Выбрать главу

»Ich hab was. Ich hab was.« Der andere Mann griff hinab und legte vorsichtig ein Bein frei.

In diesem Moment erreichte Miranda Hogendobber den Hü­gel. Sie warf einen Blick auf das verwesende Bein, das mit ei­ner zerrissenen Hose bekleidet war und den Fuß noch in einem Turnschuh stecken hatte, und fiel in Ohnmacht.

»Dafür sind Sie verantwortlich!« Rick wies mit dem Zeigefin­ger auf Harry.

Harry sah ein, daß er recht hatte. Schnell lief sie zu Mrs. Ho­gendobber und wuchtete sie mit Blairs Hilfe hoch. Sie kam zu sich. Da sie nicht wußten, was ein zweiter Blick auf den schau­erlichen Fund anrichten würde, redeten sie ihr gut zu. Zuerst sträubte sie sich, aber dann ließ sie sich von den beiden in Blairs Haus führen.

Die Polizei setzte ihre Arbeit fort und entdeckte eine zweite Hand, ebenfalls mit abgeschnittenen Fingerkuppen, und noch ein Bein, das wie sein Gegenstück an der Stelle abgetrennt war, wo der Oberschenkelknochen sich mit dem Becken verbindet.

Um die Mittagszeit, nach stundenlangem Sieben und Graben, sagte Rick den Männern, daß sie aufhören könnten.

»Sollen wir bei den anderen Gräbern weitermachen?«

»Da ist die Erde nicht aufgerissen; mir wäre es lieber, Sie lie­ßen es bleiben«, sagte Reverend Jones. »Lassen Sie die Toten in Frieden ruhen.«

Rick wischte sich die Stirn. »Reverend, ich habe durchaus Sinn für Pietät, aber wenn wir noch einmal herkommen müssen, dann. Sie verstehen.«

»Ich weiß, aber Sie stehen auf meiner Mutter.« Ein leicht vorwurfsvoller Ton hatte sich in Herbs volle Stimme einge­schlichen. Er war verstörter, als ihm selbst bewußt war.

»Verzeihung.« Rick trat rasch beiseite. »Gehen Sie wieder an Ihre Arbeit, Reverend. Ich melde mich, wenn's was gibt.«

»Wer würde so etwas tun?« Herbie deutete auf die stinkenden Beweisstücke.

»Einen Mord begehen?« Cynthia Cooper breitete die Hände aus, die Handflächen nach oben. »Scheinbar durchschnittliche Leute begehen Morde. Das passiert jeden Tag.«

»Ich meine, wie kann man einen Menschen so zerstückeln?« Die Augen des Pastors waren feucht.

»Ich weiß es nicht«, erwiderte Rick. »Aber wer das getan hat, hat sich die größte Mühe gegeben, alles zu beseitigen, was der Identifizierung dient.«

Als der brave Reverend gegangen war, entfernten sich die vier Gesetzeshüter ein Stück weit von dem Geruch und berieten sich. Wo war der Rumpf, und wo war der Kopf?

Sie sollten es bald erfahren.

12

Die gestärkte Schürze knisterte, als Tiffany Hayes, das Haus­mädchen, an den Tisch trat. Little Marilyn, in einen bodenlan­gen lilaseidenen Morgenrock gehüllt, saß Fitz-Gilbert gegen­über, der fürs Büro angezogen war. Das zartrosa Hemd und die Hosenträger vervollständigten das überlegt zusammengestellte Ensemble.

Tiffany servierte Eier, Speck, Grütze und diverse Marmela­den. »Ist das alles, Mrs. Hamilton?«

Little Marilyn begutachtete kritisch ihr Essen. »Roberta hat den Petersilienzweig auf den Eiern vergessen.«

Tiffany knickste und begab sich in die Küche, wo sie Roberta über ihr schreckliches Versäumnis unterrichtete. Bei jeder Mahlzeit beleidigte irgendeine Kleinigkeit Little Marilyns hochentwickelten Dekorationssinn.

Die Hände in die Hüften gestemmt, erwiderte Roberta der beipflichtenden Tiffany: »Meinetwegen soll sie eine Schweins­blase fressen.«

In der Frühstücksecke genossen die Eheleute ein entspanntes Mahl. Für kurze Zeit war es sonnig, aber dann zogen wieder Wolken auf.

Little Marilyn seufzte. »Ist das nicht ein komisches Wetter?«

Fitz-Gilbert senkte die Stimme. »Die Jahreszeitenwechsel sind voller Überraschungen. - Genau wie du.«

Little Marilyn lächelte scheu. Es war ihre Idee gewesen, ihren Mann heute morgen beim Duschen zu überfallen. Die Sexbera­tungsbücher zum Thema>Mehr Lust< zahlten sich aus.

»Für Blonde ist das Leben aufregender.« Er fuhr sich mit der Hand über seine Tolle. Seine Haare waren exakt geschnitten, mit kurzen Koteletten, kurz an den Seiten und am Hinterkopf, am Oberkopf etwas länger. »Es gefällt dir wirklich, oder?«

»Ja. Und deine Hosenträger gefallen mir auch.« Sie lehnte sich über den Tisch und ließ einen Träger schnappen.

»Halter, meine Liebe. Hosenträger sind was für alte Männer.« Er verdrückte seine Frühstückseier. »Marilyn« - Pause - »wür­de st du mich auch lieben, wenn ich, nun ja, kein Andover-Princeton-Absolvent wäre? Wenn ich kein Hamilton wäre?« Er spielte auf seine erlauchte Familie an, deren Geschichte in Amerika bis ins siebzehnte Jahrhundert zurückreichte.

Die Hamiltons, ursprünglich aus England stammend, waren zuerst auf den Westindischen Inseln gelandet, wo sie mit Zuckerrohr ein Vermögen verdienten. Ein Sohn, den es nach einer größeren Bühne für seine Talente gelüstete, war nach Philadel­phia gesegelt. Diesem ehrgeizigen Stamm war eine lange Reihe von Staatsdienern, Geschäftsleuten und gelegentlichen Schur­ken entsprossen. Fitz-Gilberts Zweig der Familie, der New Yorker Zweig, erlitt zahlreiche Verluste, bis nur noch Fitz' unmittelbare Familie übrigblieb. Einen Sommer nach Fitz' mitt­lerem High-School-Abschluß vernichtete ein schicksalhafter Flugzeugabsturz die New Yorker Hamiltons. Mit sechzehn war Fitz-Gilbert ein Waisenknabe.

Fitz schien den Schock zu überwinden. Den Sommer über ar­beitete er als Botenjunge bei einem Börsenmakler, ganz so, wie es sein Vater geplant hatte. Trotz seiner blaublütigen Bekannten war in jenen Tagen ein anderer Junge in der Maklerfirma sein einziger richtiger Freund, ein intelligenter Bursche aus Brook­lyn namens Tommy Norton. An den Wochenenden entflohen sie der Wall Street, meistens in die Hampton Roads oder nach Cape Cod.

Fitz' stoische Ruhe beeindruckte jedermann, aber Cabell Hall, sein Vormund und Treuhänder an der Chase Manhattan Bank, machte sich Sorgen. In Fitz' Fassade zeigten sich Risse. Er fuhr ein Auto zu Schrott, entkam aber unverletzt. Cabell ging nicht in die Luft. »Jungs sind eben Jungs«, befand er. Dann schwän­gerte Fitz ein Mädchen, und Cabell besorgte einen angesehenen Arzt, der das in Ordnung brachte. Im zweiten Sommer von Fitz' Lehrzeit an der Wall Street schließlich erlitten er und Tommy Norton auf Cape Cod einen Autounfall. Beide waren sturzbe­trunken. Zum Glück trugen sie nur Gesichtsverletzungen und Prellungen davon, als sie durch die Windschutzscheibe flogen. Da Fitz am Steuer gesessen hatte, kam er für die Arztkosten auf, was bedeutete, daß ihnen die allerbeste Pflege zuteil wurde. Aber Fitz genas nur körperlich. Er hatte das Schicksal herausge­fordert und beinahe nicht nur sich, sondern auch seinen besten Freund getötet. Ein Nervenzusammenbruch war die Folge. Ca­bell verfrachtete ihn in eine teure, ruhige Klinik in Connecticut.

Bevor sie heirateten, hatte Fitz Little Marilyn seine Geschich­te erzählt, aber seither hatte er sie nie mehr erwähnt.

Jetzt sah Little Marilyn ihn an und wußte nicht, wovon er re­dete. Fitz war aus vornehmer Familie, reich und amüsant. Sie konnte sich nicht erinnern, in irgendeinem ihrer Bücher gelesen zu haben, daß Männer bestätigt haben mußten, daß sie etwas wert waren. Die Bücher konzentrierten sich auf die sexuellen Freuden und darauf, wie eine Frau ihrem Ehemann durch eine berufliche Krise und durch die gefürchteten männlichen Wech­seljahre half, aber davon waren sie noch Jahre entfernt. Vermut­lich spielte er ihr etwas vor. Fitz war erfindungsreich.

»Ich würde dich lieben, und wenn du« - sie suchte nach etwas Abfälligem - »ein Iraker wärst.«

Er lachte. »Das ist weit hergeholt. Ach ja, der Mittlere Osten, die Bedürfnisanstalt des Menschengeschlechts.«

»Was die wohl über uns sagen?«

»Teufelssaat«, sagte er mit drohender Stimme in einem Ak­zent, den er für irakisch hielt.

Eines von den vierzehn Telefonen in dem überdimensionalen Haus zwitscherte. Das grelle Telefonklingeln war zu unharmo­nisch für Little Marilyn, die glaubte, das absolute Gehör zu haben. Deswegen gab sie bündelweise Geld für Telefone mit Vogelstimmen aus. Infolgedessen klang es in ihrem Haus wie in einer metallischen Voliere.