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»Dann schlage ich vor, tu meinen Putter zurück und nimm deinen eigenen.«

39

Spät in der Nacht klingelte bei Harry das Telefon.

Susan entschuldigte sich in aufgeregtem Ton. »Ich weiß, du schläfst, aber ich mußte dich wecken.«

»Alles in Ordnung mit dir?« antwortete eine verschlafene Stimme.

»Ja. Ned ist vor ungefähr einer Viertelstunde aus dem Büro nach Hause gekommen. Er war Bens Anwalt, wie du weißt. Rick war bei ihm im Büro und hat ihm eine Menge Fragen ge­stellt, von denen Ned nicht eine beantworten konnte, weil er für Ben ausschließlich in Grundstücksgeschäften tätig war. Also, der Sheriff und die Bank haben sich nach Überprüfung der Bü­cher Bens Privatkonten vorgenommen. Ben Seifert hatte sie­benhundertfünfzigtausend Dollar angesammelt, verteilt auf die Bank, die Börse und den Warenmarkt. Sogar Cabell Hall war erstaunt, wie raffiniert Ben war.«

Jetzt war Harry hellwach. »Siebenhundertfünfzigtausend Dol­lar? Susan, er kann bei der Bank allerhöchstens fünfundvierzig­tausend im Jahr verdient haben. Banken sind bekanntlich knau­serig.«

»Ich weiß. Sie haben auch seinen Steuerberater kommen las­sen und seine Steuererklärungen genau nachgeprüft. Er hat die Gelder ziemlich schlau deklariert. Die meisten Einkünfte hat er als Kursgewinne ausgewiesen, so nennt man das, glaube ich. Der Steuerberater hat erklärt, Ben hätte gesagt, er wollte ihm seine Aufstellungen schicken, aber er hätte es nicht getan. Er sagte, er hätte Ben oft genug gewarnt. Wenn keine Unterlagen da seien, sei die nächste Steuerprüfung Bens Problem. Voraus­gesetzt, daß der Tag jemals käme.«

»Komisch.«

»Was ist komisch?«

»Bei der Einkommensteuer hat er nicht betrogen, aber ir­gendwo muß er betrogen haben. Eigentlich klingt es nicht nach Betrug. Es klingt nach Schmiergeldern oder Geldwäsche.«

»Ich hätte Ben nie für so gerissen gehalten.« »War er auch nicht«, bestätigte Harry. »Aber wer immer mit ihm da drin steckte, der war gerissen. Oder ist es.«

»Gerissene Leute morden nicht.«

»Doch, wenn sie in die Enge getrieben werden, schon.«

»Willst du nicht in die Stadt kommen und eine Weile bei mir wohnen?«

»Warum?«

»Du weißt doch, was Cynthia Cooper uns von Blair erzählt hat. Von seiner Freundin, meine ich.«

»Ja.«

»Er scheint mir ziemlich gerissen zu sein.«

»Sagt dir dein Instinkt, daß er ein Mörder ist?«

»Ich weiß nicht mehr, was ich denken oder fühlen soll.«

Harry setzte sich im Bett auf. »Susan, mir ist gerade etwas eingefallen. Hör zu, kannst du morgen früh bei mir vorbeikom­men, bevor ich zum Dienst gehe? Es hört sich verrückt an, aber ich habe ein kleines Opossum gefunden.«

»Hör mir auf mit deinen Pflegefallen, Harry! Ich hab das Eichhörnchen mit dem gebrochenen Bein aufgenommen, weißt du noch? Es hat meine Kleider angeknabbert.«

»Nein, nein. Der kleine Kerl hatte in seinem Nest einen Ohr­ring. Er ist verbogen, aber, nun ja, ich weiß nicht. Es ist ein sehr teurer Ohrring, und er kann ihn überall aufgelesen haben. Wenn er nun etwas mit diesen Todesfällen zu tun hat?«

»Okay, ich komm morgen rüber. Schließ deine Türen ab.«

»Hab ich schon.« Harry legte auf.

Mrs. Murphy sagte zu Tucker, die auch auf dem Bett lag.

»Manchmal ist sie schlauer, als man meint.«

40

Simon hörte Harry die Leiter hinaufklettern. Er freute sich auf sie, weil sie ihm gestern abend leckere Hühnerknochen, altbackene Kekse und Hershey's Schokoküsse nach draußen gestellt hatte.

Mrs. Murphy schlug ihre Krallen in den Holm der Holzleiter und hangelte sich auf den Heuboden, bevor die Menschen oben anlangten.»Du brauchst keine Angst zu haben, Simon. Harry bringt eine Freundin mit.«

»Mehr als einen Menschen kann ich unmöglich ertragen.« Simon verkroch sich tiefer in die Heu- und Luzerneballen.

Harry und Susan hockten sich vor Simons Nest.

»Berechnest du ihm was für die Einrichtung?« witzelte Susan.

»Er nimmt sich alles, was nicht niet- und nagelfest ist.« Mrs. Murphy lachte.

»Ich nehme nur gute Qualität«, flüsterte das Opossum.

»Hier.« Harry holte den Ohrring aus dem Nest.

Susan nahm ihn in die Hand. »Gute Arbeit Tiffany.«

»Sag ich doch.« Harry nahm den Ohrring und hielt ihn ans Licht. »Dir gehört er nicht, und mir gehört er nicht. Und Eliza­beth MacGregor hat er auch nicht gehört.«

»Was hat Mrs. MacGregor damit zu tun?«

»Die einzigen Frauen hier draußen an der Yellow Mountain Road sind ich, du, wenn du mich besuchst, und früher Elizabeth MacGregor. Ach ja, Miranda kommt auch manchmal vorbei, aber solche Ohrringe sind nicht ihr Stil. Zu jugendlich.«

»Stimmt. Aber wir werden nie rauskriegen, wo er hergekom­men ist.«

»Vielleicht doch. Wir wissen, daß dieses Nest die Basis ist. Das Territorium eines Opossums hat allerhöchstens einen Um­kreis von zweieinhalb Kilometern. Wenn wir diesen Umkreis nach Norden, Osten, Süden und Westen abschreiten, haben wir eine ziemlich gute Vorstellung, wo der Ohrring hergekommen sein könnte.«

»Ich kann's ihr sagen«, rief Simon aus seinem Versteck.

»Sie kann dich nicht verstehen, aber sie wird sich 's ausrech­nen«, sagte Mrs. Murphy.

»Und die andere, ist die in Ordnung?«

»Ja«, versicherte die Katze.

Simon steckte den Kopf über den Luzerneballen, dann beweg­te er sich vorsichtig auf die beiden Frauen zu. Harry hielt ihm ein großes Erdnußbutterplätzchen hin. Er kam näher, setzte sich, nahm das Plätzchen und legte es in sein Nest.

»Ist der putzig«, flüsterte Susan. »Du konntest schon immer gut mit Tieren umgehen.«

»Dafür nicht mit Männern.«

»Die zählen nicht.«

Simon verblüffte sie, als er Harry den Ohrring entriß und da­mit in sein Nest flitzte.»Meiner!«

»Vielleicht ist er ein Transvestit.« Harry lachte Simon an, dann kam ihr eins von jenen delikaten Häppchen in den Sinn, die einem bei der Lektüre historischer Werke aufgetischt wer­den. Unter der Herrschaft Elizabeths I hatten in England nur die maskulinsten Männer Ohrringe getragen.

Noch immer lachend, kletterten sie die Leiter hinunter.

»Na?« fragte Tucker.

»Wir müssen das Territorium des Opossums einkreisen«, dachte Harry laut.

»Laß uns zum Friedhof rennen und gucken, ob sie uns fol­gen.« Tuckers Vorschlag klang vernünftig.

»Du kennst Harry - sie wird gründlich vorgehen.« Die Katze ging zur Stalltür hinaus, Tucker hinterher.

Begleitet von den Tieren, schritten die zwei Frauen die Gren­zen des Opossumterrains ab. Als sie am Friedhof vorüberka­men, zogen beide den Schluß, es könnte eine wenn auch ent­fernte Möglichkeit geben, daß der Ohrring von dort kam.

Susan blieb an dem Eisenzaun stehen. »Woher sollen wir wis­sen, daß es nicht Blairs Ohrring ist? Er könnte seiner Freundin gehört haben. Oder es gibt vielleicht eine Frau, von der wir nichts wissen.«

»Ich frag ihn.«

»Das ist vielleicht nicht so ratsam.«

Harry überlegte. »Ich bin da zwar anderer Meinung, aber ich werde mich nach deinem Rat richten.« Sie machte eine Pause. »Was schlägst du denn vor?«

»Daß wir vorsichtig unsere Freundinnen fragen, ob eine einen Ohrring verloren hat und wie er aussieht.«

»Herrgott, Susan, wenn wir es mit einer Mörderin zu tun ha­ben oder wenn eine Frau da mit drinsteckt, dann wird das.«