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Das Problem, das Mrs. Hogendobber, Taxi Hall und ihrem Stab zu schaffen machte, betraf Harry Haristeen und Susan Tucker. Nein, die zwei hatten nichts Schlimmes angestellt; es ging darum, daß sie jedes Jahr als Ichabod Crane und der kopf­lose Reiter auftraten. Harry war der Reiter. Harrys Tomahawk war ein braunes Pferd, aber nachts sah es schwarz aus, und sei­ne Nüstern wurden immer rot angemalt. Es bot einen furchter­regenden Anblick. Harry mühte sich alle Jahre ab, durch die Schlitze in ihrem Umhang zu sehen, sobald sie den Kürbiskopf auf den fliehenden Ichabod geschleudert hatte. Einmal hatte sie die Orientierung verloren und war vom Pferd gefallen, was alle amüsierte außer sie selbst, aber später hatte auch sie darüber gelacht.

Was war zu tun? Die Tradition fortzusetzen, die in Crozet ge­pflegt wurde, seit Washington Irving seine unsterbliche Erzäh­lung veröffentlicht hatte, schien in diesem Jahr von zweifelhaf­tem Geschmack. Schließlich war erst vor kurzem die kopflose Leiche aufgefunden worden.

Nach einer quälenden Debatte faßte das ehrenwerte Komitee den Beschluß, Ichabod Crane zu streichen. Da es noch ein paar Tage vor dem Ball war, hatten sie Zeit genug, sich etwas ande­res zu überlegen. Die Bibliothekarin schlug vor, für die Kinder eine Geschichte zum Vorlesen auszusuchen. Keine ideale Lö­sung, aber besser als nichts.

Mirandas Schritte auf dem Weg zum Postamt wurden immer schleppender. Sie erreichte den Eingang. Dort blieb sie einen Moment stehen. Sie atmete tief durch. Sie öffnete die Eingangs­tür.

»Harry!« dröhnte sie.

»Ich bin direkt vor Ihnen, Sie brauchen nicht zu brüllen.«

»Ach so. Es tut mir leid, aber das Ernteballkomitee hat be­schlossen, und ich halte das für eine kluge Entscheidung, die Aufführung mit dem kopflosen Reiter ausfallen zu lassen.«

Harry war sichtlich enttäuscht, aber der Entschluß leuchtete ihr ein. »Nehmen Sie's nicht so schwer, Mrs. H. Nächstes Jahr führen wir's wieder auf.«

Ein Seufzer der Erleichterung entschlüpfte Mirandas roten Lippen. »Ich bin so froh, daß Sie es einsehen.«

»Danke, daß Sie es mir gesagt haben. Soll ich es Susan sa­gen?«

»Nein, ich gehe gleich zu ihr. Das ist meine Aufgabe.«

Als sie ging, betrachtete Harry die gestrafften Schultern, den geraden Rücken. Miranda war manchmal eine Nervensäge - wer ist das nicht -, aber sie wußte stets, was zu tun war und auf welche Weise. Das bewunderte Harry.

17

Fitz-Gilbert hätte sich eine Sekretärin nehmen können, um sich den Anschein eines beschäftigten Anwalts zu geben - der er nicht war.

Es sieht nicht gut aus, wenn ein Mann nichts arbeitet, auch bei einem sehr wohlhabenden Mann nicht, deshalb hatte er zum Schein sein Büro; allerdings hatte es sich als willkommene Zu­fluchtsstätte vor seiner Schwiegermutter und gelegentlich seiner Frau bewährt.

Er war nicht mehr im Büro gewesen, seit vor zwei Tagen der Rumpf in Mims Bootshaus aufgetaucht war.

Fitz-Gilbert öffnete die Tür und erblickte Chaos. Die Stühle waren umgeworfen, Papiere waren überall verstreut, die Schub­laden des Aktenschranks hingen schief.

Er griff zum Telefon und rief Sheriff Shaw an.

18

Wenn Überreste einer Menschenleiche gefunden wurden, so war das zwar unschön, aber keine Seltenheit. Alle Jahre stol­pern in Virginia Jäger über von Vögeln und Aasfressern säuber­lich abgenagte Leichen, denen noch ein paar Kleiderfetzen an den Knochen klebten. Manche waren versehentlich von anderen Jägern erschossen worden; ein andermal war ein alter Mensch, der an einer Krankheit oder an Gedächtnisschwund litt, einfach im Winter losgegangen, hatte sich in Wind und Wetter verirrt und war gestorben. Dann gab es die gequälten Seelen, die in den Wald gingen, um allem selbst ein Ende zu machen. Morde kamen allerdings nicht so oft vor.

Was diese zerstückelte Leiche betraf, so stand für Rick Shaw fest, daß es sich um Mord handelte. Das Leben eines Bezirks­sheriffs besteht gewöhnlich aus Vorladungen, die zugestellt werden müssen, aus Zeugenbefragungen bei Wilderei oder Grundstücksstreitigkeiten, aus der Verfolgung von Rasern und dem Einlochen von Betrunkenen. Ein Mord sorgt für Aufre­gung. Ohne daß es Rick bewußt gewesen wäre, arbeitete sein Verstand schneller, als wenn er an seinem überhäuften Schreib­tisch saß; er konzentrierte sich und war voller Eifer. Ein un­gerechter Tod war nötig, um ihn zum Leben zu erwecken.

»Los, Cooper.« Er drehte sich auf seinem Stuhl herum, indem er sich mit den Fußballen abstieß. »Her damit.«

»Womit?«

»Das wissen Sie doch ganz genau.« Er streckte die Hand aus.

Gereizt zog Cynthia ihre große Schreibtischschublade auf, nahm eine Schachtel Lucky Strikes ohne Filter heraus und knallte sie Rick in die Hand. »Sie könnten wenigstens Filterzi­garetten rauchen.«

»Dann würde ich zwei Schachteln am Tag rauchen statt einer. Wo soll da der Unterschied sein? Und glauben Sie bloß nicht, ich wüßte nicht, daß Sie sich welche mopsen.«

So gesehen, konnte Cooper keinen Unterschied erkennen. Die Oberfläche ihres Schreibtisches glänzte, die Maserung des alten Eichenholzes verlieh dem Möbelstück Gediegenheit. Säuberli­che Papierstapel mit Briefbeschwerern darauf kontrastierten mit Ricks Schreibtisch. Die Denkweisen der zwei kontrastierten ebenfalls. Cooper war logisch, ordentlich und zurückhaltend. Rick war intuitiv, unordentlich und so offen, wie es seine Stel­lung eben zuließ. Cooper mochte das Politische an dem Job. Er nicht. Da er gut zwanzig Jahre älter war als sie, war er stets der Sheriff und sie seine Assistentin. Wenn kein Unfall dazwi­schenkäme, konnte Cooper sich darauf freuen, irgendwann der erste weibliche Sheriff von Albemarle County zu werden. Rick hielt sich nicht für einen Feministen. Er hatte sie damals nicht haben wollen, aber mit den Jahren lernte er sie aufgrund ihrer Leistungen schätzen. Nach einer Weile vergaß er, daß sie eine Frau war, oder es spielte keine Rolle mehr. Er betrachtete sie als seine rechte Hand, und er fand es in Ordnung, eines Tages den Bezirk an sie zu übergeben; allerdings war er noch nicht soweit, sich zur Ruhe zu setzen. Dafür war er zu jung.

Die Zigarette beruhigte ihn. Die Telefone schrillten. Das klei­ne Büro verfügte über eine Sekretärin und mehrere Teilzeitbe­schäftigte. Die Dienststelle mußte dringend erweitert werden, aber bislang hatten die Bezirksoberen dem überarbeiteten She­riff keine Gelder dazu bewilligt.

Gestern war ein Reporter des Lokalblatts erschienen, und Rick hatte sich geweigert, auf die grausigen Einzelheiten des Falls einzugehen. Seine zurückhaltenden Bemerkungen hatten dem Reporter fürs erste genügt, aber Rick wußte, daß er wieder­kommen würde. Rick und Coop hofften, genug Antworten parat zu haben, um einer Panik oder dem Anrücken einer Schwadron von Reportern von anderen Zeitungen zuvorzukommen, ganz zu schweigen vom Fernsehen.

»Was sagen Sie nun zu diesem Fall, Boss?«

»Das Naheliegende. Das wichtigste für den Mörder war, daß sein Opfer nicht identifiziert werden kann. Keine Fingerabdrücke. Keine Kleidungsstücke am Rumpf. Kein Kopf. Wer immer der arme Kerl war, er wußte zuviel. Und wir würden auch zu­viel wissen, wenn wir wüßten, wer er war.«

»Ich kann mir nicht erklären, warum der Mörder sich die Mü­he gemacht hat, die Leiche zu zerstückeln. Eine Menge Arbeit. Dann mußte er oder sie sie einpacken, damit sie nicht alles voll­blutete, und dann die Teile durch die Gegend transportieren, um sie abzuladen.«

»Vielleicht war es ein Bestattungsunternehmer oder jemand, der Erfahrung mit Toten hat. Vielleicht hat er die Leiche aus­bluten lassen, bevor er sie zerlegte.«

»Oder ein Arzt«, ergänzte Cynthia.

»Vielleicht sogar ein Tierarzt.«

»Aber nicht Fair Haristeen. Der Ärmste wurde schon bei Kel­ly Craycrofts Ermordung verdächtigt.«