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Tiffany erschien. »Ich glaube, es ist Ihre Mutter, Miss Mim, aber ich habe kein Wort verstanden.«

Ein kurzer Anflug von Zorn überkam Marilyn Sanburne Ha­milton, und sie runzelte ihre weiße Stirn. Sie griff zum Telefon, und ihre Stimme verriet nicht die Spur von Verärgerung. »Mut­ter, Darling.«

Mutter-Darling tobte, raste und stieß dermaßen seltsame Laute aus, daß Fitz seine Serviette hinlegte, aufstand und sich hinter seine Frau stellte, die Hände auf ihren schmalen Schultern. Sie sah zu ihrem Mann auf und bedeutete ihm, daß auch sie kein Wort verstand. Dann veränderte sich ihre Miene, die Stimme in der Ohrmuschel hatte sich zu purer Hysterie gesteigert.

»Mutter, wir sind gleich bei dir.« Die gehorsame Tochter legte den Hörer auf.

»Was ist los?«

»Keine Ahnung. Sie hat nur geschrien und gebrüllt. O Fitz, wir sollten uns beeilen.«

»Wo ist dein Vater?«

»Er ist heute in Richmond auf einer Burgermeisterversamm­lung.«

»Ach du lieber Gott.« Wenn Mims Mann nicht da war, ruhte die Last des Tröstens und Zuspruchs auf Fitz. Kein Wunder, daß Jim Sanburne jede Gelegenheit nutzte, zu verreisen.

13

Die Stadtbewohner, die sich nicht im Postamt versammelt hat­ten, waren in Market Shifletts Laden. Harry versuchte hektisch, die Post zu sortieren. Sie hatte sogar Susan Tucker angerufen und sie gebeten, ihr zu helfen. Mrs. Hogendobber, die vor dem Schalter Stellung bezogen hatte, erzählte jedem ihre blutrünsti­ge Geschichte, mit allen abscheulichen Details.

Ein energisches Kratzen an der Hintertür ließ Tucker aufmer­ken, und sie bellte. Susan stand auf und öffnete. Pewter kam herein, den Schwanz senkrecht nach oben, die Schnurrhaare nach vorn gestellt.

»Hallo, Pewter.«

»Hallo, Susan. « Pewter rieb sich an Susans Bein und dann an Tucker.

Mrs. Murphy spielte in den geöffneten Schließfächern.

Pewter sah hoch und sprach zu dem gestreiften Schwanz, der aus Nr. 31 hing.»Drüben im Laden ist der Teufel los. Wie sieht's hier aus?«

»Genauso.«

»Ich hab die Hand gefunden«, brüstete sich Tucker.

»Das weiß alle Welt, Tucker. Vermutlich kommst du in die Zeitung - wieder mal. « Der gelbe Neid ließ den dicken grauen Leib erzittern.»Mrs. Murphy, dreh dich um, damit ich mit dir reden kann.«

»Geht nicht.« Mrs. Murphy kam im Rückwärtsgang aus dem Schließfach, hing einen Moment nur an den Krallen und ließ sich dann locker auf den Boden fallen.

Gewöhnlich amüsierten sich Susan und Harry bei den artisti­schen Darbietungen der behenden Tigerkatze, aber heute achte­ten sie kaum darauf.

Blair rief an, um Harry mitzuteilen, daß Rick Shaw beschlos­sen hatte, den Friedhof nicht sofort aufzureißen, und um ihr für ihre gute Nachbarschaft zu danken.

Da Blair ein Außenstehender war, fiel der Verdacht natürlich sofort auf ihn. Immerhin waren die abgetrennten Hände und Beine auf seinem - na ja, eigentlich Herbies - Friedhof gefun­den worden. Und keinem Menschen würde es jemals einfallen, Reverend Jones zu verdächtigen.

Ideen und Phantasievorstellungen wirbelten auf wie ein Heu­schreckenschwarm und sanken wieder zur Erde Harry hörte den Leuten zu, die sich im Postamt drängten, während sie sich zu­gleich bemühte, ihre Arbeit zu Ende zu bringen. Die Theorien reichten von altmodischer Rache bis hin zum Dämonenkult. Da niemand eine Ahnung hatte, zu wem die Körperteile gehörten, fehlte den Theorien der Bezug zu einer persönlichen Wirklich­keit.

Ein eigenartiger Gedanke kam Harry in den Sinn. Die meisten Mutmaßungen drehten sich um die Frage des Motivs. Warum? Die mal lauter, mal leiser werdenden Stimmen ihrer Freunde, Nachbarn und auch ihrer wenigen Feinde oder zeitweiligen Feinde gingen alle davon aus, daß das Opfer sein grausames Schicksal selbst verschuldet haben müsse. Die grundsätzliche Frage, die Harry sich stellte, galt nicht dem Motiv, sondern lautete: Warum müssen die Menschen immer dem Opfer die Schuld geben? Hoffen sie, damit das Böse abzuwehren? Wird eine Frau vergewaltigt, beschuldigt man sie, sich aufreizend angezogen zu haben. Wird ein Mann beraubt, hätte er nicht so unvernünftig sein sollen, durch die Straßen jenes Stadtviertels zu gehen. Sind die Menschen unfähig, die Willkür des Bösen zu akzeptieren? Offensichtlich.

Als Rick Shaw mit heulenden Sirenen vorüberraste, ver­stummte die Gruppe und sah ihm nach. Dicht hinter Rick Shaw folgte Cynthia Cooper in ihrem Dienstwagen.

Fair Haristeen öffnete die Tür und trat auf die Straße. Er wuß­te, daß Rick Shaw nicht so schnell fuhr, bloß um irgendwo Hände und Beine abzuladen; es mußte wieder etwas passiert sein. Er ging zu Markets Laden hinüber, um zu hören, ob je­mand frischere Neuigkeiten hatte. Harrys Nähe war ihm nicht besonders unangenehm. Fair fand, daß Frauen die meiste Zeit irrational waren; diese Meinung wurde bestärkt durch Boom Boom, die Logik für vulgär hielt. Er hatte Harry schon verzie­hen, daß sie ein Loch in seinen Kaffeebecher gebohrt hatte. Vor ihm tat sie so, als würde sie ihn nicht beachten, aber sie beo­bachtete ihn, während er nach nebenan schlenderte. Sie stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Seine Anwesenheit scheu­erte wie ein Kieselstein im Schuh.

»Hör mal, ich will meinen Fleischknochen.« Tucker wurde langsam sauer. »Das war abgemacht.«

»Abgemacht?« Pewters lange graue Wimpern klimperten.

Ehe Tucker es ihr erklären konnte, flog die Tür auf, und Tif­fany Hayes, noch in ihrer strahlend weißen Schürze, platzte herein. »In Mrs. Sanburnes Bootshaus ist 'ne nackte Leiche ohne Kopf!«

Für den Bruchteil einer Sekunde herrschte Fassungslosigkeit, dann stürmten die Fragen auf Tiffany ein. Woher sie das wisse? Wer es sei? Und so weiter.

Tiffany räusperte sich und trat an den Schalter. Susan kam von hinten nach vorne. Mrs. Murphy und Pewter sprangen auf den Schalter und marschierten im Kreis, um sich Papiere zum Draufsetzen zu suchen, und ließen sich nieder. Tucker lief um den Schalter herum, tauchte zwischen Beinen hindurch nach vorne, um Tiffany besser sehen zu können.

Reverend Jones, der wie immer schnell schaltete, sauste nach nebenan, um die Leute aus dem Laden zu holen. Bald war das Postamt voller, als es die feuerpolizeilichen Sicherheitsvor­schriften erlaubten.

Sobald sich alle hereingequetscht hatten, lieferte Tiffany die Fakten. »Ich hab Little Marilyn und Mr. Fitz gerade ihre Eier gebracht. Sie hatte natürlich wieder was zu meckern, aber was soll's. Ich bin wieder in die Küche, und da hat das Telefon ge­klingelt. Roberta hatte die Hände voll Mehl, und Jack war noch nicht im Dienst, da bin ich drangegangen. Ich hab Mrs. Sanbur­nes Stimme erkannt, aber meine Güte, ich hab kein Wort von dem verstanden, was die Frau zu mir gesagt hat. Sie hat geheult und geschrien und gestöhnt, und ich hab einfach den Hörer hingelegt und bin aus der Küche und hab Little Marilyn gesagt, ihre Mutter ist am Apparat und ich kann sie nicht verstehen. Ich konnte schließlich nicht sagen:>Ihre Mutter hat 'nen Tob­suchtsanfall, der sich gewaschen hat<, oder? Ich hab gewartet, wie Little Marilyn ans Telefon ging, und sie konnte ihre Mutter auch nicht besser verstehen als ich. Und eh ich mich versah, rennt sie die Treppe rauf und will sich zurechtmachen, und Mr. Fitz wartet unten. Er war so nervös, daß er's nicht mehr aus­gehalten hat, und er ist die Treppe raufgestürmt und hat ihr klipp und klar gesagt, jetzt ist keine Zeit zum Schminken und sie müßten los. Dann sind sie mit dem weißen Jeep von ihr los­gefahren. Es dauert keine zwanzig Minuten, bis das Telefon wieder klingelt, und Jack ist jetzt da und geht ran, aber Roberta und ich konnten nicht anders, wir sind auch rangegangen. Es war Mr. Fitz. Im Hintergrund konnten wir die beiden Marilyns hören, sie haben gekreischt wie die Furien. Mr. Fitz war ein bißchen zittrig, aber er hat Jack erzählt, in Mims Bootshaus schwimmt 'ne Leiche ohne Kopf. Er hat zu Jack gesagt, er soll rumtelefonieren und seine ganzen Geschäftstermine und Little Marilyns sämtliche Verabredungen für heute absagen. Dann hat er gesagt, Jack soll zusehen, ob er Mr. Sanburne in Richmond erreichen kann. Der Sheriff wäre schon unterwegs und wir brauchten keine Angst zu haben. Niemand wäre in Gefahr. Jack hat ein paar Fragen gestellt, und Mr. Fitz hat ihm gesagt, er soll sich keine Gedanken machen, wenn er seine Arbeit heute nicht getan kriegt. Gott sei Dank haben wir Mr. Fitz.«