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Obgleich eines Ranges mit seinen Landsleuten, schien doch in allgemeiner Übereinstimmung Cedric als das Haupt der Versammlung zu handeln. Als Richard eintrat, in dem Cedric nur den tapferen Ritter vom Fesselschloß erblickte, stand er würdevoll auf und hieß ihn mit dem üblichen Gruß: Heil dir! willkommen. Der König, der mit den Gebräuchen seiner englischen Untertanen vertraut war, erwiderte den Gruß mit dem üblichen Gegengruß: Ich trink auf Euer Heil! und nahm den Becher an, den ihm der Mundschenk überreichte. Die gleiche Höflichkeit wurde Ivanhoe erwiesen, der schweigend seinem Vater Bescheid tat und an Stelle der gebräuchlichen Antwort nur mit dem Kopfe nickte, aus Furcht, an der Stimme erkannt zu werden.

Als die Feierlichkeit der Begrüßung vorüber war, erhob sich Cedric, reichte dem König die Hand und geleitete ihn in eine enge, ganz kunstlose Kapelle, die in einem der äußeren Mauerbogen hineingehöhlt war. Da der Raum nur ein sehr schmales Luftloch hatte, so hätte hier völlige Finsternis geherrscht, wenn nicht zwei Fackeln ein rotes, trübes Licht verbreitet hätten, bei dessen Schein man die niedrige Wölbung, die nackten Steinwände und den roh aus Stein gehauenen Altar mit dem steinernen Kruzifix erblickte. Vor diesem Altar stand eine Bahre und an jeder Seite dieses Totenlagers knieten drei Priester, die mit allen Gebärden äußerer Frömmigkeit ihre Rosenkränze abschnurrten und ihre Gebete lallten. Für diesen Leichendienst hatte Athelstanes Mutter ein hohes Seelenlösegeld an das Kloster des heiligen Edmund bezahlt. Das hatten die Brüder nun auch redlich verdienen wollen, und alle bis auf den lahmen Sakristan waren nach Conningsburgh gekommen; während nun sechs von ihnen unausgesetzt den geistlichen Dienst bei dem Toten versahen, ließen sichs die anderen bei den Erfrischungen und Vergnügungen im Schloßhofe wohl sein. Richard und Ivanhoe folgten Cedric in das Gemach des Todes. Während der Sachse mit feierlicher Würde auf die frühzeitige Bahre Athelstanes hindeutete, folgten sie seinem Beispiele, bekreuzten sich fromm und murmelten ein kurzes Gebet für das Wohl der entflohenen Seele.

Nach dieser Handlung der Pietät forderte sie Cedric abermals auf, ihm zu folgen. Leise trat er in einen steinernen Gang und öffnete, nachdem er ein paar Stufen hinuntergestiegen war, behutsam die Tür zu einer großen Bethalle, die an die Kapelle stieß. Sie maß etwa acht Fuß im Quadrat und war wie die Kapelle unmittelbar in das Mauerwerk hineingeschlagen. Das Luftloch, das ihr Helle zuführte, ging nach außen in die Breite und ließ einen Strahl der untergehenden Sonne herein, der auf eine weibliche Gestalt von majestätischem Wuchse mit leuchtenden Spuren erhabener Schönheit im Angesicht fiel. Ihre langen Trauerkleider und ihr Kranz von schwarzen Zypressen ließen ihre weiße Haut noch weißer und ihre schönen blonden Flechten, die lang herniederwallten und von der Zeit weder verdünnt, noch mit Silber vermischt worden waren, nur noch schöner und herrlicher erscheinen. Zn ihren Zügen lag der Ausdruck tiefsten Kummers, gepaart mit stiller Ergebung. Auf dem steinernen Tische vor ihr stand ein Kruzifix von Elfenbein, daneben lag ein Meßbuch, das reich bemalte Seiten und einen mit silbernen Spangen und Schlössern versehenen Einband hatte. Als Cedric ein Weilchen geschwiegen hatte, um Richard und Ivanhoe Zeit zu lassen, die Frau des Hauses zu betrachten, wandte er sich an die hoheitsvolle Erscheinung und sprach:

»Edle Editha, hier sind würdige Freunde, die an Euerm Kummer teilnehmen wollen. Dieser hier insonderheit ist der edle Ritter, der so wacker gefochten hat, um den zu befreien, den wir jetzt beweinen.«

»Seiner Tapferkeit gebührt mein Dank,« erwiderte die Dame, »obgleich es der Wille des Himmels war, daß er sich vergeblich bemüht hat. Auch danke ich ihm und seinem Gefährten für die Aufmerksamkeit, daß sie hierher gekommen sind, und die Witwe Adelings und Mutter Athelstanes im tiefsten Schmerz besuchen. Euch, teurer Vetter, überlasse ich es, dafür zu sorgen, daß es den Gästen an nichts fehlen möge, was diese in Trauer versunkenen Mauern zur Zeit gewähren können.« Die Fremden verneigten sich tief vor der trauernden Mutter und entfernten sich mit ihrem gastfreundlichen Führer.

Eine andere Wendeltreppe führte sie in ein Gemach von der Art dessen, das sie zuerst betreten hatten. Es lag gerade ein Stockwerk über diesem. Ein feierlicher melancholischer Gesang von mehreren Stimmen drang daraus hervor. Sie traten ein und sahen etwa zwanzig Frauen und Mädchen hoher sächsischer Familien. Vier Jungfrauen, deren Chor Rowena leitete, sangen einen Hymnus für die Seele des Verstorbenen. Die anderen Frauen und Mädchen waren unterdes beschäftigt, das weite seidene Leichentuch mit Stickereien im Geschmacke der damaligen Zeit zu verzieren. Es war bestimmt, die Bahre Athelstanes zu bedecken. Auch Kränze wanden sie aus Blumen, die in vollen Körben vor ihnen standen. Das Betragen der Frauen war ernst und sie ließen sich durch das Erscheinen der fremden Ritter nicht stören. Rowena allein begrüßte ihren Befreier mit anmutsvoller Höflichkeit. Ihr Wesen war ernst, doch nicht merklich betrübt, und wohl mochte die Ungewißheit über Ivanhoes Schicksal der tiefere Grund ihres Ernstes als der Tod ihres Verwandten sein.

Cedric, der bei solchen Anlässen, wie wir schon gesehen haben, keinen besonderen Scharfsinn zeigte, hielt ihre Betrübnis für größer als die der anderen Jungfrauen und flüsterte den Gästen die Erklärung zu: »Sie war die Braut des edeln Athelstane.« Und nachdem Cedric so die Fremden durch alle Gemächer geführt hatte, in denen die Leichenfeier des edeln Athelstane vor sich ging, brachte er sie in einen kleinen Raum, der, wie er ihnen sagte, für ehrenwerte Gäste bestimmt war, die nicht unmittelbar zur Verwandtschaft des Verstorbenen gehörten und vielleicht nicht gern bei den Trauernden selber weilen wollten. Dann wollte er sich von ihnen verabschieden, aber der schwarze Ritter ergriff ihn bei der Hand.

»Ich bitte Euch, edler Than,« sagte er, »seid eingedenk des Versprechens, das Ihr mir beim Auseinandergehen gabt, mir eine Bitte um der Dienste willen zu gewähren, die ich Euch zu leisten das Glück hatte.«

»Im voraus ist sie gewährt, edler Ritter,« sagte Cedric, »aber in dieser Zeit der Trauer –«

»Das habe ich wohl bedacht,« sagte der König, »aber ich habe es nicht für unpassend gehalten, einige Vorurteile mit dem edeln Athelstane ins Grab zu legen. – Bis jetzt kennt Ihr mich nur als den schwarzen Ritter vom Fesselschloß. – Wißt, ich bin Richard Plantagenet.«

»Richard von Anjou!« rief Cedric in höchstem Erstaunen, einen Schritt zurücktretend.

»Nein, edler Cedric, Richard von England, dessen innigstes Interesse, dessen höchster Wunsch es ist, Englands Söhne vereint zu sehen. Aber wie nun, würdiger Than, beugt Ihr nicht Euer Knie vor Euerm Fürsten?«