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»Ja.« Blair lächelte. »Und wie soll ich die Gesellen nennen?«

»Weihnachtsnamen?« schlug Fair vor.

»Ja, ich könnte das graue Noel nennen und das gescheckte Jingle Bells. Ich bin nicht besonders gut im Namengeben.«

»Ideal.« Harry strahlte.

Auf der Heimfahrt hielt Harry den Karton auf dem Schoß. Die Kätzchen schliefen ein. Mrs. Murphy streckte den Kopf über den Rand und machte eine unziemliche Bemerkung. Bald schlief sie selber ein. Die Katze hatte bei jedem Stopp Trut­hahnfleisch gefressen. Sie mußte alles in allem einen halben Vogel vertilgt haben.

Tucker machte sich Mrs. Murphys völlereibedingten Schlaf zunutze, um Blair über ihre zahlreichen Ansichten aufzuklären. »Ein Hund ist viel nützlicher, Blair. Du solltest dir wirklich einen Hund anschaffen, der dich beschützen kann und auch die Ratten aus dem Stall vertreibt. Außerdem sind wir treu, gutmü­tig und leicht zu halten. Ein Corgi-Junges können Sie in einer Woche stubenrein haben«, log sie.

Blair tätschelte ihren Kopf. Tucker plapperte noch ein Weil­chen, bis auch sie einschlief.

Harry konnte sich an streßfreiere Weihnachtsfeste als dieses erinnern. Weihnachten voll Jugend und Verheißung, Parties und Lachen, aber sie konnte sich nicht erinnern, jemals ein Ge­schenk gemacht zu haben, das sie so froh gemacht hatte.

53

Hochprozentige Katzenminze beförderte Mrs. Murphy in den siebten Himmel. Leckeres Hundeknabberzeug erfreute Tucker. Sie bekam außerdem ein neues Halsband mit aufgestickten Corgis. Simon freute sich über die kleine Flickendecke, die Harry vor sein Nest gelegt hatte. Es war ein Hundedeckchen, in der Tierhandlung gekauft. Die Pferde freuten sich über Karot­ten, Äpfel und Leckereien aus Zuckersirup. Gin Fizz bekam eine neue Decke für draußen, und Tomahawk ein neues, rückenschonendes Sattelkissen.

Nach Erledigung der morgendlichen Pflichten packte Harry ihre Geschenke aus. Von Susan hatte sie einen Geschenkgut­schein für die Sattlerei Dominion bekommen. Wenn Harry noch etwas draufzahlte, könnte sie sich vielleicht neue Reitstiefel leisten, die sie dringend brauchte. Als sie Mrs. Hogendobbers Geschenk aufmachte, wußte sie, daß sie sie sich leisten konnte, denn auch Mrs. H. schenkte ihr einen Gutschein. Susan und Miranda hatten offensichtlich die Köpfe zusammengesteckt, und Harry wurde von einer Welle der Zuneigung über­schwemmt. Von Herbie und Carol bekam sie ein Paar herrliche, schlichte Rehlederhandschuhe, ebenfalls für die Jagd. Harry rieb sie immer wieder zwischen den Fingern; das edle Material fühlte sich kühl und weich an. Market hatte für Tucker einen Fleischknochen, für Mrs. Murphy noch mehr Truthahnfleisch und für Harry eine Dose Buttergebäck eingepackt. Cynthia Coopers Geschenk war eine Überraschung, eine Gesichtsbe­handlung in einem edelteuren Salon im Einkaufszentrum an der Barracks Road.

Kaum hatte Harry ihre Päckchen ausgepackt, da klingelte das Telefon. Miranda, ebenfalls Frühaufsteherin, gefielen ihre Ohr­ringe. Sie versprach Harry außerdem, alles Eßbare, das sie ge­schenkt bekam, mit zur Arbeit zu bringen, so daß alle, die ins Postamt kämen, sich bedienen könnten, womit die Versuchung von Mrs. Hogendobbers Gaumen abgewendet wäre. Als Harry auflegte, wurde ihr klar, daß sie und Miranda die Lebensmittel vertilgt haben würden, bevor jemand zur Tür hereinkäme.

Im Laufe des Tages kam die Sonne heraus. Die Eiszapfen glitzerten, und die Schneedecke schillerte wie ein Regenbogen; die kleinen Kristalle warfen rote, gelbe, blaue und lila Lichter zurück. Die Blue Ridge Mountains ragten babyblau auf. Wind­hosen bliesen Schnee von den Wiesen hoch und wirbelten ihn umher.

Weitere Freunde riefen an, darunter Blair Bainbridge, der er­klärte, nie im Leben habe ihm etwas soviel Spaß gemacht, wie die Kätzchen zu beobachten. Er sagte, er werde Harry morgen zur Arbeit fahren, und versprach, ihr vor morgen abend ein Weihnachtsgeschenk zu geben. Er tat sehr geheimnisvoll.

Dann rief Susan an. Auch ihr gefielen ihre Ohrringe. Harry hatte zuviel Geld für sie ausgegeben, aber dafür waren Freun­dinnen schließlich da. Der Lärm im Hintergrund stellte Susans Geduld auf die Probe. Sie gab auf und sagte, sie würden sich morgen sehen. Sie wolle jetzt mit Ned und den Kindern in den Schnee, Sirupbonbons machen.

Harry hielt das für eine gute Idee, und mit einer Dose Ver­mont-Ahornsirup bewaffnet, stapfte sie in den Schnee, der jetzt wadentief war. Mrs. Murph flitzte zum Stall, der Schnee von gestern lag auf dem Weg, aber wenigstens nicht höher als ihr Kopf.

»Simon«, rief die Katze,»Sirup im Schnee.«

Das Opossum rutschte die Leiter hinunter. Es huschte zum Stall hinaus, dann blieb es stehen.

»Na los, Simon, komm ruhig näher«, ermunterte ihn Tucker.

Von dem Duft ermutigt und weil er Harry halbwegs traute, folgte der graue Kerl in Mrs. Murphys Fußstapfen. Er setzte sich neben Harry, und als sie den Sirup ausgoß, stürzte er sich so ausgelassen darauf, daß Harry einen Schritt zurücktrat.

Als sie ihn gierig den gefrorenen Sirup fressen sah, erinnerte sich Harry wieder daran, daß das Leben ein Fest der Sinne sein sollte. Sie lebte inmitten von Bergen und Wiesen, Wäldern und Flüssen, und sie wußte, daß sie nie von hier wegziehen konnte, denn das Landleben nährte ihre Sinne. Stadtmenschen bezogen ihre Energie voneinander, Landmenschen bezogen ihre Energie aus der Erde selbst, wie Antaus. Kein Wunder, daß die zwei Menschentypen sich nicht verstehen konnten. Das tiefe Bedürf­nis nach Alleinsein, schwerer körperlicher Arbeit und dem Wechsel der Jahreszeiten brachte Harry um die Chance zu ma­teriellem Erfolg. Sie würde nie die Titelseite vonVogue oder People zieren. Sie würde nie berühmt werden. Abgesehen von ihren Freundinnen und Freunden würde niemand auch nur wis­sen, daß sie existierte. Das Leben war ein Kampf ums tägliche Brot, und je älter man wurde, um so härter der Kampf. Das wußte sie. Das akzeptierte sie. Wie sie da im Schnee stand, umgeben von himmlischer Ruhe, behütet von den alten Bergen der Neuen Welt, und Simon seinen Sirup fressen sah, Katze und Hund an ihrer Seite, da war sie dankbar, zu wissen, wohin sie gehörte. Sollten andere die Welt auf den Kopf stellen und auf sich aufmerksam machen. Für sie waren das die Wehrpflichti­gen der Zivilisation. Harrys Leben war ein stummer Vorwurf gegen das Grapschen und Ergattern, das Kaufen und Verkaufen, die Gier und Sucht nach Macht, die nach ihrer Meinung ihr Volk infiziert hatten. Für Geld starben die Amerikaner einen schmutzigen Märtyrertod. Und selbst in Crozet starben sie schon dafür.

Sie goß noch mehr Sirup in den Schnee, sah, wie er sich zu spitzenartigen Gebilden formte, und sie wünschte, sie hätte Schokoladentafeln erhitzt und beides vermischt. Sie bückte sich nach einer zierlichen Ranke festem Sirup. Es schmeckte köst­lich. Sie goß Simon noch mehr hin und dachte, daß es klug von Jesus gewesen war, in einem Stall geboren zu werden.

54

»Wir brauchen eine Heugabel.« Harry stieß mit ihrem Besen gegen die Post auf dem Fußboden. »Ich kann mich nicht erin­nern, daß wir letztes Jahr auch so viel verspätete Post hatten.«

»So schützt sich das Gehirn - es vergißt das Unangenehme.« Mrs. Hogendobber trug ihre neuen Ohrringe, die sehr gut stan­den. Das Radio knatterte; Miranda ging hin, stellte einen Sender ein und drehte die Lautstärke auf. »Haben Sie das gehört?«

»Nein.« Harry schob mit dem Besen die Versandhauskataloge über den Boden. Tucker jagte dem Besen nach.

»Morgen soll's wieder Sturm geben. Meine Güte, drei Schneestürme innerhalb von - was? - zehn Tagen? So was kann ich mir nie merken. Oder vielleicht doch. Im Krieg hatten wir einen fürchterlichen Winter - 44, glaube ich, oder war es 45?« Sie seufzte. »Zu viele Erinnerungen. Ich brauche mehr Platz in meinem Hirn.«