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Fünftes Kapitel

Am Abend des denkwürdigen Tages war es, als Sir Everard in den Büchersaal trat und unsern jungen Helden fast darüber ertappte, wie er das breiteste Schwert probierte, und zwar dasjenige mit dem Wappen des alten Hildebrand, das als altes Familienerbstück gewöhnlich unter dem Gemälde des alten Ritters hing, dessen Angesicht von dem Lockenwust der weißen Perücke fast vollständig überdeckt wurde, genau so wie sein Bucephalus unter dem weiten Mantel des Bathordens fast verschwand, dessen Ritter Sir Hildebrand gewesen war.

Sir Everard trat ein und widmete erst dem Ahnen, dann dem Neffen einen Blick, dann hielt er eine kleine Standrede, die jedoch bald in das Fahrwasser seiner natürlichen Einfachheit lenkte, trotz der lebhaften Bewegung, die sein ganzes Wesen ergriffen hatte.

»Neffe,« hub er an, um sich jedoch sogleich zu verbessern und fortzufahren: »Mein liebwerter Edward! Es ist Gottes, wie auch Deines Vaters Wille, dem Du nächst Gott den größten Gehorsam schuldig bist, daß Du von uns gehen sollst, um den Stand eines Kriegsmanns zu wählen, der so vielen Deiner Vorfahren Glanz und Ruhm gebracht hat. Ich habe alle Anstalten getroffen, daß Du im Felde als echter Waverley erscheinen kannst. Sei also des Namens, den Du führst, allezeit eingedenk! Weiter/Edward, mein lieber Junge, bleib stets dessen eingedenk, daß Du der letzte des Namens Waverley bist, der letzte eines berühmten Geschlechts, und daß auf Dir die einzige Hoffnung seiner Fortdauer beruht! Vermeide also, soweit es Dir Pflicht und Ehre erlauben, Dich in Gefahr zu begeben ... ich meine Gefahr solcher Art, die sich vermeiden läßt, also Gefahr überflüssiger Art. Gib Dich nicht in Gesellschaft von Wüstlingen, von Spielern und von Wighs! wie sich befürchten läßt, werden diese Leute wohl viel in dem Handwerk sein, zu dem Du im Begriffe stehst auszuziehen. Dein Obrist ist, wie ich höre, ein trefflicher Mann, ... als Presbyterianer, wohlgemerkt... Du jedoch sei Deiner Pflichten eingedenk gegen Gott, gegen die Kirche von England und ...« (hier hätte er nun notwendigerweise sagen müssen: »gegen den König«, aber da ihm zum Unglück dieses Wort einen schlimmen Doppelsinn zu haben schien, nämlich den Sinn »de facto« und den andern Sinn »de jure«,: so füllte der Baronet die Satzlücke anders aus, nämlich mit:) »und gegen alle konstitutionellen Behörden!«

Ohne an seine Beredsamkeit noch weitre Anforderungen zu stellen, nahm er seinen Neffen am Arm und begab sich mit ihm in den Marstall, um ihm die für ihn bestimmten Pferde zu zeigen.

Zwei dieser Pferde waren Rappen, entsprechend der Farbe des Regiments, beides waren Staatstiere     die drei andern waren kräftige Gäule, bestimmt zum Tragen der Lasten wie für die Dienerschaft, die sich aus zwei Mann vom Schlosse zusammensetzen sollte, wahrend es dem Junker überlassen bleiben sollte, sich nötigenfalls einen Reitknecht in Schottland zu werben.

»Du wirst,« sagte der Baronet, »mit Sir Hildebrand verglichen, freilich nur ein dürftiges Gefolge haben. Sir Hildebrand konnte vorm Schloßtore ein größeres Reiterkorps mustern, als Dein ganzes Regiment bildet. Ich hätte es ja sehr gern gesehen, die zwanzig Burschen, die für Dein Korps aus meiner Standesherrschaft geworben wurden, hätten den Ritt mit Dir durch ganz Schottland gemacht, das hätte doch wenigstens nach etwas ausgesehen! aber es ist mir gesagt worden, daß solches Geleit in unsrer Zeit, in der jede neue alberne Mode willkommen ist, durch die die natürliche Abhängigkeit des Volkes von seiner Herrschaft gebrochen werden kann, als etwas Ungewöhnliches angesehen und aufgefaßt werden könnte.«

Sir Everard tat alles, was in seinen Kräften stand, die Fessel der Subordination den Rekruten nicht nur dadurch so leicht wie möglich zu machen, daß er ihnen ein reiches Mahl nebst einem tüchtigen Humpen Doppelbier vorsetzen ließ, sondern er überreichte auch jedem von ihnen noch ein reichliches Geldgeschenk, ganz als ob er sie mehr zum Zechen und Schmausen unterwegs, weniger zur strengen Subordination hätte anhalten Wollen.

Nach der Besichtigung der Pferde führte Sir Everard seinen Neffen wieder in die Bücherei zurück. Hier langte er mit großer Behutsamkeit einen Brief aus der Tasche, der fürsorglich zusammengebrochen und nach alter Sitte mit einem Streifchen Florseide umwickelt, auch noch mit dem Siegel des Hauses Waverley versehen war. Der Brief trug die förmliche und genaue Aufschrift:

»An Cosmo Comyne Bradwardine, Esquire von Bradwardine, auf und zu Tully-Beolan, Pertshire, Nord-England.«

Durch die Güte des Kapitäns Edward Waverley, Neffen des Sir Edward Waverley von Waverley-Würden, Baronet.«

Der Edelmann, an den diese umständliche Aufschrift gerichtet war, und von dem wir bald mehr erfahren werden, hatte im schlimmen Jahre 1715 die Waffen für das königliche Haus der Stuarts ergriffen und war zu Preston in Lancashire in Gefangenschaft geraten. Er war ein Mann aus altem schottischem Geschlecht, aber in etwas desolaten Verhältnissen. Er war, wie Schotten in der Regel, Gelehrter, das heißt, er besaß mehr eine breite als eine gründliche Bildung. In den alten Klassikern war er sehr belesen, und hiervon soll er auf der Straße zwischen Preston und, London einen seltenen Beweis geliefert haben. Er täuschte nämlich seine Wachen und entfloh. Da er sich aber in der Gegend zu lange aufhielt, geriet er von neuem in Gefangenschaft. Seine Schicksalsgenossen, ja seine ganze Begleitmannschaft wunderten sich über seinen törichten Streich und konnten sich nicht enthalten, ihn zu fragen, warum er keinen bessern Weg eingeschlagen habe, sich in Sicherheit zu bringen, wenn er doch einmal in Freiheit war. Er antwortete hierauf, er habe allerdings, solche Absicht gehabt, sei jedoch wieder umgedreht, um seinen Titus Livius zu suchen, den er über seiner eiligen Flucht vergessen habe mitzunehmen, und ohne den er nicht leben könne. Dieser naive Zug setzte vor allem den Herrn in Staunen, der auf Kosten Sir Everards die Verteidigung dieser ins Unglück geratenen Personen führte und selbst ein eifriger Verehrer dieses alten Pataviners war, zufolgedessen alles daran setzte, dem wiedergekehrten Gefangenen nicht bloß Milderung des Urteils, sondern den völligen Losspruch von der Anklage zu verschaffen.

Der Baron von Bradwardine, wie Sir Como Comyne in Schottland gewöhnlich hieß, wiewohl er zumeist auf seinem Landsitz Tully-Beolan, oder noch traulicher nur Tully genannt, residierte, machte sich, sobald ihm die Freiheit ausgewirkt worden war, sofort auf den Weg nach Waverley, um dort seinen schuldigen Dank abzustatten.

Gleiche Neigung zur Jagd und sonstige Uebereinstimmung in allen Lebensanschauungen und besonders auch in allen politischen Fragen gaben den Kitt ab zu einer Freundschaft zwischen ihm und Sir Everard, und nach einigen in Waverley verlebten lustigen Wochen reiste er mit den lebhaftesten Versicherungen seines Dankes ab. Selbstverständlich unterließ er nicht, auch seinerseits den Gastgeber zu einer Erwiderung seines Besuchs einzuladen, und zwar zur nächsten Haselhuhnjagd, die in Pertshire immer die schönsten Ergebnisse brächte.

Bald darauf sandte Herr Bradwardine eine Geldsumme, als Erstattung der Auslagen, die in Westminster notwendig gewesen waren, die zwar in englischer Bezifferung nicht sehr hoch waren, aber in ihrer Urgestalt schottischer Pfunde auf den Kassierer oder Schösser des Lairds einen solch schrecklichen Eindruck machte, daß er eine halbe Woche lang unter Kolikschmerzen litt, und zwar darum, weil er das unselige Werkzeug abgeben sollte, solch stattliche Geldsumme seinem Vaterlande zu entführen und in die Hände des falschen englischen Gesindels zu überführen.