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»Verschnauft Euch, edler Athelstane,« sagte Richard. »Nehmt etwas zu Euch, ehe Ihr in Eurer entsetzlichen Geschichte fortfahrt.«

»Etwas zu mir nehmen?« versetzte Athelstane. »Das hab ich heute schon fünfmal getan, aber ich glaube, ein Stück von diesem saftigen Schinken verträgt sich ganz gut mit meiner Erzählung, und ich bitte Euch, edle Herren, tut mir mit einem Becher Weins Bescheid.

Die Gäste, noch immer starr vor Erstaunen, tranken ihrem auferstandenen Wirt zu, der dann in seinem Bericht fortfuhr. Er hatte jetzt weit mehr Zuhörer als zu Anfang; denn Editha war dem lebendigen Toten gefolgt, und hinter ihr drangen Männer und Frauen herein, soviel nur in dem engen Gemach Platz finden konnten. Bis auf die Treppe hinaus standen sie dicht gedrängt.

»Als ich mich von dem Ring an der Kette befreit hatte,« fuhr Athelstane fort, »schleppte ich mich die Treppen hinauf, so gut es ging, da ich ja ausgehungert und mit Ketten belastet war, und nachdem ich lange umhergeirrt war, ging ich den Klängen eines lustigen Rundgesanges nach, und so kam ich in ein Gemach, wo der würdige Satristan eine Teufelsmesse, wenn ich so sagen darf, mit einem riesigen breitschultrigen Kapuzinermönch abhielt. Dieser Kerl sah eher aus wie ein Dieb als wie ein Diener Gottes. Ich stürzte auf sie los, meine Totengewänder und das Geklirr meiner Ketten gaben mir wohl eher das Aussehen einer Erscheinung von jener Welt als das eines Erdensohnes. Beide standen und glotzten mich an wie die Kühe das neue Tor, aber als ich den Sakristan mit der Faust zu Boden schmetterte, schlug der andere Kerl, sein Saufkumpan, mit einem gewaltigen Knüttel nach mir.«

»Das ist gewiß unser Bruder Tuck gewesen,« sagte Richard zu Ivanhoe.

»Meinetwegen mag es der Teufel gewesen sein,« sagte Athelstane. »Zum Glück hat er nicht getroffen, und als ich mit ihm handgemein werden wollte, nahm er Reißaus. Ich besann mich nicht lange und schloß mir die Ketten mit dem Schlüssel ab, den der Sakristan am Gürtel trug, und schon wollt ich ihm mit dem Schlüsselbund den Schädel einschlagen, da dachte ich aber an die Pastete und an die Flasche Wein, die er mir in den Kerker gebracht hatte, und so gab ich ihm denn nur ein paar tüchtige Püffe und ließ ihn liegen, und steckte mir etwas Gebacknes und die Lederflasche voll Wein ein, bei der sich die ehrwürdigen Herren gütlich getan hatten, und ging in die Ställe, wo ich meinen Zelter fand. Und so bin ich denn hierher gekommen, so schnell das Tier nur laufen konnte. Alles, was vom Weibe geboren war, riß vor mir aus, weil mich alles für ein Gespenst hielt, und dies um so mehr, als ich die Leichenkappe übers Gesicht gezogen hatte, um nicht erkannt zu werden. Und so kam ich denn her und entdeckte mich meiner Mutter, nahm rasch ein paar Bissen zu mir und bin dann zu Euch geeilt, mein edler Freund.«

»Und Ihr findet mich bereit, für unsre alten Pläne Ehre und Freiheit zurück zu erobern,« sagte Cedric. »Ich sage Euch, nie tagt wieder ein so günstiger Morgen für unser Befreiungswerk.«

»Laßt mich damit in Ruhe! Ich will nichts davon wissen, irgendwen zu befreien,« versetzte Athelstane. »Ich bin froh, daß ich selber befreit bin. Ich will lieber darüber nachdenken, wie ich den abscheulichen Abt bestrafe. Er soll an der höchsten Spitze des Schlosses von Conningsburgh hängen in Kutte und Stola, und wenn die Treppen zu eng sind für seinen feisten Kadaver, so laß ich ihn von außen hinaufleiern!«

»Aber, mein Sohn,« wandte Edith« ein, »bedenke sein heiliges Amt!«

»Bedenke meine drei Fastentage,« erwiderte Athelstane. »Alle sollen sie mir dafür bluten! Front-de-Boeuf hatte weit weniger verbrochen und wurde bei lebendigem Leibe verbrannt. Er hat wenigstens seinen Gefangenen einen ordentlichen Tisch gedeckt, nur zu viel Knoblauch war in der Suppe. Die Hunde sterben, und wären sie die besten Mönche auf Erden!«

»Schämt Euch, edler Athelstane,« sagte Cedric, »vergeßt die erbärmlichen Kreaturen und gedenkt der ruhmvollen Laufbahn, die sich vor Euch auftut. Sagt diesem normänischen Fürsten, Richard von Anjou, daß, so löwenherzig er auch ist, er doch den Thron Alfreds nicht ohne Widerspruch inne haben wird, solange noch ein männlicher Abkömmling des heiligen Bekenners lebt.«

»Wie?« rief Athelstane.«Ist dies der edle König Richard?«

»Es ist Richard Plantagenet,« versetzte Cedric, »aber er weilt als Gast aus freien Stücken hier, und so wirst du einsehen, daß er weder beleidigt, noch etwa gefangen genommen werden darf. Du wirst deine Schuldigkeit als Wirt tun.«

»Bei meiner Treu,« rief Athelstane, »und meine Schuldigkeit als Untertan auch, denn hiermit schwöre ich ihm Treue mit Herz und Hand!«

»Mein Sohn, denk an deine Rechte auf den Königsthron!« rief Editha.

»Denk an die Freiheit Englands, entarteter Fürst!« rief Cedric.

»Mutter und Freund!« sprach Athelstane. »Laßt eure Vorwürfe. Brot und Wasser und ein Kerker machen den Ehrgeiz gar trefflich kirre, und ich steige weiser aus dem Grabe heraus als ich hineinstieg. Seitdem diese Pläne auf den Beinen sind, habe ich keine Ruhe mehr – Reisen über Hals und Kopf – schlechte Verdauung – Schläge – Püffe – Gefangenschaft und Hunger – und auszuführen sind sie schon gar nicht, ohne daß dabei einige tausend unschuldige Menschen ums Leben kommen. Ich sage Euch, ich will König sein, aber in meinen eigenen Besitzungen, nirgends sonst, und meine erste Herrschertat soll sein, daß ich den Abt hängen lasse.«

»Aber mein Mündel Rowena?« fragte Cedric. »Ihr wollt doch nicht etwa von ihr lassen?«

»Vater Cedric,« versetzte Athelstane, »nehmt doch Vernunft an. Lady Rowena fragt den Kuckuck nach mir. Der kleine Finger von Vetter Wilfrieds Handschuh ist ihr lieber als an mir der ganze Kerl. Nun, erröte nicht, Muhme. Gib mir deine Hand! Nur als Freund bitte ich darum. Hier, Vetter Wilfried von Ivanhoe, zu deinen Gunsten entsage ich und schwöre ab – heda! beim heiligen Dunstan, unser Vetter Wilfried ist verschwunden, und wenn nicht meine Augen vom Fasten schwach geworden sind, so habe ich ihn doch eben noch hier gesehen.«

Alle schauten sich um, Ivanhoe war fort. – Endlich erfuhr man, daß ein Jude nach ihm gefragt habe, und daß er nach kurzem Gespräch mit dem Mann in Gurths Begleitung das Schloß verlassen habe. Kaum hatte Athelstane Rowenas Hand losgelassen, so eilte die Lady in größter Bestürzung hinaus.

»Weiß der Geier!« rief Athelstane. »Ich hatte mir eigentlich eingebildet, einen Kuß zum Danke zu bekommen. Ich wende mich nun wieder zu Euch, edler König Richard...«

Aber König Richard war auch fort, und niemand wußte, wohin. Schließlich erfuhren sie, daß er in den Schloßhof geeilt sei und dort den Juden, der mit Ivanhoe gesprochen hätte, vor sich habe bringen lassen. Er habe kaum ein paar Worte mit ihm gewechselt, so sei er auf sein Pferd gestiegen, habe dem Juden befohlen, auch aufzusitzen, und sei in gestrecktem Galopp davongeritten.

»Nun, so wahr ich lebe!« rief Athelstane: »Zernebock hat in meiner Abwesenheit Besitz von meinem Schlosse genommen. Ich komme in meinen Totenkleidern zurück als ein aus dem Grabe Erstandener und jedermann, mit dem ich rede, verschwindet, sowie er meine Stimme hört. Doch was hilft es, davon zu reden? – Kommt, meine Freunde, die ihr noch da seid, folgt mir in das Speisezimmer, ehe noch jemand von uns verschwindet. Ich denke, es ist so reich besetzt, wie es das Leichenmahl eines alten sächsischen Edeln sein muß; wollten wir noch länger zögern, wer weiß, ob nicht der Teufel mit dem Abendessen davonfliegt?«

Siebenunddreißigstes Kapitel

Der Schauplatz unserer Erzählung ist nun wieder das Präzeptorium von Templestowe, zu der Stunde, als das blutige Würfelspiel um Tod und Leben für Rebekka anheben sollte. Es war ein großes Leben und Treiben, ganz als wären die Bewohner der Umgegend weit und breit zu einer Kirmeß oder einem ländlichen Feste hier versammelt. Die Augen einer großen Menge waren auf das Tor des Präzeptoriums gerichtet, um die Prozession zu schauen, und eine noch größere Menge hatte den schon zum Hause gehörigen Turnierplatz umringt. Dieser Platz war sehr sorgfältig zu militärischen und ritterlichen Übungen geebnet und bildete die obere Fläche eines sanften anmutigen Hügels, war mit einem Pfahlwerk umgeben und, da die Tempelritter gern zu ihren Übungen Zuschauer einluden, von Bänken und Galerien umschlossen. Für das anberaumte Schauspiel war am östlichen Ende der Schranken ein Platz für den Großmeister errichtet, um den herum Ehrenplätze für die Ordensritter angebracht waren. Darüber wehte die heilige Fahne mit dem Wahrspruch und Feldgeschrei der Templer: Beauséant.