Frank starrte auf seine eingehüllte Hand und dann wieder auf die anderen beiden Elemente, die noch miteinander verbunden waren. Aber ohne ihn waren sie ein Nichts!
Ärgerlich wandte er sich ab und ging durch die engen Straßen der Stadt.
Wie Miesmuscheln auf einem Stein hockte in einer Plaza eine Gruppe Araber zusammengedrängt und trank Kaffee. Araber waren auf dem Mars erst vor zehn Jahren eingetroffen, bildeten aber schon jetzt eine Macht, mit der man rechnen musste. Sie besaßen sehr viel Geld und hatten sich mit den Schweizern zusammengetan, um eine Anzahl von Städten zu gründen, einschließlich dieser hier. Und es gefiel ihnen auf dem Mars. »Es ist wie ein kühler Tag in einer leeren Wohnung«, wie die Saudis zu sagen pflegten. Die Ähnlichkeit war so groß, dass arabische Wörter schnell ins Englische rutschten, weil der arabische Wortschatz ein größeres Vokabular für diese Landschaft hatte: akaba für die steilen Hänge an Vulkanen, badia für die großen Dünen, nefuds für tiefen Sand, seyl für die Milliarden Jahre alten trockenen Flussbetten … Die Leute sagten, sie könnten ebenso gut gleich auf arabisch umschalten, und das war’s dann.
Frank hatte allerhand Zeit mit Arabern verbracht, und die Leute auf der Plaza freuten sich, ihn zu sehen. »Salaam aleykl« sagten sie zu ihm; und er antwortete: »Marhabba!« Weiße Zähne blitzten unter schwarzen Schnurrbärten. Nur Männer waren da, wie üblich. Einige Jugendliche führten ihn zu einem Tisch in der Mitte, wo die älteren Männer saßen, einschließlich seines Freundes Zeyk. Zeyk sagte: »Wir werden diesen Platz Hajr el-kra Meshab nennen, ›den großen freien roten Granitplatz in der Stadt‹.« Er zeigte auf die rostfarbenen Fliesen. Frank nickte und fragte, was für eine Art Stein das wäre. Er sprach Arabisch, soweit er konnte, ging bis an die Grenzen seiner Fähigkeit und erhielt einige gute Lacher als Antwort. Dann nahm er an dem zentralen Tisch Platz und entspannte sich. Er hatte den Eindruck, als ob er auf einer Straße in Damaskus oder Kairo wäre, behaglich in dem Gemisch von Arabisch und teurem Aftershave.
Er studierte die Gesichter der Männer, während sie sprachen. Ohne Zweifel eine fremdartige Kultur. Sie würden sich nicht verändern, bloß weil sie auf dem Mars waren, womit sie Johns Vision Lügen straften. Ihr Denken prallte direkt auf das westliche. Zum Beispiel hielten sie die Trennung von Kirche und Staat für falsch, was es ihnen unmöglich machte, mit Westlern hinsichtlich der Grundlagen einer Regierung gleicher Meinung zu sein. Und sie waren so patriarchalisch, dass es hieß, manche ihrer Frauen seien Analphabeten — auf dem Mars! Das war ein Zeichen. Und diese Männer hatten in der Tat den gefährlichen Blick, den Frank mit Machotum verband, den Blick von Männern, die ihre Frauen so grausam unterdrückten, dass diese natürlich zurückschlugen, wo sie konnten, und Söhne terrorisierten, die dann Frauen terrorisierten, die wiederum Söhne terrorisierten und so weiter und so weiter, in einer endlosen Todesspirale von verzerrter Liebe und Geschlechterhaß. So dass sie in diesem Sinne alle Wahnsinnige waren.
Dies war einer der Gründe, weshalb Frank sie liebte. Und gewiss würden sie sich ihm als nützlich erweisen als ein neuer Herd der Macht. Man verteidige einen schwachen neuen Nachbarn, um die alten mächtigen zu schwächen, hatte Macchiavelli gesagt. Also trank er mit ihnen Kaffee, und allmählich gingen sie höflicherweise zu Englisch über.
»Wie haben euch die Reden gefallen?« fragte er und blickte in den schwarzen Schlamm auf dem Boden seiner Tasse.
Der alte Zeyk antwortete: »John Boone ist immer derselbe.« Die anderen lachten ärgerlich. »Wenn er sagt, dass er eine bodenständige Mars-Kultur schaffen will, dann meint er, dass hier einige irdische Kulturen gefördert und andere bekämpft werden sollen. Die, welche man für regressiv hält, werden zwecks Vernichtung ausgegliedert werden. Das ist eine Form von Atatürkentum.«
»Er denkt, dass ein jeder auf dem Mars Amerikaner werden sollte«, sagte ein Mann namens Nejm.
»Warum nicht?« sagte Zeyd lächelnd. »Auf der Erde ist das schon passiert.«
»Nein«, sagte Frank. »Ihr solltet Boone nicht missverstehen. Die Leute sagen, er sei in sich selbst vertieft, aber …«
»Er ist in sich vertieft!« rief Nejm. »Er lebt in einem Spiegelsaal. Er denkt, wir seien auf den Mars gekommen, um eine gute alte amerikanische Superkultur aufzubauen, und dass ein jeder zustimmen wird, weil es der Plan von John Boone ist.«
»Er begreift nicht, dass andere Leute andere Meinungen haben«, sagte Zeyk.
»Das ist es nicht«, erklärte Frank. »Es ist nur, dass er davon überzeugt ist, sie wären weniger sinnvoll.«
Sie lachten darüber, aber das Gejohle der jüngeren Männer hatte einen bitteren Unterton. Sie alle glaubten, dass Boone vor ihrer Ankunft heimlich gegen die Billigung der UN für arabische Siedlungen agitiert hatte. Frank ermutigte diese Meinung, die fast stimmte; denn John missbilligte jede Ideologie, die ihm in die Quere kommen könnte. Er wollte, dass jeder Neuankömmling ein möglichst unbeschriebenes Blatt sein sollte.
Die Araber glaubten indessen, dass John sie insbesondere nicht leiden könnte. Der junge Selim el-Hayil öffnete den Mund, um zu reden. Frank warf ihm einen schnellen warnenden Blick zu. Selim erstarrte und verzog dann ärgerlich den Mund. Frank sagte: »Nun, gar so schlecht ist er nicht. Obwohl es wahr ist, dass ich ihn sagen hörte, es wäre besser gewesen, wenn die Amerikaner und Russen in der Lage gewesen wären, den Planeten für sich zu beanspruchen, als sie eintrafen, wie Kundschafter in den alten Zeiten.«
Das Gelächter war kurz und schwach. Selim bewegte eine Schulter, als hätte er einen Schlag erhalten. Frank zuckte die Achseln und lächelte mit weit ausgebreiteten Armen. »Es hat aber keinen Sinn! Ich meine, was können wir tun?«
Der alte Zeyk hob die Augenbrauen. »Es gibt unterschiedliche Meinungen, die sich ändern können.«
Chalmers erhob sich, um weiterzugehen. Für einen Moment begegnete ihm der scharfe Blick Selims. Dann schlenderte er durch eine Seitenstraße, eine jener schmalen Gassen, welche die sieben Hauptboulevards der Stadt verbanden. Die meisten waren mit Kieselsteinen oder Gras bedeckt; aber diese zeigte groben gelben Beton. Er ging langsamer an einem zurückgesetzten Torweg vorbei und schaute in das Fenster einer geschlossenen Schuhwerkstatt. Sein schwaches Spiegelbild erschien in einem Paar großer Stiefel für Außenarbeiten.
Meinungen ändern sich. Ja, viele Leute hatten John Boone unterschätzt — das war selbst Chalmers öfters passiert. Vor ihm erschien ein Bild von John im Weißen Hause, mit einem durch Überzeugung geröteten Gesicht, sein widerspenstiges blondes Haar wild flatternd, wobei die Sonne in die Fenster des Oval Office schien und ihn beleuchtete, wie er mit den Händen gestikulierte und im Raum hin und her schritt, ständig redend, während der Präsident nickte und dessen Adjutanten aufpassten, sich überlegend, wie sie dies elektrisierende Charisma aufnehmen sollten. Oh, in jenen Tagen waren sie beide, Chalmers und Boone, in Hochform gewesen: Frank mit den Ideen und John als der Frontmann, mit einem Schwung, der praktisch unaufhaltsam war. Es wäre wirklich eher eine Sache von Entgleisung gewesen.
Selim el-Hajils Spiegelung erschien zwischen den Stiefeln.
»Ist es wahr?« fragte er.
»Ist was wahr?« sagte Frank knapp.
»Ist Boone anti-arabisch?«
»Was meinst du?«
»War er es, der die Genehmigung zum Bau der Moschee auf Phobos blockiert hat?«
»Er ist ein mächtiger Mann.«
Der junge Saudi verzog das Gesicht. »Der mächtigste Mann auf dem Mars, und er will noch mehr! Er will König sein!« Selim ballte die Faust und schlug damit in die andere Hand. Er war schlanker als die anderen Araber, mit einem schwachen Kinn, und sein schütterer Schnurrbart bedeckte einen kleinen Mund.