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»Wetten, er war einer von denen, die in einem Rehazentrum gelebt haben. Es sind so viele Zentren geschlossen worden, nachdem die Programme gekürzt wurden. Die Billigpensionen in den Großstädten sollen überlaufen sein von solchen Men­schen - Halbnormale, sozusagen, oder solche, die nicht hun­dertprozentig ticken. Jedenfalls kommt der Staat für ihre Unter­bringung auf, weil sie nicht arbeiten können. Ich wette, so einer war er. Einfach hinausgestoßen in eine Welt, in der er nicht zurechtkam.« Little Marilyn dämpfte ihre hohe Stimme ein kleines bißchen.

»Aber warum, um Himmels willen, ist er dann bloß nach Cro­zet gekommen?« Mim konnte nichts unwidersprochen hinneh­men, was ihre Tochter sagte.

»Auf dem Weg nach Miami?« überlegte Fitz-Gilbert. »Die Obdachlosen, die die Städte im Norden verlassen können, ver­suchen sich im Winter zu den Städten im Sonnengürtel durch­zuschlagen. Vielleicht ist er am Pennsylvania-Bahnhof auf ei­nen Güterzug aufgesprungen.«

»Was könnte er mit Ben Seifert gemeinsam gehabt haben?« wunderte sich Boom Boom.

»Pech.« Fitz lächelte.

»Falls diese Morde zusammenhängen, dann gibt es einen in­teressanten Aspekt.« Harry streichelte Mrs. Murphy, die sich auf dem Schalter lümmelte. »Der Mörder wollte nicht, daß wir das zerstückelte Opfer erkennen, aber ihn oder sie hat es nicht im mindesten gestört, daß wir Ben Seifert erkennen würden.«

»Man identifiziere den Zerstückelten, und wir kommen der Sache schon näher«, ergänzte Mrs. Hogendobber.

»Das ist es ja, was mir angst macht«, gestand Mim. »Es ist ganz nahe. Die Morde passieren hier bei uns.«

38

Mehrere Pullover übereinander, Wintergolfhandschuhe und dicke Socken schützten Cabby und Taxi Hall vor der Kälte. Als begeisterte Golfspieler versuchten sie, wenn Cabell Feierabend hatte, neun Löcher einzuschieben, wenn es die Jahreszeit er­laubte, und sie ließen kein einziges Wochenende aus.

Mit einem lockeren Abschlag vom Tee brachte Taxi ihren Ball mitten auf den Fairway. »Guter Schlag, wenn ich mich mal selbst loben darf.«

Sie trat zur Seite, als Cabell sein orangerotes Tee in die Erde steckte. Er legte einen leuchtend gelben Ball auf das Tee, trat zurück, sprach den Ball an und schlug. Der Ball flog in die Luft und machte einen Slice in den Wald. Cabell sagte nichts, son­dern setzte sich wieder in den Golfwagen. Taxi stieg zu ihm. Sie kamen zum Wald. Weil der Ball eine so leuchtende Farbe hatte, konnten sie ihn leicht ausmachen, obwohl er in die Blätter geplumpst war.

Cabell bedachte die Ballposition und griff zu einem Fünferei­sen. Es war ein riskanter Schlag, da er entweder zwischen den Bäumen hindurch oder über sie hinweg schlagen mußte. Er stellte sich breitbeinig hin, atmete tief durch und schlug.

»Was für ein Schlag!« rief Taxi, als der Ball wunderbarerwei­se über die Bäume flog.

Cabby lächelte sein erstes ehrliches Lächeln, seit Ben tot auf­gefunden worden war. »Nicht schlecht für 'nen alten Mann.«

Sie kehrten zum Caddie zurück. »Schatz«, sagte Taxi, »was ist los, ich meine, abgesehen von dem, was ohnehin klar ist?«

»Nichts«, log er.

»Du sollst nichts vor mir geheimhalten.« Ihre Stimme klang bestimmt und vorwurfsvoll.

»Florence, mein Herz, ich bin einfach fertig. Nervöse Ange­stellte, die Ermittlungen des Sheriffs und eine nicht endende Flut von Fragen unserer Kunden - ich bin erledigt, kaputt, nenn's, wie du willst.«

»Okay, dann nenn ich's nachdenklich. Ich weiß, wie du bist, wenn Probleme bei der Bank und irgendwelche Leute dich fer­tigmachen. Das hier ist etwas anderes. Sind die Bücher frisiert? War Ben ein Dieb?«

»Ich habe dir doch gleich nachdem wir das Ergebnis der Buchprüfung hatten - sie haben rund um die Uhr gearbeitet, bin mal gespannt auf die Endrechnung -, nein. Bens Bücher sind in Ordnung.«

»Ist jemand dabei, sein Treuhandvermögen durchzuforsten? Fitz-Gilbert wirft mit Geld um sich, als gäbe es kein Morgen.«

Cabby schüttelte den Kopf. »Für ihn gibt es kein Morgen. Er hat mehr Geld als Gott. Als er ein Junge war, habe ich versucht, ihm einzutrichtern, ein bißchen Maß zu halten, aber das ist mir offensichtlich nicht gelungen. Sein Vermögen, vereint mit dem der Sanburnes« - Cabell schwang seinen Schläger -, »wozu da maßhalten?«

»Es sieht nicht gut aus, wenn ein Mann nicht arbeitet, egal, wieviel Geld er hat. Er könnte wenigstens für wohltätige Zwecke arbeiten.« Taxi stieg auf die Fahrerseite des Golfwagens. Cabell sprang ebenfalls hinein. »Guck mal«, sagte sie und zeig­te hin, »du hast eine gute Lage. Ich frage mich, wie du den Schlag hingekriegt hast.«

»Ich mich auch.«

»Cab, sitzen wir in der Tinte?«

»Nein, Liebste. Unsere Aktien stehen gut. Ich habe genug auf die Seite gelegt. Aber ich stehe vor einem Rätsel. Ich kann mir nicht vorstellen, in was Ben da hineingeraten ist. Immerhin sollte er mein Nachfolger werden. Ich habe ihm vertraut. Wie stehe ich jetzt im Vorstand da?«

Taxi warf ihrem Mann einen scharfen Blick zu. »Du hast Ben nie richtig gemocht.«

Cabell seufzte. »Nein. Er war ein mistiger kleiner Arschkrie­cher, dem Geld und vornehme Herkunft imponierten, aber er hat härter gearbeitet, als man ihm zugetraut hätte. Er hatte her­vorragende Ideen, und ich hatte das Gefühl, er würde die Bank leiten können, wenn ich aufhöre.«

»Mit anderen Worten, man braucht das Huhn nicht zu lieben, um das Omelette zu genießen.«

»Ich habe nie gesagt, daß ich Ben nicht mag. Nicht ein einzi­ges Mal in den acht Jahren, die er bei der Bank war, habe ich das gesagt.«

Taxi hielt bei dem leuchtend gelben Ball an. »Wir sind sie­benundzwanzig Jahre verheiratet.«

»Oh.« Cabby blieb noch einen Moment sitzen, dann stieg er aus und überlegte lange, welches Eisen er nehmen sollte.

»Das Siebener«, riet Taxi ihm.

»Hm« - er warf einen Blick auf das Green - »tja, da könntest du recht haben.«

Während sie das Spiel fortsetzten, machte sich Cabell Hall Gedanken über den Unterschied zwischen Frauen und Männern. Oder vielleicht zwischen seiner Frau und ihm. Taxi wußte stets besser über ihn Bescheid, als ihm bewußt war. Er war sich nicht sicher, ob er seine Frau so gut kannte wie sie ihn: seine Vorlie­ben, Abneigungen, verborgenen Ängste. Sicher, er hielt sein Berufsleben weitgehend von ihr fern, aber sie ließ ihn ja auch nicht an jedem Augenblick ihres Tageslaufs teilhaben. Ob der Mann, der die Waschmaschine reparieren sollte, pünktlich kam, kümmerte ihn so wenig, wie es sie kümmerte, ob ein Kassierer eine schlimme Erkältung hatte.

Trotz alledem war es eine eigenartige Erkenntnis, daß seine Lebenspartnerin in ihn hineinsehen konnte und ihn womöglich durchschaute.

»Cabell«, unterbrach Taxi seine Träumerei, »das mit Fitz meine ich ernst. Ein Mann braucht ein richtiges Leben, richtige Verantwortung. Sicher, Fitz scheint soweit ganz glücklich zu sein, aber er ist so ziellos. Das geht bestimmt alles darauf zu­rück, daß er seine Eltern verloren hat, als er so jung war. Du hast alles für ihn getan, was du konntest, aber...«

»Schatz, du kannst Fitz nicht bessern. Das kann keiner. Er läßt sich, umgeben von Gegenständen, durchs Leben treiben. Au­ßerdem, wenn er etwas Nützliches tun würde, sagen wir, sich Ostern um die Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten behinder­ter Kinder kümmern, dann könnte er sich nicht mit seiner Frau tummeln. Die Arbeit könnte dem Hochseeangeln in Florida und dem Skiurlaub in Aspen im Wege stehen.«

»War bloß so eine Idee.« Taxi chippte aufs Green.

Er wartete, dann fragte er: »Hast du eine Ahnung, wer Ben umgebracht hat?«

»Keinen blassen Schimmer.«

Cabell atmete lange und leise aus, schüttelte den Kopf, schnappte sich aus einer Tasche einen Putter, den er für seinen hielt. »Ich schwöre, ich schlage mir das jetzt alles aus dem Kopf und konzentriere mich auf das Golfspiel.«