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»Die Jagd läuft nicht gut. Lassen wir sie noch ein bißchen hungriger werden, dann fangen wir uns ein paar. Die Feldmäu­se sind zur Zeit dick und zufrieden.«

»Wo kommst du jetzt her?«

»Yellow Mountain. Ich bin mitten in der Nacht weg von zu Hause. Ich hab ja das Türchen - ich verstehe nicht, warum Harry dir nicht so eins einbaut. Also, eigentlich wollte ich zum ersten Eisenbahntunnel, aber der war mir zu weit, und die Jagdaussichten waren sowieso trübe, da bin ich lieber den Berg raufgezockelt. «

»Und da war auch nicht viel zu holen?«

»Nein«, erwiderte er.

»Paddy, hast du von den Leichenteilen auf dem Friedhof ge­hört?«

»Na und, was soll's? Die Menschen bringen sich gegenseitig um, und dann tun sie so, als ob sie es schrecklich fänden. Wenn es so schrecklich ist, warum tun Sie's dann so oft?«

»Keine Ahnung.«

»Und überleg doch mal, Murphy. Wenn der neue Mensch zu Hause ist, warum schleppt der Mörder dann die Leichenteile seine Zufahrt rauf? Zu riskant.«

»Vielleicht wußte er nicht, daß der Mann eingezogen war.«

»In Crozet? Wenn du niest, sagt dein Nachbar >Gesundheit<. Ich glaube, er oder sie hat irgendwo im Umkreis von etwa ei­nem Kilometer geparkt - zwei Beine und zwei Hände sind nicht so schwer zu tragen. Ist von der Yellow Mountain Road ge­kommen, in den alten Forstweg eingebogen und durch den Wald und über die Weide zum Friedhof gegangen. Ihr hättet die Person von eurem Grundstück aus nicht sehen können, außer von der Westweide. Ihr seid aber meistens bei Sonnenuntergang nicht mehr auf der Westweide, weil die Pferde schon in ihre Boxen gebracht wurden. Dieser Neue, der war ein Risiko, aber der Friedhof ist weit genug vom Haus entfernt, so daß er dort zwar jemanden hätte sehen können, aber ich bezweifle, daß er etwas hören konnte. Natürlich kann es auch sein, daß es der Neue selber war.«

Mrs. Murphy klopfte auf ein totes Blatt.»Da ist was dran, Paddy.«

»Du mußt wissen, Menschen töten nur aus zwei Gründen.«

»Unddie wären?«

»Liebe oder Geld.« Seine weißen Schnurrhaare zitterten vor Übermut. Beide Gründe schienen Paddy absurd.

»Drogen.«

»Das hängt wiederum mit Geld zusammen«, klärte Paddy sie auf.»Egal, worum 's bei diesem Fall geht, am Ende läuft es auf Liebe oder Geld hinaus. Harry ist nicht in Gefahr, mit ihr hat es nichts zu tun. Du machst dir immer so viele Sorgen um Harry. Dabei ist sie doch ziemlich robust.«

»Du hast recht. Ich wünschte bloß, ihre Sinne wären schärfer. Ihr entgeht zuviel. Manchmal dauert es zehn oder zwanzig Se­kunden, bis sie etwas hört, und auch dann kann sie das Knir­schen der verschiedenen Reifen nicht unterscheiden. Aber die unterschiedlichen Motorengeräusche erkennt sie. Sie hat ziem­lich gute Augen, aber stell dir vor, sie kann aus fünfhundert Meter Entfernung keine Feldmaus erkennen. Auch wenn ihre Augen bei Tag besser sind, sie kriegt einfach die Bewegung nicht mit. Hören ist so leicht, man muß einfach lauschen und die Augen folgen lassen. Nachts sieht sie natürlich nicht so gut, und kein Mensch kann auch nur die kleinste Kleinigkeit wittern. Ich weiß einfach nicht, wie sie mit so schwachen Sinnen funk­tionieren kann, und das macht mir Sorgen.«

»Wenn sich ein Tiger an Harry heranpirschen würde, dann würde ich mir Sorgen machen. Da die Sinne bei einem Men­schen so schlecht sind wie beim anderen, sind sie alle gleich. Und da sie einander anscheinend selbst die ärgsten Feinde sind, sind sie bestens gerüstet, sich gegenseitig zu bekämpfen. Ansonsten hat Harry dich und Tucker, und ihr könnt ihr auf die Sprünge helfen, wenn sie zuhört.«

»Auf mich hört sie - meistens. Sie kann aber auch sehr stur sein. Selektives Hörvermögen.«

»So sind sie alle.« Paddy nickte ernsthaft.»Hey, wollen wir über die vordere Weide rennen, auf den Walnußbaum am Bach klettern, den großen Ast entlanglaufen und auf der anderen Seite runterspringen? Wir können im Nu an eurer Hintertür sein. Wetten, ich bin erster.«

»Also los!«

Sie rasten wie die Verrückten und kamen an die hintere Ve­randatür. Harry, die Kaffeetasse in der Hand und noch verschla­fen, machte auf. Die beiden stürmten in die Küche.

»Auf Katzentour.« Lächelnd kraulte sie Mrs. Murphys Kopf. Und Paddys auch.

20

Eine klirrende Nacht mit hellen Sternen wie Diamantensplitter lieferte den perfekten Rahmen für Halloween. Jedes Jahr wurde in der Crozet High School, kurz CHS genannt, die Ernteausstel­lung veranstaltet. Bevor die Schule 1892 erbaut wurde, fand die Ausstellung auf einer Wiese gegenüber dem Bahnhof statt. Die Schule war ein prunkvolles Musterbeispiel für die viktoriani­sche Architektur. Man konnte sie nur lieben oder hassen. Da fast alle, die den Ernteball besuchten, auf der CHS ihren Ab­schluß gemacht hatten, liebten sie sie.

Nicht so Mim Sanburne, die Madeira-Absolventin war, und auch nicht Little Marilyn, die in die Pfennigabsatzstapfen ihrer Mutter getreten war. Nein, die CHS hatte den Beigeschmack des Vulgären, Pöbelhaften, der Massenanstalt. Jim Sanburne, der Bürgermeister von Crozet, hatte 1939 auf der CHS seinen Abschluß gemacht. Er schritt gemessen zwischen den Tischrei­hen auf und ab, die auf dem Footballfeld aufgestellt waren. Die Tische waren beladen mit Mais, Speisekürbissen, Kartoffeln, Weizengarben und riesengroßen Zierkürbissen.

Der Bürgermeister von Crozet und sein Schwiegersohn hatten am Morgen die Wettbewerbsmeldungen in Listen eingetragen. Um Unparteilichkeit zu gewährleisten, trug Fitz alle Meldungen von Bodenerzeugnissen ein. Da sein Schwiegervater diese Ka­tegorie zu beurteilen hatte, war es ratsam, daß er die Produkte nicht vorzeitig zu sehen bekam.

Die handwerklichen Erzeugnisse waren in den Schulfluren ausgestellt. Mrs. Hogendobber machte ein, zwei Schritte, blieb stehen, begutachtete, rieb sich das Kinn, setzte ihre Brille ab und wieder auf und sagte: »Hmm.« Diesen Vorgang wiederhol­te sie vor jedem Ausstellungsstück. Miranda führte die Beurtei­lung der Handwerkskunst in ungeahnte Höhen der Seriosität.

Die Turnhalle, als Hexenhöhle dekoriert, war nach der Preis­verleihung der Treffpunkt für alle. Der Tanz lockte selbst Lah­me und Gebrechliche. Alles, was atmete, ließ sich sehen. Rick Shaw und Cynthia Cooper saßen in der Turnhalle und beurteil­ten Kostüme. Kinder tollten als Ninja Turtles, Engel, Teufel und Cowboys herum, und ein kleines Mädchen, dessen Eltern auf ihrem Hof Milchwirtschaft betrieben, war als Milchkarton ge­kommen. Die Teenager, ebenfalls kostümiert, zogen es vor, unter sich zu bleiben; aber da die Dekoration für den Ernteball den Schülern der CHS zufiel, heimsten sie Ehre ein. Jede Ab­schlußklasse hatte den Ehrgeiz, die vorjährige zu übertreffen. Die Klassen der Unter- und Mittelstufe wurden verpflichtet, ebenfalls mitzuhelfen, und am Halloweentag fiel der Unterricht aus, damit sie die Dekorationen anbringen konnten.

Während Harry, Susan und Blair an den Ausstellungsstücken vorbeischlenderten, bewunderten sie die kleinen fliegenden Hexen über ihnen. Die Elektronikfreaks der Schule hatten kom­plizierte Drahtsysteme konstruiert, mit deren Hilfe die Hexen per Fernbedienung gesteuert wurden. Auch Gespenster und Kobolde flogen umher. Die Aufregung steigerte sich; denn wenn dies der Auftakt war, wie würde dann erst der Tanz sein? Der bildete jedesmal den Höhepunkt.