»Da hast du recht.«
»Und was willst du damit sagen?« Fair spürte ein unangenehmes Kribbeln im Rücken.
»Äh. na ja, ich meine, sie sind vollkommen verschieden. Die eine ist ein Reitpferd und die andere ein Rennpferd.« Eigentlich wollte er sagen,>die eine ist ein Reitpferd und die andere eine dumme Pute<, aber das verkniff er sich. »Boom Boom heizt dir mächtig ein. Ich hab sie Motoren in Gang bringen sehen, die jahrelang keinen Muckser gemacht hatten.«
Fair strahlte übers ganze Gesicht. »Sie ist attraktiv.«
»Dynamit, mein Freund, Dynamit.« Fitz, weniger gehemmt als sonst, kam in Fahrt. »Aber ich würde Harry jederzeit nehmen. Sie ist witzig. Sie ist eine Partnerin. Sie ist eine Freundin. Das andere - he, Fair, das kühlt sich ab.«
»Du drehst ja richtig auf«, bekam er trocken zur Antwort.
»Du kannst mir jederzeit sagen, daß ich die Klappe halten soll.«
»Da wir schon beim Thema sind, erzähl mir doch mal, was du an Little Marilyn findest. Sie ist eine Miniaturausgabe ihrer Mutter und auf dem besten Wege, so kalt zu werden wie ein Klotz. Und soweit ich das beurteilen kann, vernachlässigt sie sogar die ehrenamtliche Wohlfahrtsarbeit. Ich möchte wissen, was.«
»An ihr dran ist?« Fitz beschloß, nicht gekränkt zu sein. Immerhin ließ er einiges heraus, da mußte er auch was einstecken. »Die Wahrheit? Die Wahrheit ist, ich habe sie geheiratet, weil es so gut zusammenpaßte. Zwei ansehnliche Familienvermögen. Zwei große Familiennamen. Wenn meine Eltern noch lebten, sie wären stolz. Oberflächliches Zeug, genaugenommen. Und in meiner Jugend hab ich's wild getrieben. Ich mußte zur Ruhe kommen. Seltsam, inzwischen liebe ich Marilyn. Du kennst die echte Marilyn nicht. Wenn sie sich nicht verausgabt in ihrem ewigen Bemühen, überlegen zu sein, ist sie einfach Spitze. Sie ist ein scheuer kleiner Käfer und hat ein gutes Herz. Und das Komische ist, ich glaube, sie hat mich auch gern. Ich glaube nicht, daß sie mich aus Liebe geheiratet hat, sowenig wie ich sie aus Liebe geheiratet habe. Sie ging die Ehe ein, die diesealte Vettel« - er zischte das Wort hervor - »von einer Mutter inszeniert hatte. Vielleicht war Mim klüger als wir. Wie auch immer, ich habe meine Frau lieben gelernt. Und ich hoffe, daß ich sie eines Tages von hier weglotsen kann. Wir gehen irgendwohin, wo die Namen Sanburne und Hamilton absolut nichts bedeuten.«
Fair starrte Fitz an, und Fitz starrte zurück. Dann brachen sie in Lachen aus.
»Noch ein Bier für meinen Freund.« Fitz warf Geld auf die Theke.
Fair griff begierig nach dem kalten Glas. »Eigentlich könnten wir uns vollaufen lassen.«
»Ganz meine Meinung.«
Als Fitz nach Hause kam, war das Abendessen kalt und seine Frau alles andere als gut gelaunt. Er beschwichtigte sie mit dem Leckerbissen, daß Boom Boom mit Blair auf den Krebshilfeball gegangen war, dann schenkte er ihr und sich einen edlen Sherry als Schlaftrunk ein, eines ihrer Rituale. Bis sie ins Bett schlüpften, hatte Marilyn ihrem Mann verziehen.
28
Am Ende einer alten Landstraße stritten sich zwei Männer. Eine schwere Wolkendecke verstärkte die gespannte, düstere Stimmung. Weiter oben in der Ferne war die versiegelte Höhle des ersten Tunnels zu sehen, den Claudius Crozet durch die Blue Ridge Mountains getrieben hatte.
Einer der beiden Männer schüttelte die geballten Fäuste vor dem Gesicht des anderen. »Du verdammter Blutsauger! Keinen Cent kriegst du mehr von mir. Woher sollte ich ahnen, daß er auftauchen würde? Er war jahrelang eingesperrt!«
Ben Seifert, der Bedrohte, lachte nur. »Er ist in meinem Büro aufgetaucht, nicht in deinem, du Arschloch, und ich will was haben für meine Mühen - einen Bonus!«
Ehe er sich's versah, wurde ihm ein buntes Kletterseil um den Hals gezurrt, und er erstickte an dem Wort »Bonus«. Es dauerte keine zwei Minuten, da war er erdrosselt.
Immer noch wütend, trampelte der Mörder wie wild auf dem Toten herum und brach ihm dabei ein paar Rippen. Dann schüttelte er den Kopf, besann sich und bückte sich, um die schlaffe Leiche aufzuheben, ein unangenehmes Unterfangen, denn der Sterbende hatte seine Eingeweide entleert.
Fluchend hievte er sich die Leiche über die Schulter - er war ein kräftiger Mann - und trug sie den Hang hinauf. Der Tunnel war zwar nach dem Zweiten Weltkrieg versiegelt worden, aber ein früherer Bewohner von Crozet hatte einmal ein paar Steine gelockert, um einen Zugang zu schaffen. Die Eisenbahngesellschaft hatte es versäumt, den Tunnel neu zu versiegeln.
Der Mann war jetzt bei klarem Verstand. Er entfernte die Steine vorsichtig, um sich nicht die Hände aufzuscheuern, dann schleppte er die Leiche in den Tunnel. Er konnte das Tappen kleiner Pfoten hören, als er seine unerwünschte Last auf die Erde warf. Er ging hinaus und rückte die Steine wieder an Ort und Stelle. Dann stapfte er den Hügel hinunter, sammelte sich und klopfte seine Kleider ab. Es spazierte selten jemand zu den Tunnels hinauf. Mit etwas Glück würde es Monate dauern, bevor man den Mistkerl fand, falls überhaupt.
Das Problem war Seiferts Auto. Er untersuchte Sitze, Kofferraum und Handschuhfach, um sich zu vergewissern, daß keine Notiz herumlag, kein Hinweis auf ihre Verabredung. Dann ließ er den Motor an und fuhr in einen Vorstadtbezirk. Den Wagen ließ er an einer Tankstelle stehen. Er wischte das Lenkrad ab, den Türgriff, alles, was er angefaßt hatte. Das Auto glänzte, als er fertig war. Schlauerweise hatte er seinen eigenen Wagen fünf Kilometer entfernt abgestellt, an der Stelle, wo das Opfer ihn abgeholt hatte. Das war heute nacht um eins gewesen. Jetzt war es halb fünf Uhr morgens, und bald würde die Dunkelheit dem Licht weichen.
Er joggte die fünf Kilometer zu seinem Wagen, der bei den Craycroft-Zementwerken hinter einem Zementlaster parkte. Sofern nicht jemand um die Betonmischmaschine herumgegangen war, hatte niemand den Wagen gesehen.
Er hatte damit gerechnet, daß sein unerwünschter Partner eventuell umgebracht werden mußte, daher die Vorbereitungen. Nicht, daß er den dämlichen Saukerl ermorden wollte, aber der war unersättlich geworden. Er hatte ihn unaufhörlich geschröpft. Da war ihm kaum eine andere Wahl geblieben.
Erpressungen pflegten selten damit zu enden, daß beide Parteien übers ganze Gesicht lächelten.
29
Briefe paßten in die Schließfächer, aber Zeitschriften mußten geknickt werden. Keiner in Crozet bekam so viele Zeitschriften geschickt wie Ned Tucker. Noch erstaunlicher war, daß er sie auch las. Susan sagte, es sei, als lebe man mit einem Lexikon zusammen.
Die Morgentemperatur lag bei vier Grad Celsius, deswegen marschierten Harry, Mrs. Murphy und Tucker in flottem Tempo zur Arbeit. Den blauen Transporter nahm Harry nur, wenn das Wetter saumäßig war oder sie Besorgungen machen mußte. Da sie ihre Lebensmitteleinkäufe gestern getätigt hatte, ließ sie die blaue Kiste vor der Scheune stehen.
Harry genoß die Stille auf dem Weg zur Arbeit und die frühe Stunde, die sie im Postamt allein war, nachdem Rob Collier die Post abgeladen hatte. Der beständige Rhythmus ihrer Tätigkeiten beruhigte sie, es war wie eine Arbeitsliturgie. In der Wiederholung lag Trost.
Die Hintertür wurde geöffnet und geschlossen. Mrs. Murphy, Tucker und sogar Harry erkannten am Schritt, daß es Mrs. Hogendobber war.
»Harry.«
»Mrs. H.«
»Ich habe Sie auf dem Krebsball vermißt.«
»Mich hat keiner eingeladen.«
»Sie hätten solo hingehen können. Ich mache das manchmal.«
»Das konnte ich mir nicht leisten, bei dem Eintrittspreis von 150 Dollar.«
»Das hatte ich ganz vergessen. Larry Johnson hat den Eintritt für mich bezahlt. Er ist ein ganz guter Tänzer.«
»Wer war alles da?«
»Susan und Ned. Sie hatte ihr pfirsichfarbenes Organdykleid an. Es steht ihr sehr gut. Herbie und Carol. Sie hatte das gletscherblaue Kleid mit der Straußenfederrüsche an. Sie hätten Mim sehen sollen. Ihre Robe sah aus, als hätte Bob Mackie sie fürDenver Clan entworfen.«