Als dies nun alles in der nötigen Ordnung war, meinte nun auch Herr Pembroke sich von seinem Zögling in entsprechender Weise verabschieden zu sollen. Die besten Ermahnungen waren es, die auch dieser brave Mann dem Jüngling ans Herz legte, auch er warnte ihn vor schlechter Gesellschaft, schärfte ihm ein, die Grundsätze der Religion heilig zu halten und sich immer eines guten Lebenswandels zu befleißigen.
»Es sei nun einmal Gottes Wille gewesen,« sprach er, »daß Schottland, und zwar zweifellos um des Sündenjahres 1642 willen, in diesen bejammernswerten Zustand der Finsternis versänke, bejammernswerter sogar, als unser unglückliches Königreich England. Hier schaffe zum wenigsten noch die Leuchte der hohen Kirche einigen Schimmer, wenngleich auch sie nicht mehr an ihrer alten hohen Stelle stehe, indessen gäbe es doch hier noch immer eine Hierarchie, möge sie auch nicht mehr in dem alten Sinne strenggläubig sein, sondern sich merklich von den Grundlagen entfernt haben, die ihr die großen Kirchenväter gegeben hätten; auch eine besondre Liturgie sei hier noch immer vorhanden, wenngleich auch sie in verschiednen Haupterfordernissen verändert worden sei. Aber in Schottland, wie gesagt, herrsche die äußerste Finsternis, und bis auf ein kümmerliches Ueberbleibsel der echten Rechtgläubigkeit, das zudem noch ständiger Verfolgung ausgesetzt sei und ständig weiter verkümmert werde, seien alle Lehrstühle sämtlich den Presbyterianen und, wie er fürchte, den Sektierern verfallen. Darum erachte er es für seine Pflicht, seinen liebwerten Zögling zum Widerstande gegen solch verderbliche, unheilige Lehren aufzufordern, ihn zu mahnen, daß er dem alten Glauben seinen kräftigen Beistand verleihe, selbst wenn man versuchen werde, wie ja natürlich und zu erwarten sei, daß er sein Herz und seine Ohren den Worten und Reden vom neuen Glauben erschließe.«
Bei diesen Worten langte er zwei Pakete von beträchtlicher Größe hervor, deren jedes aus einem ganzen Ries Schreibpapier zu bestehen schien und die ein eng beschriebnes Manuskript ausmachten, das die sämtlichen gelehrten Studien seines Lebens darbot, eine Arbeit, wie sie wohl niemals unter Aufwendung größeren Fleißes und Eifers zur Lösung einer zweckloseren, trübseligeren Aufgabe geleistet worden sein mag.
Früher hatte er sich einmal damit nach London gewandt, in der Absicht, dafür einen Verleger zu finden, der Lust hätte, sein Geld daran zu setzen. Er wendete sich an ihn mit einer besondern Redensart und einem bestimmten vertrauten Zeichen, damals unter den Anhängern der Stuarts als Erkennungszeichen üblich. Aber kaum hatte er das Wort mit einer passenden Gebärde gesprochen, so begrüßte ihn der Buchhändler mit dem Titel »Doktor«, führte ihn in ein finstres Kontor und suchte daselbst das abgelegenste Plätzchen. Dann Hub er an: »Ja, Herr Doktor ... nun, ganz im Vertrauen ... hier ist nicht einmal ein Mauseloch, durch das ein hannoverisch Mäuslein einkriechen könnte! ... und eins noch! vielleicht was Neues von unsern guten Freunden drüben überm Meere? ... was macht der große König von Frankreich? ... oder waren Sie etwa jüngst in Rom? ... Aus Rom muß doch am Ende unser Heil wieder kommen ... die Kirche muß ja ihre Leuchte wieder an dieser uralten Kerze anbrennen! ... Wie, Vorsicht? ... Gut, Ihr gefallt mir, Doktor, um so besser! aber bloß keine Furcht! bloß keine Furcht!«
Hier schnitt nun Herr von Pembroke eine Flut von Fragen an, die durch Zeichen, Winke und Blicke einen noch stärkern Umfang gewannen. Und als er endlich dem Buchhändler die Ueberzeugung beigebracht hatte, daß er ihm zuviel Ehre antäte, wenn er ihn für einen Abgesandten des vertriebnen Königshauses hielte, rückte er endlich mit seinem wahren Anliegen heraus.
Der Büchermensch bequemte sich nun zu einer ruhigen Auffassung der Situation und machte sich an die Durchsicht der Manuskripte. Der Titel des eisten lautete:
»Abweichung vom Abweichenden, oder das widerlegte Vorhaben, wodurch dargetan werden soll, daß es unmöglich sei, zu einer Vereinigung zwischen der rechtgläubigen Kirche und den Puritanern, Presbyterianern sowie anderweiten Sektierern zu gelangen, belegt mit Zeugnissen aus der Heiligen Schrift, den Kirchenvätern und den gründlichsten Schutzschriften der Gottesgelahrtheit.«
Gegen solches Werk brachte der Buchhändler ernste Bedenken vor.
»Ganz gute Absicht!« meinte er dann, »auch ein sehr gelehrtes Thema und zweifellos sehr gründlich aufgefaßt und sehr gründlich bearbeitet, aber nicht für unsre Zeit. Würde aus enger Korpusdruckschrift gesetzt 800 Druckseiten geben und sich unter keinen Umständen bezahlt machen. Darum muß ich schon bitten, eine so hohe Verehrung mir auch vor der Kirche innewohnt, mich diesfalls zu entschuldigen ... wäre es eine Predigt über Märtyrertum oder sonst eine Zehnpfennigsache, dann möchte ich nichts sagen, für die Ehre der Geistlichkeit riskierte ich ja ganz gern ein Paar Pfund ... aber bitte, sehen wir uns doch weiter an, was Sie mir da bringen ...«
»Die Begründung und Rechtfertigung des Thronfolgerechts!«
»Hm,« nahm der Buchhändler wieder dozierend das Wort, »hm, darin liegt ein gewisser Sinn und Wert! aber, aber ... auch hier wieder zu viel, zuviel Papier, zu eng geschrieben ... solche Schriftseite gibt ja allein schon fast einen Druckbogen ... aber wissen Sie, Sie brauchen ja bloß von dem Lateinischen und Griechischen etwas zu streichen! und dafür ein bißchen Pfeffer dazu! Kritisieren war ja Schriftstellern gegenüber nie meine Sache, ich habe Drake, Amhurst, Lawton verlegt ... ach, auch Kaleb! der arme Kerl! wirklich, eine Schmach wars, den armen Mann hungern zu lassen, während so mancher andre, der nicht halb so gescheit war, auf seiner fetten Pfründe saß. Ach, ein paarmal in der Woche hatte er bei mir seinen Freitisch, aber was hilft denn das groß, wenn ein armer Mann nicht weiß, wo er sich die andern vier bis fünf Tage sättigen soll? Schön, schön, Herr Doktor, dieses Manuskript über Thronfolgerecht will ich mal hier behalten, aber zunächst ohne Obligo, denn ich muß zuerst noch mit meinem Anwalt Tom Alibi über das Thema und seine Behandlung reden ... Tom Alibi führt jetzt alle meine Sachen ... man muß zu sehr jetzt die Strömungen im Auge behalten, es heißt jetzt gar zu scharf: Wigh und Hannover-Ratte!« Am andern Tage fragte Pembroke wieder bei dem Buchhändler an, bekam aber den Bescheid, daß Mr. Alibi energisch dawider gesprochen und abgeraten habe.
»Sie müssen nicht meinen, als wollte ich nichts ... hm, na, was wollte ich gleich sagen ... nichts für die Kirche übrig hätte! nein, nein, ganz im Gegenteil, mein lieber Doktor! aber auch ich habe Weib und Kind. Um Ihnen indessen den Beweis dafür zu erbringen, daß ich Interesse an der Angelegenheit nehme, so will ich Ihr Manuskript mit ein paar empfehlenden Zeilen an meinen Kollegen Trimmel schicken. Der ist Junggeselle und kann eher etwas riskieren.«
Aber Herr Trimmel war ganz ebenso unzugänglich, vielleicht bloß mit dem Unterschiede, daß er mehr Grobian war als der andre, und so mußte der gute Pembroke mit seinen beiden Manuskripten wieder heimkehren nach Waverley-Würden, ohne Aussicht darauf, sie je loszuwerden und gedruckt zu sehen.
Das Publikum war auf diese Weise jenes Vorteils beraubt, den ihm die Nachtlampenarbeit des Herrn Pembroke hatte schaffen sollen, und da dem braven Gelehrten der Buchhandel verschlossen geblieben war, hatte er sich dahin entschlossen, seinem liebwerten Zögling zwei Abschriften von den Manuskripten anzufertigen und zu behändigen. Sein inneres Gefühl sagte ihm, daß er als Lehrer der ihm obliegenden Aufgabe dem Jüngling gegenüber nur in einem geringen Teile gerecht geworden sei, und noch mehr quälte ihn der Gedanke, daß er dem Anliegen des Herrn Richard Waverley, Edward keinerlei Dinge zu lehren, die im Widerspruch standen zu den Anschauungen der herrschenden Regierungs- und Kirchenpartei, mehr als wohl notwendig war, gewillfahrt habe.... »Nun aber,« dachte er bei sich, »bin ich, da ich ja aufhöre, Lehrer zu sein, nicht mehr an mein Wort gebunden, und kann dem Jüngling mit Fug und Recht die Mittel an die Hand geben, sich selbst ein Urteil fürs Leben zu bilden. Auch brauche ich mich keines Vorwurfs gewärtig zu halten, daß ich ihm Schriften vorenthalten hätte, bei deren Lektüre ihm ohne weitres das Licht in seinem Herzen aufgehen müsse.«