In den stolzen dunkeln Augen Guilberts flammte ein Blick der Verachtung und des Zornes, doch gab er keine Antwort.

»Da nun die Frage unseres Bruders von Goodalricke,« fuhr Beaumanoir fort, »so unvollkommen beantwortet worden ist, so fahren wir in der Untersuchung fort und hoffen, mit Hilfe unseres Schutzpatrones, in das gottlose Geheimnis zu dringen. Wer sonst über Leben und Treiben dieser Jüdin etwas auszusagen hat, der trete vor.«

Nach diesen Worten wurde in dem untern Teile der Halle ein Geräusch laut, und als der Großmeister fragte, was vor sich gehe, erhielt er die Nachricht, daß ein Mann da sei, der bettlägerig gewesen sei und von der Jüdin soweit wieder geheilt worden sei, daß er sich an Krücken bewegen könne. Der arme Mann, ein Sachse von Geburt, wurde vor die Schranken gebracht. Nur widerwillig und nicht ohne Scheu erzählte der Mann, er sei vor zwei Jahren, als er gerade in York bei dem Juden Isaak als Tischler gearbeitet habe, von einem schmerzhaften Übel befallen worden, daß er sich nicht von der Stelle habe bewegen können, bis ihn Rebekka in Pflege genommen und bis ihn die von ihr verschriebenen Mittel, vor allem ein erquickender Balsam, soweit wieder hergestellt hätten, daß er wenigstens einigermaßen die Glieder gebrauchen könne. Sie habe ihm eine Büchse von der köstlichen Salbe gegeben und auch ein Stück Geld, damit er in das Haus seines Vaters nach Templestowe habe zurückkehren können.

»Und mit Verlaub Eurer Hochwürden,« sagte der Mann, »ich kann nicht glauben, daß mir das Mädchen – wenn es auch nur eine Jüdin ist – damit hat ein Leid zufügen wollen, ich habe ein Vaterunser dazu gesprochen, und ihr Mittel hat mir gar sehr gut getan.«

»Wie heißt du, Sklave?«

»Higg, der Sohn Snells.«

»So laß dir sagen, Higg, Sohn Snells,« sprach der Großmeister, »es ist besser, zu Bette liegen zu müssen, als von einer Ungläubigen eine Arznei anzunehmen, um wieder gehen zu können – besser, die Ungläubigen mit starker Hand ihrer Schätze zu berauben, als für sie zu arbeiten oder Geschenke von ihnen anzunehmen. – Geh hin und tu nach meinen Worten.«

»Mit Verlaub, Euer Hochwürden,« versetzte der Alte, »für mich kommt die gute Lehre freilich zu spät, ich bin ein Krüppel – aber meinen beiden Brüdern – sie arbeiten jetzt beim reichen Rabbi Nathan ben Samuel – will ich es sagen, daß sie besser daran täten, wie Euer Hochwürden sagen – wenn sie den Juden bestöhlen, als wenn sie ihm treu dienen.«

»Hinweg mit dir, elender Schwätzer!« sagte Beaumanoir, der freilich auf eine solche Nutzanwendung seiner Worte nicht gefaßt gewesen war. Der Großmeister befahl nun der Rebekka, sich zu entschleiern. Es war das erstemal, daß sie sprach. Sie versetzte im Ton der Würde und Sanftmut, es sei nicht Sitte unter den Töchtern ihres Volkes, sich in einer Versammlung von Fremden, in der man sich allein befände, ohne Schleier zu zeigen. Der sanfte Ton ihrer Stimme und die Bescheidenheit dieser Antwort erweckten in der Versammlung Mitleid und Sympathie. Aber Beaumanoir, der es sich zur Tugend anrechnete, jedes Gefühl der Menschlichkeit, das er dem Gebote seiner Pflicht zuwider glaubte, im Keime zu ersticken, erneuerte seinen Befehl, die Angeklagte des Schleiers zu entkleiden. Und als die Wachen vortraten, um den Befehl auszuführen, sprach Rebekka:

»Laßt mich in Eurer Gegenwart nicht so behandeln – diese rohen Menschen dürfen eine Jungfrau nicht berühren. Ich will Euch gehorchen. Seid Ihr doch gleich den Ältesten unseres Volkes, auf Euer Geheiß hin mag sich denn das Antlitz eines unglücklichen Mädchens zeigen.« Sie schlug den Schleier zurück und enthüllte ein Antlitz, in welchem Beschämung und Würde miteinander rangen. Ihre außerordentliche Schönheit rief ein Gemurmel unter den Zuschauern wach. Die jüngern Ritter sagten einander mit Blicken, daß Bois-Guilbert keiner besseren Entschuldigung bedürfe, als in der Macht dieser jungfräulichen Reize läge, und daß das Mädchen keine Zauberkünste anzuwenden brauche, um geliebt zu werden.

Nun wurden die beiden Soldaten hervorgerufen, die Albert Malvoisin zu falschen Zeugen gedungen hatte. Beide waren zwar verstockte abgebrühte Bösewichter, aber der Anblick des schönen Mädchens schien sie doch zu verwirren. Ein vielsagender Blick des Präzeptors von Templestone warf sie wieder in ihre sklavische Verworfenheit zurück, und sie erzählten nun mit einer Bestimmtheit und Sicherheit, die selbst einen günstig gesonnenen Richter in seiner Meinung wankend hätten machen können, Dinge, die infolge ihres übertriebenen Charakters sehr ungünstig wirkten. Der eine sagte, Rebekka spräche oft mit sich selber in einer fremden Sprache, sie sänge Lieder, die einen wunderbar süßen Klang hätten und das Herz des Hörers bezauberten, ihre Kleider hätten einen seltsamen fremdartigen Schnitt, wie ihn eine Frau, die auf ihren guten Ruf hielte, nicht trüge, sie hätte Ringe mit kabbalistischen Zeichen, solche wären auch in ihren Schleier gestickt. In Torquilstone hätte sie einen Verwundeten gepflegt und über die Wunde einige Zeichen gemacht und geheimnisvolle Worte dazu gesprochen, sogleich habe sich aus der Wunde die Spitze eines Armbrustbolzens gelöst, und sie habe nicht mehr geblutet und sich geschlossen. Eine Viertelstunde später hätte der Sterbende schon wieder auf dem Walle sein können und dem Zeugen eine Steinschleuder lenken helfen. Der andere Soldat hatte den Auftritt zwischen Rebekka und Bois-Guilbert im Schlosse Torquilstone mitangesehen. Sie sei auf die Brustwehr hinausgetreten, um sich von dem Turme herabzustürzen, sie habe aber die Gestalt eines milchweißen Schwanes angenommen und sei dreimal um den Turm herumgeflogen. Dann habe sie sich wieder auf der Brustwehr niedergelassen und ihre weibliche Gestalt wieder angenommen. Weniger als die Hälfte dieser Beweise hätte ausgereicht, ein altes häßliches Weib – auch wenn es keine Jüdin gewesen wäre – zum Tode zu verdammen, aber auch für Rebekka, trotz all ihrer Jugend und Schönheit, waren die Schuldbeweise zu schwer.

Der Großmeister hatte die Abstimmung vorgenommen und fragte Rebekka, ob sie noch etwas gegen das Verdammungsurteil vorzubringen habe, das er jetzt fällen werde. Mit einer vor Bewegung bebenden Stimme erwiderte die reizende Jüdin:

»Euer Mitleid anzuflehen, wäre fruchtlos, auch halte ich es für erniedrigend. Auch der Hinweis, daß es wohl dem anerkannten Stifter unserer beiderseitigen Glaubensbekenntnisse nicht mißfallen kann, wenn ich Kranken und Verwundeten beistehe, auch solchen, die nicht meines Glaubens sind – auch dieser Hinweis würde mir nichts helfen. Desgleichen wäre es nutzlos, zu behaupten, das was die Männer wider mich vorgebracht haben – Gott möge ihnen verzeihen! – Dinge der Unmöglichkeit sind – und noch weniger würde es mir helfen zu erklären, daß das Eigentümliche an meiner Kleidung, meiner Sitte und Sprache Eigentümlichkeiten meines Volkes sind, fast hätte ich gesagt, meines Vaterlandes, doch ach! wir haben ja kein Vaterland! Auch auf Kosten meines Peinigers dort will ich mich nicht verteidigen. Zwischen mir und ihm möge Gott richten! Ich will nur alle gegen mich erhobenen Beschuldigungen auf ihn zurückwerfen, ja auf ihn! Brian de Bois-Guilbert! auf Euch selber berufe ich mich. Erklärt, ob diese Beschuldigungen nicht so unwahr, verleumderisch und ungeheuerlich wie verwerflich sind!«

Eine Pause trat ein. Aller Augen wandten sich auf Brian de Bois-Guilbert, der aber schwieg. »Sprecht,« fuhr sie fort, »sprecht, so Ihr ein Mann – so Ihr ein Christ seid! Ich beschwöre Euch bei dem Kleide, das Ihr tragt, bei dem Namen, den Ihr ererbt habt, bei der Ritterschaft, deren Ihr Euch rühmt, bei der Ehre Eurer Mutter, bei dem Grabe und den Gebeinen Euers Vaters beschwöre ich Euch, sagt, ist dies alles wahr?!«

»Mein Bruder, antworte ihr,« sagte der Großmeister, »sofern der Dämon, der in dir ist, dir die Kraft dazu läßt.«

In der Tat schien Bois-Guilbert durch widerstreitende Leidenschaften heftig erschüttert, sein Angesicht verzerrte sich, und mühsam, den Blick auf Rebekka geheftet, stammelte er die Worte: »Das Blatt – das Blatt!« Und Rebekka sah rasch auf ein Stück Pergament, das sie noch in der Hand hielt, und las darauf die in arabischer Sprache geschriebenen Worte: »Fordere einen Kämpfer!« Bei dem Gemurmel, das über Bois-Guilberts seltsame Antwort durch die Versammlung lief, fand sie Zeit, unbemerkt das Blatt zu lesen und es zu vernichten.