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»Selbst wenn er sich davon trennt, wie kriegen wir Harry dorthin?«

Inzwischen waren sie im Haus angekommen und warteten auf ihr Frühstück.

Tucker hatte eine Idee.»Und wenn ein Mann für einet Frau tötet, um sie zu halten? Wenn er etwas weiß, was sie nicht weiß?«

Mrs. Murphy lehnte ihren Kopf einen Moment an Tuckers Schulter.»Hoffentlich kriegen wir es heraus, ich hab nämlich ein mulmiges Gefühl bei der Geschichte.«

37

Larry Johnson hatte nicht nur vorsichtshalber eine Gewebepro­be nach Richmond geschickt, er hatte auch klugerweise den Kopf der nicht identifizierten Leiche behalten, statt ihn dem Sheriff zu überlassen. Nachdem er sich mit einem Gerichtsme­diziner in Verbindung gesetzt hatte, schickte Larry den Kopf zu einem Rekonstruktionslabor in Washington, D. C. Da Crozet über keinen Armenfriedhof verfügte, besorgte Reverend Jones eine Grabstätte auf einem kommerziellen Friedhof an der Route 29 in Charlottesville. Als er seine Gemeinde um Spenden bat, kam einiges zusammen, und zu seiner freudigen Überraschung glichen die Sanburnes, die Hamiltons und Blair Bainbridge die Differenz aus. Der Unbekannte wurde sodann unter einem Mes­singschild zur letzten Ruhe gebettet, auf dem zwar kein Name, aber immerhin eine Nummer stand.

Larry hätte es sich nicht träumen lassen, daß er noch eine zweite Leiche am Hals haben würde. Bens Eltern veranlaßten die Bestattung im Familiengrab der Seiferts, und Cabell Hall kümmerte sich um alle Formalitäten, was für das verzweifelte Elternpaar eine enorme Hilfe war. Larrys Untersuchung ergab, daß Ben mit einem Strick erdrosselt worden und der Tod schät­zungsweise drei Tage vor Entdeckung der Leiche eingetreten war. Die Temperatur zwischen Tag und Nacht schwankte so stark, daß er die genaue Todeszeit anhand des Zustands der Leiche nicht bestimmten konnte. Daß sich Tiere an der Leiche zu schaffen gemacht hatten, kam noch erschwerend hinzu. Lar­ry bestand darauf, daß es Bens Eltern erspart wurde, die Leiche zu identifizieren. Er kannte Ben, das genügte zur Identifikation. Ausnahmsweise gab Rick Shaw ihm nach.

Rick hatte sich zunächst gesträubt, den Kopf des ersten Opfers fortschaffen zu lassen. Er trennte sich ungern von diesem Be­weisstück. So beschädigt der Kopf auch war, er war seine einzi­ge Hoffnung. Irgendwer mußte das Opfer gekannt haben. Larry zeigte ihm geduldig die Arbeiten der Rekonstruktionskünstler. Cynthia Cooper stand auf seiner Seite, denn es imponierte ihr, was auf diesem Gebiet alles geleistet werden konnte.

Nachdem man den Kopf in seinem gegenwärtigen Zustand sorgfältig studiert hatte, wurde der Schädel von dem noch vor­handenen Fleisch befreit und dann neu gestaltet, Gesicht, Zäh­ne, Haare, alles. Zur Unterstützung wurden Zeichnungen ange­fertigt. Von dem fertiggestellten Kopf wurden Zeichnungen und Fotografien an Rick Shaw sowie an weitere Polizeidienststellen und Sheriffbüros geschickt. Weitreichende Aktionen zahlen sich aus; irgendwer irgendwo könnte das Gesicht erkennen.

Nachdem ein zweiter Mord dicht auf den ersten gefolgt war, hatte Larry Johnson in Washington angerufen und um Beeilung gebeten.

Und man hatte sich beeilt. Rick Shaw kam mit einem großen weißen Umschlag in der Hand ins Postamt.

»Sheriff, soll ich den für Sie wiegen?« erbot sich Harry.

»Nein. Ist gerade mit dem Paketschnelldienst gekommen.« Rick zog eine Fotografie hervor und schob sie Harry über den Schalter. »Das ist eine Rekonstruktion vom Kopf des zerstückelten Opfers. Sieht nicht übel aus, der Bursche, finden Sie nicht?«

Harry betrachtete die Fotografie. Das Gesicht war freundlich, nicht hübsch, aber sympathisch. Das seitlich gescheitelte rot­blonde Haar verlieh ihm etwas Adrettes. Der Mann hatte ein vorspringendes Kinn. »Das könnte ein x-beliebiger Mann sein.«

»Hängen Sie's an die Wand. Hoffen wir, daß ihn hier jemand erkennt. Daß es eine Erinnerung auslöst.«

»Oder einen Fehler.«

»Harry, das werden Sie eher wissen als ich.« Rick klopfte zweimal auf den Schalter. Das war seine Art, »seien Sie vor­sichtig« zu sagen.

Sie pinnte die Fotografie neben dem Schalter an die Wand. So war sie nicht zu übersehen. Mrs. Murphy starrte das Bild an. Es war niemand, den sie kannte, und sie sah Menschen aus einem völlig anderen Blickwinkel als Harry.

Brookie und Danny Tucker kamen nach der Schule vorbei. Harry erklärte ihnen, wen die Fotografie darstellte Danny konn­te nicht glauben, daß es eine Nachbildung des Kopfes war, den er aus seinem Kürbis gezogen hatte. Der fotografierte Kopf hatte keinen Bart, was den Mann jünger wirken ließ.

Später kam Mim vorbei. Auch sie betrachtete die Fotografie. »Meinen Sie nicht, daß das die Leute nervös macht?«

»Lieber nervös als tot.«

Die eisblauen Augen sahen Harry ins Gesicht »Glauben Sie etwa, hier ist ein Massenmörder am Werk? Sie ziehen voreilige Schlüsse. Diesem Mann kann alles mögliche zugestoßen sein.« Ihr langer, mattglänzend lackierter Fingernagel deutete auf das ausdruckslose Gesicht. »Woher sollen wir wissen, daß er nicht bei irgendeiner abartigen Sexgeschichte getötet wurde? Ein Obdachloser, um den sich niemand sorgt, bekommt eine Mahl­zeit und ein Bad angeboten. Wer kann das wissen?«

Interessant, was für ein Splitter von Mims Phantasien hier sichtbar wurde. Harry antwortete: »Ich kann mir keine Frau vorstellen, die mit einem Mann ins Bett geht, um ihn dann um­zubringen und zu zerstückeln.«

»Insekten tun das andauernd.«

»Aber wir sind Säugetiere.«

»Undzwar von der armseligsten Sorte«, kicherte Tucker.

Mim fuhr fort. »Vielleicht war es eine ganze Gruppe.«

»In meinen wildesten Phantasien kann ich mir in dieser Stadt keine Gruppe vorstellen, die so etwas tun würde. Partnertausch, ja. Sexualmord, nein.«

Mims Augen leuchteten auf. »Partnertausch? Was wissen Sie, was ich nicht weiß?«

»Die Posthalterin in einer Kleinstadt weiß alles«, zog Harry sie auf.

»Alles nicht, sonst wüßten Sie ja, wer der Mörder ist. Ich glaube trotz allem, es ist eine Gruppenaffäre, und Ben hat mit dringesteckt. Oder es ging um Geld. Aber ich habe heute mit Cabell Hall gesprochen, er hat die Bücher durchkämmen lassen, sie wurden haargenau unter die Lupe genommen, und es ist alles in Ordnung. Seltsam, höchst seltsam.«

Boom Boom, Fair, Fitz-Gilbert und Little Marilyn drängelten sich gleichzeitig herein. Auch sie sahen sich das Foto an.

»Mir wird schlecht, wenn ich nur daran denke.« Boom Boom griff sich an den Magen. »Ich war tagelang völlig fertig. Dabei dachte ich, ich hätte alles gesehen, als mein Mann ermordet wurde.«

Fair legte seinen Arm um sie. »Was würde Kelly wohl hierzu gesagt haben?«

»Ihm wäre bestimmt was Komisches dazu eingefallen.« Little Marilyn hatte Boom Booms verstorbenen Mann gern gehabt.

Fitz-Gilbert stieß fast mit der Nase an die Fotografie. »Ist das nicht toll, was man alles machen kann? Stellt euch vor, die flicken ein Gesicht zusammen, und das bei dem Zustand, in dem der Kopf war. Wirklich erstaunlich. Wetten, er sieht besser aus als im Leben.«

»Die Organisation, die dahintersteckt, ist auch erstaunlich«, fand Harry. »Rick hat mir gesagt, diese Fotografie wird in allen Polizeiwachen des Landes aufgehängt. Er hofft, daß es sich auszahlt.«

»Das hoffen wir auch«, verkündete Mim.

Mrs. Hogendobber kam durch den Hintereingang. Sie eilte herbei, um zu sehen, was vorging, und wurde vor das Foto ge­führt. »Er war jung. Dreißig, Anfang Dreißig, würde ich sagen. Ein Jammer. Ein Jammer, daß ein Leben so jung und gewaltsam enden mußte, und wir wissen nicht mal, wer er war.«

»Er war ein Nichtsnutz, soviel steht fest.« Fitz-Gilbert spielte auf das Vagabundendasein des Mannes an.

»Niemand ist ein Nichtsnutz. Er muß etwas durchgemacht ha­ben, etwas Schlimmes, vielleicht eine Krankheit.« Mrs. Hogen­dobber verschränkte die Arme.