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»Amen!« sprach der Großmeister, und die Menge sprach es nach.

Rebekka sagte nichts, sondern sah ein Weilchen mit gefalteten Händen zum Himmel, dann wandte sie sich um und fragte: »Ist wohl jemand hier, der aus Liebe zur guten Sache oder für reichen Lohn den Auftrag einer Unglücklichen ausrichten will?«

Alles schwieg, denn niemand wagte sich angesichts des Großmeisters die Teilnahme an der verleumdeten Gefangenen merken zu lassen. Endlich sprach Higg, der Sohn Snells: »Ich bin nur ein armer Krüppel, aber daß ich mich wieder ein wenig bewegen kann, das verdanke ich der barmherzigen Hilfe dieses Mädchens. Ich will deine Botschaft übernehmen, so gut es ein Krüppel kann.«

»Gott ist der Lenker aller Dinge,« sagte Rebekka. »Meine Botschaft zu überbringen, ist die Schnecke ebenso sicher wie der wildeste Falle. Geh zu Isaak von York – hier hast du genug, daß du dir ein Pferd beschaffen kannst – gib Isaak diesen Zettel. Mein Glaube steht fest, daß ich nicht eines solchen Todes sterben soll, sondern einen Kämpfer finden werde.«

Die Botschaft, die Higg an Isaak von York zu bringen hatte, lautete folgendermaßen:

»Mein Vater! Ich bin zum Tode verurteilt wegen eines Verbrechens der Zauberei. – Mein Vater, wenn ein tapferer Mann gefunden werden kann, der mit Schwert und Lanze gemäß der Sitte der Nazarener, am dritten Tage von heute ab in den Schranken von St. Georg bei Templestone für mich kämpfen will, so wird ihm vielleicht der Gott meiner Väter Kraft zur Verteidigung der hilflosen Unschuld verleihen. Wo nicht, so laß die Jungfrauen unseres Volkes um mich trauern, wie um eine Abgeschiedene, wie um eine Blume, die unter der Sichel gefallen ist. Schau dich um, ob du Hilfe für mich finden kannst. Ein Nazarener wäre vielleicht willens, für mich zu den Waffen zu greifen, Wilfried von Ivanhoe, der Sohn Cedrics des Sachsen, aber er wird jetzt noch nicht imstande sein, das Gewicht der Rüstung zu tragen. Demungeachtet sende ihm aber meine Botschaft, denn er hat großes Ansehen unter den Tapferen seines Volkes und findet vielleicht einen andern. Jedenfalls sage ihm, diesem Wilfried von Ivanhoe, daß Rebekka, ob sie nun am Leben bleibt oder stirbt, unschuldig ist an dem Verbrechen, dessen sie angeklagt ist. – So es Gottes Wille ist, daß dir, alter Mann, eine Tochter genommen werden soll, so bleibe nicht länger in diesem Lande des Blutvergießens und der Grausamkeit, sondern ziehe nach Cordova, wo dein Bruder in Sicherheit lebt.«

Am Abend nach ihrem Prozeß vernahm Rebekka an der Tür ihres Gemaches ein Klopfen.

»Herein!« rief sie, »wenn du ein Freund bist, und bist du ein Feind, so kann ich dir den Eintritt nicht verwehren.«

»Ich bin, ebensogut Freund wie Feind, je nach dem Ausfall dieser Unterredung,« erwiderte Brian de Bois-Guilbert.

Erschrocken über die Erscheinung dieses Mannes, dessen grenzenlose Leidenschaft sie als die Ursache all ihres Unglückes betrachtete, wich Rebekka behutsam und mit Bangen bis in die fernste Ecke des Zimmers zurück. »Du hast keine Ursache, Rebekka, mich zu fürchten.«

»Ich fürchte Euch nicht, Herr Ritter!« versetzte sie, wenn auch ihr fliegender Atem die Worte Lügen strafte. »Mein Glaube steht fest, und ich fürchte Euch nicht. Doch was führt Ihr im Schilde? Erklärt es mir kurz. Wenn Ihr nichts anderes wollt, als das Elend betrachten, das Ihr geschaffen habt, und Euch daran weiden, so sagt es, und dann überlaßt mich mir selber.«

»Du bist im Irrtum,« antwortete der Templer, »wenn du mir die Schuld an dieser Wendung gibst, die ich weder vorhersehen noch verhindern konnte. Hätten sich nicht dieser fanatische Dummkopf und der Narr Goodalricke darein gemischt, so wäre nicht ein Präzeptor, sondern ein gewöhnliches Mitglied des Ordens zum Kämpfer für dich erwählt worden. Dann wollte ich selber – denn darauf war mein Plan angelegt, als ich dir das Blatt in die Hände spielte – als dein Kämpfer in den Schranken erscheinen, verkleidet als fahrender Ritter, der mit Schwert und Lanze auf Abenteuer auszieht. Und dann hätte Beaumanoir meinetwegen zwei oder drei der hier anwesenden Ritter zu Kämpfern ernennen können – ich hätte sie alle aus dem Sattel geworfen. Dann, Rebekka, wäre deine Unschuld erwiesen gewesen, und deiner Dankbarkeit wollte ich es überlassen, den Sieger zu belohnen.«

»Das ist eitles Geprahle, Ihr brüstet Euch mit dem, was Ihr hättet tun wollen. So aber habt Ihr meinen Handschuh angenommen, und mein Kämpfer, wenn überhaupt ein so verlassenes Geschöpf wie ich einen findet, muß Eurer Lanze in den Schranken gegenübertreten. Und bei alledem wollt Ihr Euch noch in das Licht eines Freundes und Beschützers stellen?«

»Dein Freund und Beschützer will ich auch noch sein,« erwiderte der Templer ernst. »Doch höre wohl, welche Gefahr ich dabei auf mich nehme und wie gewiß mir Entehrung droht, und mach mir keinen Vorwurf, wenn ich meine Bedingungen stelle, bevor ich alles, was das Leben bis jetzt für mich teures hatte, für das Leben eines jüdischen Mädchens hinopfere. Wenn ich nicht in den Schranken erscheine, Rebekka, so verliere ich Ehre und Rang, so verliere ich, was für mich der Odem der Brust ist – die Achtung der Brüder und die Hoffnung, das hohe Amt zu bekleiden, das jetzt der bigotte Geck Lukas de Beaumanoir innehat. Dieses Schicksal ist mir sicher, wenn ich nicht in den Schranken wider dich auftrete. Wenn ich aber in den Schranken erscheine, so muß ich die Ehre meiner Waffen aufrecht erhalten, und ob du nun einen Kämpfer hast oder nicht, du mußt doch am Pfahle sterben oder am Scheiterhaufen, denn es lebt kein Ritter, der mit gleichem Vorteil oder gar mit Erfolg gegen mich gekämpft hatte – keiner außer Richard Löwenherz und seinem Günstling Ivanhoe. Der letztere ist wie du selber weißt, noch nicht imstande, die Rüstung zu tragen, und Richard ist in fremdem Lande gefangen. Wenn ich also in den Schranken erscheine, so stirbst du, selbst wenn sich irgend ein junger Hitzkopf finden sollte, der sich für dich zum Kampfe stellt.«

»Warum wiederholt Ihr das so oft?«

»Weil du dein Schicksal von jeder Seite betrachten sollst.«

»Gut, so wendet das Blatt um und laßt mich die Kehrseite sehen.«

»Wenn ich in den unglückseligen Schranken erscheine,« fuhr Bois de Guilbert fort, »so stirbst du eines langsamen grauenvollen Todes; erscheine ich nicht, so bin ich ein entehrter ausgestoßener Ritter, der Zauberei und der Gemeinschaft mit Ungläubigen schuldig. Mein ruhmvoller Name wird ein Spott und ein Schimpf. Verlustig gehe ich der Ehre, des Ranges und einer Macht, wie sie selbst Kaiser nicht erreichen. Meinen gewaltigen Ehrgeiz opfere ich, meine hochfliegenden Pläne vernichte ich, und dennoch, Rebekka,« und er warf sich Rebekka zu Füßen, »dennoch will ich diese Größe opfern, diesem Ruhm entsagen, diese Macht fahren lassen, selbst da ich sie schon halb erreicht habe, alles das, alles das aufgeben, sobald du sagst: ich nehme dich zu meinem Geliebten an. – Rebekka, höre mich! Um deinetwillen will ich dem Ruhm und dem Ehrgeiz entsagen, und wir wollen zusammen fliehen! Rebekka, England ist nicht die Welt – auch nicht Europa. Es gibt noch Länder, die weit genug für meinen Ehrgeiz sind. Wir wollen nach Palästina gehen, dort habe ich einen Freund, Konrad von Montserrat, er ist ebenso frei wie ich von den albernen Vorurteilen, die hier unsere freigeborene Vernunft in Fesseln legen. Dort schaffe ich mir neue Wege zur Größe.« – Mit großen Schritten ging er ungestüm hin und her. – »Europa soll den lauten Fußtritt dessen vernehmen, den es ausgestoßen hat. Du sollst eine Königin werden, Rebekka, auf dem Berge Karmel will ich den Thron errichten, den ich mir mit meiner Tapferkeit erobern will – und statt des lang ersehnten Stabes will ich ein Szepter ergreifen!«